Im Interview mit Hanno Schedler von der Gesellschaft für bedrohte Völker e.V. in Göttingen stellen wir einige Fragen zu Uighuristan und der Situation der Menschenrechte. Herr Schedler war im März 2017 auch bei der Uighuristan-Konferenz in Brüssel. Möchte ihm nochmal für seine wichtigen Informationen danken. Wir können uns alle für die Uighuren und ihre Rechte einsetzen, indem wir Informationen über ihre Lage verbreiten.
Welche sind die wichtigsten Menschenrechtsverletzungen in der Region Uighuristan?
Die Chinesen nennen die Heimat der Uiguren Xinjiang (chinesisch für „Neue Gebiete“), die Uiguren selbst bezeichnen ihre Heimatregion als Ostturkestan. Seit dem Jahr 2001 wurden mehr als 700 Uiguren aus politischen Gründen zum Tode verurteilt. Allein aufgrund ihrer ethnischen Abstammung werden Uiguren oft Opfer von Willkür und Verfolgung. So gelten Männer mit Bärten als „Islamisten“ und werden willkürlich festgenommen, verschleierte Frauen müssen ihre Wohnungen räumen, viele religiöse Feste werden verboten und Koranschulen geschlossen. Massive Sicherheitskontrollen in uigurischen Wohnvierteln erwecken den Eindruck eines Besatzungsregimes. Mit diesen weitreichenden Eingriffen in Bürgerrechte schürt China die Gewalt. Mit einseitiger Berichterstattung in den staatlich kontrollierten Medien werden Uiguren pauschal als Gewalttäter diffamiert und Spannungen zwischen Han-Chinesen und der Minderheit gefördert. Die uigurischer Sprache wird an den lokalen Schulen immer seltener gelehrt, sodass ihr langfristig das Aussterben droht.
Wie wichtig sind Konferenzen wie die im März im Brüssel und warum?
Internationale Konferenzen über die Lage in Xinjiang/Ostturkestan helfen dabei, einer größeren Öffentlichkeit über die schlechte Menschenrechtslage vor Ort zu informieren und der Desinformationspolitik der chinesischen Regierung entgegenzuwirken, die die Uiguren pauschal als „Terroristen“ abstempelt. Weil unabhängige Medien oft gar nicht erst in die Region hineinkommen, ist es besonders wichtig, dass Experten Politiker, Medien und Öffentlichkeit informieren. Diese Konferenzen sind für die Uiguren aus der Diaspora auch ein wichtige Gelegenheit zum Austausch und dem Erarbeiten gemeinsamer Strategien.
Wie kann man sich von Europa aus für das uighurische Volk einsetzen?
In Europa kann man der Propaganda der chinesischen Regierung entgegenwirken und z.B. auf den wachsenden Einfluss der chinesischen Regierung auf die Sinologie-Abteilungen der hiesigen Universitäten hinzuweisen. Wir stehen auch immer wieder mit Politikern in Deutschland und Europa in Kontakt, um sie über die aktuelle Lage zu informieren und aufzufordern, sich z.B. für die Freilassung des in China zu lebenslanger Haft verurteilten uigurischen Wirtschaftsprofessor Ilham Tohti einzusetzen. Professor Tohti wurde von einem chinesischen Gericht wegen angeblichem „Separatismus“ zu lebenslanger Haft verurteilt, obwohl er sich stets für eine bessere Verständigung zwischen Uiguren und Han-Chinesen und gegen Separatismus eingesetzt hatte.
Welche Unterschiede bestehen zwischen Uighuristan und Tibet?
Die Uiguren sind sunnitische Muslime, während die Tibeter buddhistisch sind. Es handelt sich bei den Uiguren und Tibeter auch um unterschiedliche ethnische Gruppen. Aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit und der weltweit zunehmenden Islamophobie ist es leichter für die chinesische Regierung, die Uiguren als Terroristen darzustellen. Was die Unterdrückung durch den chinesischen Staat angeht, haben die Uiguren und Tibeter jedoch vieles gemein.
Was muss sich in Uighuristan dringend verbessern?
Die chinesische Regierung muss ihre konfrontative Haltung gegenüber den Uiguren aufgeben, mehr Arbeitsmöglichkeiten für Uiguren schaffen, die uighurische Sprache fördern und ihre Eingriffe in die Religionspolitik beenden. Wenn die tiefe Frustration und Verzweiflung der Uiguren nicht endlich ernst genommen wird von der chinesischen Regierung, werden die Spannungen zwischen den Uiguren und Han-Chinesen nur noch zunehmen.
Wie können alternative Medien dazu beitragen, Uighuristan im Westen bekannter zu machen?
Da die Medien in China alle staatlich gelenkt sind, wäre es wichtig, im Westen für ein besseres Verständnis der uigurischen Kultur zu sorgen und ein realistisches Bild der Lage in Xinjiang/Ostturkestan zu erhalten. Alternative Medien können beim Kampf gegen die chinesische Staatspropaganda eine wichtige Rolle spielen.
Das Video unseres Kollegen Aygun Uzunlar zu einem uighurischen Lied finden Sie hier.