Anfang Juni jährte sich zum 50. Mal der Jahrestag der israelischen Besatzung des Westjordanlands einschließlich Ost-Jerusalems und des Gazastreifens sowie der syrischen Golanhöhen. Amnesty International und andere Menschenrechtsorganisationen haben immer wieder vielfache schwere Menschenrechtsverletzungen dokumentiert, die im Rahmen der israelischen Besatzung dort stattfinden. Amnesty International fordert die internationale Staatengemeinschaft erneut auf, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um ihrer völkerrechtlichen Verantwortung gerecht zu werden.
Die israelische Politik, gegen geltendes humanitäres Völkerrecht israelische Zivilpersonen auf besetztem palästinensischem Land anzusiedeln, hat zu unzähligen Menschenrechtsverletzungen geführt. Zehntausende palästinensische Wohnungen und Einrichtungen sind von Israel zerstört worden und Hunderttausende Palästinenserinnen und Palästinenser wurden vertrieben. Viele Familien wurden aus ihren Wohnungen bzw. von ihrem Land vertrieben, um Grundstücke für den israelischen Siedlungsbau zu nutzen. Mindestens 100.000 Hektar palästinensisches Land sind der alleinigen Nutzung für den israelischen Siedlungsbau zugewiesen worden. Mittlerweile befinden sich etwa 600.000 Siedlerinnen und Siedler im Westjordanland und Ost-Jerusalem. Mit zahlreichen Resolutionen haben die Mitgliedsstaaten der UN-Generalversammlung, des UN-Menschenrechtsrats und des UN-Sicherheitsrats in den vergangenen Jahrzehnten die israelische Siedlungspolitik als Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht verurteilt.
Im gesamten Westjordanland hat die Siedlungsinfrastruktur, darunter Straßen, die nur Siedlerinnen und Siedlern vorbehalten sind, palästinensische Städte und Dörfer geteilt und die Bewegungsfreiheit der palästinensischen Bevölkerung extrem eingeschränkt. Seit Beginn der israelischen Besatzung im Jahr 1967 hat Israel seine repressive Militärherrschaft über die besetzten palästinensischen Gebiete mithilfe von mehr als 1.700 Militärverordnungen konsolidiert. Viele dieser Verordnungen kriminalisieren friedliche Aktivitäten und schränken die palästinensische Bevölkerung über Gebühr in ihrem täglichen Leben ein.
Der israelische Staat hat die Kontrolle über die natürlichen Ressourcen in den besetzten palästinensischen Gebieten übernommen; dazu gehören Wasser, fruchtbarer Boden und Bodenschätze. Der Zugang der palästinensischen Zivilbevölkerung zu Wasser, Land und anderen Ressourcen wird willkürlich eingeschränkt. Dies hat verheerende Auswirkungen auf den Lebensstandard, auf Arbeit, Wohnraum und Gesundheit der palästinensischen Bevölkerung. Während die palästinensische Wirtschaft von den Bodenschätzen, Ressourcen und Agrarland weitgehend abgeschnitten ist, werden diese Ressourcen den israelischen Siedlungsgebieten zugewiesen, so dass dort landwirtschaftliche Erzeugnisse, Baumaterialien und andere Güter produziert werden, die oft exportiert werden.
Über Jahrzehnte hinweg wurde in zahlreichen UN-Resolutionen festgestellt, dass die Errichtung von Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten einen Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht darstellt. Zuletzt formulierte die im Dezember 2016 verabschiedete Sicherheitsratsresolution 2334 dies eindeutig, in der Israel aufgefordert wird, alle Siedlungstätigkeiten einzustellen. Die Resolution fordert zudem alle Staaten auf, in ihren Beziehungen zwischen dem Hoheitsgebiet des Staates Israel und den seit 1967 besetzten Gebieten zu unterscheiden.
Dennoch hat Israel in den vergangenen Monaten die Ausweitung seiner Siedlungen vorangetrieben. So wurde der Bau Tausender neuer Häuser bzw. Wohnungen in bereits existierenden Siedlungen in den besetzten Gebieten sowie in zwei neuen Siedlungen im besetzten Westjordanland angekündigt.
Amnesty International fordert, dass die Staaten neben der internationalen Verurteilung auch wirksame Maßnahmen ergreifen, um die anhaltenden Rechtsverletzungen im Zusammenhang mit der Siedlungspolitik zu beenden.
Auf der Grundlage des humanitären Völkerrechts sind Staaten verpflichtet, sicherzustellen, dass sie keine rechtswidrigen Situationen anerkennen oder unterstützen. Um dieser völkerrechtlichen Verantwortung gerecht zu werden, müssen Drittstaaten daher verhindern, dass Produkte aus den völkerrechtswidrigen Siedlungen in ihre Märkte eingeführt werden. Drittstaaten haben darüber hinaus die Pflicht zu verhindern, dass auf ihrem Staatsgebiet ansässige Unternehmen in den Siedlungen wirtschaftlich aktiv werden oder mit dort produzierten Gütern handeln.