Weltweit werden durch Megaprojekte wie Pipelines, Dämme, Minen oder auch durch industrielle Abholzung, Landgrabbing und intensive Landwirtschaft langfristig Lebensräume zerstört. Die Leidtragenden sind neben der Natur und Menschen, die dort leben, auch wir, denn das Ökosystem Erde ist nicht trennbar, die Auswirkungen von Umweltzerstörung und Klimawandel auf den gesamten Planeten, der unser aller Zuhause ist, sind nicht mehr zu leugnen, ebenso wie die Tatsache, dass seitens der Politik keine Lösung zu erwarten ist, das hat COP21 ohne jeglichen Zweifel bewiesen.

In Standing Rock, North Dakota, U.S.A. ist letztes Jahr etwas passiert, was zukunftsweisend sein könnte. Einmal mehr wurde dort zu Gunsten der allmächtigen Ölindustrie beschlossen, ohne Rücksicht auf Mensch und Natur, vertraglich zugesicherten Rechten, Trinkwasservorkommen, gesundheitliche Bedenken usw. eine Pipeline zu bauen, die nur ein Ziel hat: Profitsteigerung für die involvierten Finanziers und ein weiterer Schritt in Richtung Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Genau das Gegenteil von dem, was wir brauchen.

Doch die Rechnung wurde ohne die Indianer gemacht. Sie haben einen Widerstand organisiert, der bis jetzt ohne Gleichen ist und zu einem Zukunftsmodell im Kampf gegen Umweltzerstörung und Profitgier werden könnte. Dass sie auch ein indigenes Volk sind, spielt dabei eine nicht ganz unwichtige Rolle.

Kurzer Abriss der Ereignisse in 2016

Bereits im Frühjahr formierte sich der Widerstand der Sioux Lakota Dakota Nakota Nation, deren Gebiet um den Lake Oahe und den Missouri River direkt von dem Megaprojekt betroffen ist. Nicht nur, dass die Pipeline heilige Grabstätten zerstören würde. Die durch Fracking und dem daraus resultierenden Ölboom seit 2006 bereits extrem belastete Region steht nun dem nicht unerheblichen Risiko gegenüber, durch ein einziges kleines Leck in der Pipeline die Trinkwasserressourcen für rund 17.000 Menschen zu verlieren, von der damit verbundenen langfristigen Belastung für die Umwelt ganz zu schweigen.

Alle Stämme indigener Völker in den U.S.A und darüber hinaus schlossen sich bald den Protesten an und ein bemerkenswerter Widerstand begann, sich quer durch die amerikanische Gesellschaft zu formieren: Protestaktionen wie Sit-ins in Rathäusern und vor Bankfilialen fanden in Städten wie Los Angeles, New York, San Francisco, Salt Lake City, Minneapolis, Austin, Texas und vielen anderen statt. Nach gewaltsamer Repression der friedlichen Proteste in Standing Rock, die auch von den Vereinten Nationen verurteilt wurde, erklärten sich per Facebook über 1 Millionen Menschen aus aller Welt solidarisch, ebenso Politiker wie Bernie Sanders und Persönlichkeiten wie John F. Kennedy Junior oder auch Hollywoodstars wie Susan Sarandon und Samuel L. Jackson sowie Musiker wie Willie Nelson und Neil Young.

Mni Wiconi – Water is Life wird zum Motto der Bewegung, denn Zugang zu sauberem Wasser ist ein Menschenrecht.  Der Kampf der Water Protectors findet aber auch Widerhall in anderen Bewegungen, die ebenfalls für die Respektierung ihrer Rechte kämpfen: in Amerika die Black Lives Matter Bewegung, aus Neuseeland die Maori, die als Ausdruck ihrer Solidarität traditionelle Tänze aufführten, Menschen in Marokko, die gegen die verheerenden Auswirkungen eine Silbermine kämpfen und Menschen in Palästina, die sich in Videos solidarisch mit Standing Rock erklären. Israa Suliman, eine junge Studentin in Gaza, schreibt in einem offenen Brief: „Als ich Eure Geschichte gelesen habe, konnte ich mich selbst und mein Volk in Euch wieder gespiegelt sehen. Ich fühle in meinem Inneren, dass Eure Kampf mein Kampf ist, und dass ich nicht alleine bin im Kampf gegen Ungerechtigkeit“.

