Menschen, die in Deutschland mit einer Duldung leben, oft über viele Jahre bis Jahrzehnte, müssen permanent mit einer Ausweisung oder Abschiebung rechnen, haben häufig keine Arbeitserlaubnis, können sich und ihren Familien daher keine Existenz oder Lebensperspektive aufbauen. Um solche persönlichen Schicksale zu verhindern und den Menschen schneller eine Bleibeperspektive zu geben, gab es 2015 eine neue Bleiberechtsregelung.
Pressemitteilung von Pro Asyl
Die ursprüngliche Absicht der Neuregelung, einen Großteil der Langzeitgeduldeten einen Aufenthaltsstatus und eine klare Lebensperspektive einzuräumen, ist gescheitert.
Der grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck hat die Bundesregierung gefragt, wie viele Geduldete bislang von der neuen Bleiberechtsregelung nach § 25a und 25b Aufenthaltsgesetz profitieren konnten. Die nun veröffentlichten Zahlen zeigen die klaffende Schere zwischen den potentiell Anspruchsberechtigten auf der einen und den tatsächlich zugesprochenen Aufenthaltsrechten auf der anderen Seite.
Von über 58.000 potenziell Anspruchsberechtigten haben nur 898 Geduldete bundesweit ein Bleiberecht nach § 25b Aufenthaltsgesetz bekommen. Ähnlich gravierend sieht es bei den Jugendlichen aus. Insgesamt leben 12.849 geduldete Jugendliche seit mehr als vier Jahren in Deutschland, aber nur 3.225 haben eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Für das Scheitern der Bleiberechtsregelung gibt es aus Sicht von PRO ASYL eine Vielzahl von Gründen.
Widersprüche und unüberwindliche Schwierigkeiten bei den gesetzlichen Vorraussetzung für ein Bleiberecht
Zum einen sind die erforderlichen Aufenthaltszeiten von acht Jahren bei Einzelpersonen und sechs Jahren bei Eltern mit minderjährigen Kindern sind sehr lang bemessen.
Die Integration muss zudem durch Sprachkenntnisse und eine überwiegende Sicherstellung des Lebensunterhalts aus eigener Kraft nachgewiesen werden – beides ist für viele Betroffene schwer zu schaffen.
Der Status der Geduldeten ist derart prekär, dass viele Arbeitgeber davon absehen, sie als Beschäftigte einzustellen – kann man sich doch nicht sicher sein, ob die Abschiebung nicht doch irgendwann vollzogen wird. Der Duldungsstatus: ein Teufelskreis. Weil Geduldete keinen sicheren Aufenthaltstitel haben, ist ihnen die wirtschaftliche Existenzsicherung deutlich erschwert, was wiederum ihre nachhaltige Integrationsfähigkeit vor den Behörden in Frage stellt und dann zum Ausschluss von einem Aufenthaltstitel führt.
Asylsuchende aus angeblich »sicheren Herkunftsländern« sind ausserdem einem unbefristeten Arbeitsverbot unterworfen und von Integrationskursen ausgeschlossen.
Einen gesetzlichen Widerspruch gibt es bei dem Nachweis der Sprachkenntnisse: Auf der einen Seite wird für den Anspruch auf das Bleiberecht nur ein Sprachniveau von A2 verlangt, auf der anderen Seite müssen Geduldete Kenntnisse über die Rechtsordnung und die Lebensverhältnisse in Deutschland nachweisen. Diese sind oft mit einen schriftlichem Test verbunden, den die Betroffenen mit einem A2-Niveau oft nicht bestehen können. Hinzu kommt die negative Auswirkung diskriminierender Praktiken, die der Gesetzgeber für die Gruppe der Geduldeten beschlossen hat.
Die Aufenthaltserlaubnis kann weiterhin versagt werden, wenn der Ausländer die Abschiebung durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch die Täuschung über die Identität verhindert oder verzögert hat. Darum wird häufig vor Gericht gestritten; viele Ausländerbehörden unterstellen schnell, dass die Geduldeten es selbst zu verantworten haben, dass die Abschiebung nicht möglich ist. Rechtsprechung- und Behördenpraxis wirken so zusammen, sodass die politische Absicht, die Kettenduldung zu minimieren, ins Leere läuft.
Zu den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis gehört es, dass Pässe vorgelegt werden. Hier scheitern viele Geduldete.
Regelungen für Jugendliche laufen an der Realität vorbei
Mit §25a AufenthG wurde eine Bleiberechtsregelung für gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende geschaffen, die nach vierjährigem Schulbesuch ein Bleiberecht erhalten können. Da viele junge Flüchtlinge erst mit 16 oder 17 Jahren in Deutschland ankommen, können viele diesen vierjährigen Schulbesuch nicht nachweisen. Manche werden verspätet eingeschult oder für sie entfällt die Schulpflicht. Da sie ihren Antrag vor Erreichen des 21. Lebensjahrs stellen müssen, erklärt sich vermutlich damit, warum trotz fast 13.000 Geduldeter unter 21 Jahre relativ wenige von der Regelung profitieren.
Eine differenzierte Auswertung der Wirkung des Gesetzes von Seiten der Bundesregierung gibt es nicht. Mehr noch, die Bundesregierung will sich offenbar mit den Mängeln der Bleiberechtsregelung gar nicht befassen: »Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor«. Zwar ist die Umsetzung der Bleiberechtsregelung die Sache der Bundesländer, aber die Bundesregierung könnte sich die Fakten dort besorgen.