Die Aktivistin Vandana Shiva lancierte während der Konferenz „Il veleno alle porte“ („Das Gift vor den Toren“) am 10. Juli in Rom, Italien eine starke und hoffnungsvolle Nachricht. Nach Angaben der Wissenschaftlerin werden 70% aller weltweit konsumierten Lebensmittel noch von kleinen oder mittelgroßen Landwirten erzeugt. Doch multinationale Unternehmen der Lebensmittelindustrie, die Produkte geringer Qualität verkaufen, die oft auch noch mit Pestiziden verseucht sind, versuchen diese Kleinbauern zu verdrängen.
Multinationale Unternehmen und ihre Giftkartelle manipulieren das System wie Puppenspieler und drängen zu Freihandelsabkommen wie CETA. Dank der Unterstützung von einflussreichen Klassen und Politikern riskieren wir die Erschöpfung der begrenzten Ressourcen unseres Planeten, Auswirkungen auf Biodiversität und die Umwelt, Arbeitsplatzverluste und schwerwiegende Gesundheitsbedenken für die Bevölkerung.
Seit Jahren bereits klagt Vandana Shiva das neoliberale Modell an, das die aktuelle Schere zwischen dem 1%, das die Hälfte des Reichtums der verbleibenden 99% besitzt und kontrolliert, geschaffen hat.
Als Lösung befürwortet die indische Aktivistin eine „grüne Revolution“, die gesunde und nachhaltige Landwirtschaft fördert. Es ist die einzige Art von Landwirtschaft, die die Ressourcen der Erde sowohl respektiert als auch schützen kann und zudem das Überleben der Kleinbauern sichert.
Aber damit das Wirklichkeit wird, müssen die 99% aufwachen und ein Bewusstsein für das Thema entwickeln.
Wie sie im Videointerview mit Pressenza vor einigen Tagen sagte: „Es gibt nur eine Menschheit und nur einen Planeten.“
Im Folgenden das Videointerview in Originalsprache Englisch, darunter die Übersetzung auf Deutsch:
„Die Globalisierung, die von großen Unternehmen vorangetrieben wird, ist einer der Hauptgründe für Armut. Denn Armut bedeutet nicht nur, kein Geld zu haben. Es bedeutet auch, den Menschen ihr Land wegzunehmen. Der größte Landraub unserer Zeit fand in den letzten 20 Jahren der Globalisierung statt. Das ist Armut, Armut an Wasser, Armut an Lebensmitteln, Armut an Existenzgrundlagen. Globalisierung ist genau darauf ausgerichtet. Und die Globalisierer sprechen genau diese Sprache: es ist in Ordnung, wenn kleine Landwirte verschwinden. Das ist so gewollt. Denn sie brauchen einen Markt für ihre gigantischen Maschinen und massiven Pestizideinsatz. Sie wollen eine Landwirtschaft, die wie Krieg ist, die vom Krieg kommt und die wie Krieg aussehen wird.
Wenn wir das 1% nicht stoppen, das in 20 Jahren Deregulierung entstanden ist, in 20 Jahren Ökonomisierung, in denen sie alles unter ihre Kontrolle gebracht und in spekulative Finanzgeschäfte verwandelt haben, in denen Unternehmen und Investmentfonds, die vorher 50 Milliarden wert waren, jetzt 4 Billionen wert sind, und ihnen gehören alle Unternehmen – die Unternehmen gehören den Milliardären. Den 8 Milliardären, denen die Hälfte des Reichtums der Erde gehört. Sie scheren sich um nichts, zum einen, weil sie dumm sind und meinen, sie können auf den Mars auswandern, wenn unser Planet kaputt ist, und zum anderen, weil sie auf der Basis arbeiten, dass die 99% entbehrlich und austauschbar sind. Wenn sie also weitermachen, wird es keine Zukunft für die Menschheit auf der Erde geben. Und deshalb müssen die 99% aufwachen, aufstehen und sich bewusst werden, dass dieser Krieg gegen den Planeten enden muss.
Es ist der Krieg gegen den Planeten, der auch Krieg zwischen den Menschen hervorruft. Tatsächlich ist die Flüchtlingskrise eine Folge von Landzerstörung und Ausweitung der Wüsten, wachsender Wassermangel in Syrien oder am Tschad-See in Nigeria, und je mehr die Austrocknung voranschreitet, desto mehr trocknet auch die Wirtschaft in diesen Gegenden aus.
Wir müssen uns daran erinnern: wir sind eine Menschheit auf einem Planeten. Und das ist, wo wir gemeinsame Lösungen finden werden.
Der Grund, warum wir Freihandelsabkommen wie CETA stoppen müssen, ist, dass wir gesehen haben, was 20 Jahre Globalisierung nach Regeln, die von den Unternehmen geschrieben wurden, angerichtet haben, was sie dem Planeten angetan haben und was sie den Menschen angetan haben. Indien hat 300.000 Landwirte an den Selbstmord verloren, weil diese Unternehmen glaubten, es wäre ihr Recht, Saatgut zu unbezahlbaren Preisen zu verkaufen. Es wird Demokratie in jedem Land zerstören, weil es kurz gesagt den Verfassungen und den Menschen das Recht zu entscheiden wegnimmt und es in die Hände von anonymen Handelsvertretern legt, die diese Unternehmen repräsentieren.
Ich glaube, das ganze Problem, dem wir gegenüberstehen, basiert auf Gewalt im Denken, auf der Idee, die ganze Welt auf eine militärische Art zu betrachten, gegen die Natur zu kämpfen, gegen Pflanzen zu kämpfen und deshalb Herbizide wie Glyphosat zu brauchen. Gegen anderen Kulturen zu kämpfen… Wir müssen verstehen, dass wir von Natur aus verschieden sind und dass die Beziehungen innerhalb dieser Verschiedenheit gewaltfrei sind. Wir müssen Landwirtschaft ohne chemische Kriegsführung betreiben, wir brauchen eine gewaltfreie Landwirtschaft. Gewaltfreiheit ist meiner Meinung nach stärker als Gewalt. Sie ist stärker, weil sie die Widerstandskraft des Geistes wachsen lässt. Und keine Macht der Welt kann den Geist besiegen.“
Artikel, Interview & Video von Dario Lo Scalzo
Übersetzung aus dem Englischen von Evelyn Rottengatter