Der Stein kommt ins Rollen

So ist es wohl auch den Samen, dem indigenen Volk im hohen Norden Europas ergangen, denn sie organisierten etwas, das nun den Stein ins Rollen bringt: Durch Druck auf zwei große norwegische Investoren in die Pipeline erreichten sie deren Rückzug aus dem Projekt. Und zum ersten Mal tut sich eine wahre Hoffnung auf, der scheinbar unendlichen Macht der großen Industrie etwas entgegensetzen zu können.

Die Defund-Kampagne nimmt schnell Fahrt auf. Eine Liste aller involvierten Banken und Finanziers zirkuliert im Internet und die Menschen werden gebeten, ihre Konten bei diesen Banken zu kündigen. Jane Fonda, zusammen mit anderen bekannten Schauspielern, tut dies medienwirksam: an ihrem 79sten Geburtstag kündigt sie an, ihr Geld aus Wells Fargo, einer der Hauptinvestoren der Pipeline herauszuziehen.

Es folgt die Stadt Seattle, die beschließt, ihr Business von 3 Milliarden Dollar jährlich aus Wells Fargo zu „di-vestieren“, also das Gegenteil eines „In-vestments“. „Divest your money“ wird zum Schlagwort und nun denken auch Portland, Minneapolis und San Francisco darüber nach, nicht nur aus Fargo Wells auszusteigen, sondern auch aus Investoren, die andere nicht moralisch vertretbare Projekte unterstützen wie zum Beispiel private Gefängnisse, wo unmenschliche Konditionen und Menschenrechtsverletzungen bereits zu Protesten und Hungerstreiks geführt hatten.

Der Druck, der sich so aufbauen lässt, hat auch Nordea, eine der größten Banken Europas dazu bewegt, offiziell die Verlegung der Pipeline zu fordern. Eine Tendenz die schon seit einiger Zeit Fahrt aufnimmt. Laut der britischen Zeitung The Guardian wurden letzten Jahr bereits über 5 Billionen Dollar aus Investments in Projekte für fossile Brennstoffe „divestiert“. Tatsächlich gibt es ähnliche Bewegungen auch im Bereich Abrüstung und Nuklearwaffen: die Initiative Don’t bank on the Bomb fordert Kunden von Banken auf, die in Atomwaffen investieren, ihre Konten dort zu schließen.

Die Kampagne #DefundDAPL aber hat es geschafft, ein Momentum zu generieren, das hoffentlich auch auf alle anderen Banken überspringt, die das Projekt (noch) finanziell unterstützen: Citibank, auch einer der Hauptinvestoren, erhielt kürzlich Post von Greenpeace, in dem die Forderung, sich aus dem Projekt zurückzuziehen, erneut gestellt wird. Der offene Brief an alle Investoren ist ein Projekt von BankTrack, den über 500 Vereinigungen unterzeichnet haben, darunter auf der Bund Naturschutz und Friends of the Earth Germany. Bis jetzt haben über 710.000 Menschen weltweit Banken aufgefordert, ihr Investment in die Dakota Access Pipeline zurückzuziehen.

Was hat Standing Rock mit Bayern zu tun?

Aber auch deutsche Banken sind involviert: die Deutsche Bank mit 275 Millionen Dollar sowie die Bayern LB mit 120 Millionen Dollar. Und sie halten sich bedeckt mit Kommentaren, doch je mehr öffentlicher Druck entsteht, desto größer der Zugzwang, sich von dem Projekt zu distanzieren. Weltweit wurden bis jetzt 40 Millionen Dollar von privaten Konten „di-vestiert“; leider ist das bei der BayernLB schwierig, da es sich bekanntlich um die Bank des Freistaats Bayern handelt. Weniger bekannt jedoch ist, dass sich vor noch gar nicht so langer Zeit die Sparkassen nachträglich am Rettungspaket für die BayernLB beteiligt haben und an dieser nun auch zu 25% beteiligt sind. Wir erinnern uns auch, dass die BayernLB aufgrund des schief gelaufenen Investments in die Hypo-Alpe-Adria mit Steuergeldern von knapp 10 Milliarden Euro gerettet werden musste.

Wenn also 75% der Bayern LB dem Freistaat Bayern und 25% den Sparkassen gehören, dann unterstützt jeder Bayer, der ein Konto bei einer Sparkasse besitzt, die Dakota Access Pipeline indirekt gleich doppelt – ein Projekt, das die Umwelt gefährdet, vertraglich zugesicherte Rechte verletzt, mit physischer und anhaltender Gewalt gegen den friedlichen Widerstand vorgeht, den längsten Fluss der USA sowie einen riesigen See als Trinkwasser-Resevoir für zehntausende Menschen direkt bedroht und den Klimawandel vorantreibt. Und als wenn das noch nicht genug wäre, würde es auch satte Gewinne für einen Konzern bescheren, in den Donald Trump noch bis vor kurzem investiert hatte, jeglicher weiterer Kommentar dazu erübrigt sich.

Zeit für Taten

So wie die Norweger und Amerikaner erfolgreich Druck auf ihre beteiligten Banken machen, müssen wir das jetzt auch tun. Theoretisch sollte jeder Sparkassenkontobesitzer seine Sparkasse und jeder, der in Bayern Steuern zahlt, seine Landesregierung fragen, wie sie denn zu dem inzwischen höchst umstrittenen Projekt stehen. Praktisch und etwas unkomplizierter stehen inzwischen zwei Petitionen zur Verfügung, die sofort unterzeichnet werden können. Die Zeit drängt, die Finanzierung wackelt und der Moment ist jetzt. Die Links zu den an die BayernLB und Deutsche Bank gerichteten Petitionen von SumOfUs und Campact! sind deshalb auch unten, zusammen mit anderen Möglichkeiten, Standing Rock zu unterstützen, nochmals gesondert aufgeführt.

Der Kampf um Standing Rock und viele andere zerstörerische Projekte geht weiter. Nach dem extrem harten, aber vorhersehbaren Rückschlag durch Trumps Executive Order geht es jetzt erst richtig los. Der Army Corps of Engineers, der ursprünglich nach der Intervention der Veterans, also ihrer eigenen ehemaligen Mitglieder, beschlossen hatte, die Entscheidung über die Fertigstellung der Pipeline von einem Umweltgutachten (Environmental Impact Statement; kurz E.I.S.) abhängig zu machen, zu dem auch die Bevölkerung eingeladen war, bis zum 20. Februar ihre Meinung mitzuteilen, scheint nun bereits eingeknickt zu sein. Die Water Protectors in Standing Rock sowie alle Verbündeten und Unterstützer weltweit bereiten sich auf das Schlimmste vor.

Verletzung von vertraglich zugesicherten Rechten, Umgehung von Umweltgutachten, Ignorieren der lokalen Bevölkerung, Polizeigewalt gegen friedliche Proteste, Inhaftierungen und willkürliche Verurteilungen…. Jill Stein, Vorsitzende der Green Party, der Grünen in den U.S.A., verurteilt dies als „Vergewaltigung unserer Demokratie“ und ruft alle Menschen zur Solidarität mit Standing Rock auf. Es gilt nun, sie nach allen Kräften zu unterstützen, denn sie kämpfen für sauberes Wasser, für saubere Luft, für eine gesunde Erde und somit für unser aller Zukunft. Sollte die Fertigstellung der Pipeline hingegen erzwungen werden, so öffnet dies Tür und Tor für noch viele weitere ähnliche Projekte sowie Trumps Politik, noch mehr Öl und Gas fördern und verbrennen zu wollen, anstatt endlich auf erneuerbare Energien umzusatteln.

Die Zukunft

Der einst von den Indianern organisierte Widerstand ist zu einer wahrhaft ausgewachsenen Bewegung geworden. Auf der Internetplattform Change.org gibt es bereits eine soziale Bewegung, die alle Widerstände gegen ähnlich schädliche Pipelines bündelt. Es entwickelt sich eine breite Koalition gegen durch Industrielobbyismus geprägte Politik auf Kosten der Menschen und der Umwelt, zusammen mit einem wachsenden Bewusstsein, dass indigene Bewegungen weltweit an der Front gegen Umweltzerstörung und einhergehender sozialer Ungerechtigkeit kämpfen, weil sie sich eine tiefe Beziehung zur Erde und ihrer Rolle als Spenderin allen Lebens erhalten haben. Tatsächlich sind auf nur noch 20 % der Erde über 80% der Biodiversität vorhanden. Und genau diese 20% werden (noch) von indigenen Völkern bewahrt und verteidigt.

Uns dies bewusst zu machen, ist an dem Punkt, an dem sich die Menschheit heute befindet, äußerst wichtig und die Tatsache, dass der Kampf gegen industrielle Zerstörung aus Profitgier Menschen auf der ganzen Erde vereint, wie es Standing Rock tut, gibt Anlass zur Hoffnung, dass eine wahre globale Gegenbewegung entsteht, um die Zerstörung des Planeten, die in jedem einzelnen Fall auch mit Menschenrechtsverletzungen einhergeht, zu stoppen.

Standing Rock ist der Mut zu sagen: Wir kämpfen für das, woran wir glauben, und wir hören nicht auf, denn es geht um unsere Zukunft. Und es ist ein leuchtendes Beispiel dafür, wie eine „indigene“ Bewegung zu etwas viel Größerem werden kann. Die Zukunft besteht in der Vernetzung indigener Bewegungen, die für Frieden, Menschenrechte und den Planeten kämpfen und wenn wir, die „nicht-indigenen“, die diesen tiefen Kontakt mit der Erde verloren haben und ihn aber wieder in unseren Gesellschaften etablieren möchten, uns mit ihnen zusammentun, dann kann eine gewaltige Macht entstehen. Sie haben unsere vollste Unterstützung verdient.

Candice Bernd, Autorin für Truthout und Aktivistin gegen Fracking, brachte es auf den Punkt: „Es geht um mehr… als nur um diesen Moment, diese Pipeline oder jene Flüssigerdgasanlage. Es geht um den Kampf zwischen Gut und Böse und darum, einen gesunden Planeten für zukünftige Generationen zu haben oder stattdessen Machtmissbrauch, Korruption und Gier des Geldes wegen.“

Die folgende Linksammlung listet einige der vielen Möglichkeiten auf, um den Widerstand gegen die Dakota Access Pipeline konkret zu unterstützen:

Petitionen auf Deutsch:

SumOfUs (an Deutsche Bank und BayernLB; bereits über 350.000 Unterschriften)

Campact! (an die BayernLB; bereits über 275.000 Unterschriften)

Petitionen auf Englisch:

http://petitions.signforgood.com/NoDAPLbanks?code=IEN (an alle 17 Banken gerichtet)

https://www.change.org/p/stop-the-dakota-access-pipeline

https://www.change.org/p/jo-ellen-darcy-stop-the-dakota-access-pipeline

https://www.change.org/m/people-against-pipelines (soziale Bewegung)

Einwendungen zum Umweltgutachten E.I.S.:

http://indigenousrising.org/leave-a-public-comment-for-the-dapl-e-i-s/

https://actionnetwork.org/letters/submit-your-eis-comment-to-the-army-corps

https://other98action.org/take-action-write-your-dapl-public-comment-to-the-army-corps-of-engineers-now/

Unterstützung auf Facebook:

https://www.facebook.com/Standing-Rock-Sioux-Tribe

https://www.facebook.com/StopDAPL/

https://www.facebook.com/StandingRockDakotaAccessPipelineOpposition/

Organisieren von Protestaktionen, Spenden und weitere Infos:

http://sacredstonecamp.org/

http://standwithstandingrock.net/

https://nodaplsolidarity.org/

http://www.nodaplarchive.com/