Mit Rebecca von der FIZ (Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration) unterhalten wir uns mit dem Fokus auf den Schutz von Frauen vor dem Menschenhandel.
Wie können Migrantinnen mit Ihrer Organisation in Kontakt treten?
Die FIZ betreibt zwei Outreach-Programme: die Beratungsstelle für Migrantinnen und Makasi – Beratungs- und Unterstützungsdienste für Opfer des Frauenhandels. FIZ berät Migrantinnen, die seitens ihrer Ehemänner, Partner, Arbeitsgeber oder anderer Menschen in ihrer Umgebung Ausbeutung oder Gewalt erleiden. Wir unterstützen auch Migrantinnen im Milieu der Prostitution, die bei der Beantragung einer Arbeitserlaubnis aufgrund der komplexen Bürokratie in Schwierigkeiten geraten. Unsere Türen sind offen für Frauen aus Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa, die Probleme mit ihren Aufenthaltsgenehmigungen oder einem nicht dokumentierten Status haben. Unsere Beratungsdienste können persönlich oder telefonisch erreicht werden. Sie sind immer kostenlos und vertraulich. Wir sind unter der Rufnummer:+41 44 436 90 00 zu erreichen. FIZ Makasi bietet auch eine umfassende professionelle Hilfe für Überlebende des Frauenhandels an: Krisenintervention, psychosoziale Beratung mit konkreter Hilfe für Traumapatienten, sicheres Wohnen, Organisation der Finanzhilfe, Information und Unterstützung gemäß dem Gesetz für Opfer von Straftaten, Rechtsberatung und Intervention im Bereich von Aufenthaltsangelegenheiten und auf dem Gebiet des schweizerischen Strafgesetzbuches, die Einschätzung der Risiken in der Schweiz und die Rückkehr in das Herkunftsland, Unterstützung bei Strafverfahren, Organisation des Tagesablaufs, Zusammenarbeit mit Fachanwälten, Ärzten und Therapeuten, Unterstützung bei eventueller Rückkehr in das Herkunftsland und Zusammenarbeit mit den Behörden im Herkunftsland. Überlebende des Frauenhandels können uns telefonisch unter er Nummer (+41 44 436 90 00) erreichen. Möglich ist auch eine Kontaktaufnahme über die Polizei, Klienten, Gesundheits- und Opferzentren, Nachbarn und anderen Menschen, die die Information an uns weitergeben.
Welche sind die Haupthindernisse der sozialen Eingliederung der Opfer?
Die wichtigsten Hindernisse sind Diskriminierung, Stigmatisierung und fehlende Sprachkenntnisse. Obwohl Migrantinnen, die keinen oder nur einen präkeren Aufenthaltsstatus haben, theoretisch auch Zugang zu den öffentlichen Dienstleistungen haben, profitieren sie selten davon. Einige Überlebende werden nicht als Opfer identifiziert, weil die Behörden sich auf die Rechtsmäßigkeit oder die Rechtswidrigkeit ihres Status konzentrieren. Sie riskieren, ausgewiesen zu werden, bevor sie als Opfer identifiziert werden können. Andere Hinterbliebene, die ohne einen legalen Aufenthaltsstatus in der Schweiz leben, suchen keine Unterstützung der Behörden oder der Opfer-Hilfe aus Angst, abgeschoben zu werden. Stigmatisierung und Diskriminierung machen es für Überlebende schwer, sich für ihre Rechte einzusetzen. Sie haben somit wenig Möglichkeiten, sich in die Gesellschaft zu integrieren.
Wie hat die Zivilgesellschaft vor Ort bisher auf ihre Sensibilisierungsarbeit reagiert?
Die FIZ informiert die Öffentlichkeit über den Frauenhandel und die präkeren Situationen von Migrantinnen. Über 1.000 Personen besuchen jährlich unsere professionellen Schulungen und Veranstaltungen, die an die Öffentlichkeit gerichtet sind. FIZ wird auch regelmäßig von den Medien kontaktiert. Was in der Schweiz fehlt, sind landesweite Schulungen für Polizei-, Justiz- und Migrationsbehörden. Die meisten Schulungen werden nur in bestimmten Kantonen angeboten. Dies führt zu großen Unterschieden in der Zahl der identifizierten Opfer und in der Professionalität der Beamten, die Fälle bezüglich des Frauenhandels behandeln.
Wie sehen die aktuellen Daten zum Frauenhandel in Ihren Tätigkeitsbereichen aus?
Es gibt keine zuverlässigen Daten darüber, wie viele Menschen in der Schweiz jährlich Opfer von Menschenhandel sind. Die Schweizer Koordinationsstelle gegen Menschenhandel und illegale Einwanderung spricht die folgenden Daten an: Gemäß der polizeilichen Kriminalstatistik wurden in den Jahren 2009-2014 zwischen 45 und 78 Fälle des Menschenhandels (gemäß Art. 182 SCC) und zwischen 69 und 148 Fälle von Prostitution (gemäß Art.195 SCC) registriert. Zwischen dem Jahre 2000 und dem Jahre 2014 wurden zwischen zwei und fünfzehn Menschenrechtsurteile und zwischen sieben und sechsundzwanzig Urteile wegen Verleitung zur Prostitution pro Jahr rechtskräftig. Natürlich sind diese Daten keinesfalls ausreichend, wenn man sich die konkrete Zahl der Opfer ansieht. Denn die Dunkelziffer ist sehr hoch. Im Jahre 2015 behandelten die Berater von FIZ Makasis 229 Fälle.
Wie arbeiten Sie mit Behörden und Institutionen vor Ort zusammen?
Wir nehmen an mehreren kantonalen Diskussionen gegen den Menschenhandel teil und kooperieren mit allen aktiven Teilnehmern. FIZ Makasi wird von 11 Kantonen zur Unterstützung der Opfer des Menschenhandels beauftragt und arbeitet regelmäßig mit den Behörden vor Ort zusammen. Die meisten Überlebenden werden von spezialisierten Menschenhandelseinheiten der Polizei an die FIZ Makasi verwiesen. Opfer des Menschenhandels können Unterstützung von staatlichen und privaten Zentren für Opfer-Hilfe anfordern. Die Opfer-Hilfe umfasst sowohl Beratung als auch medizinische, psychologische, soziale, materielle und rechtliche Hilfe. FIZ Makasi unterstützt die Überlebenden des Menschenhandels und auch andere Migrantinnen, die im Umgang mit staatlichen Behörden Gewalt ausgesetzt sind. Wir koordinieren gegebenenfalls auch verschiedene Dienste.
Von Milena Rampoldi und Denise Nanni für ProMosaik
Deutsche Übersetzung von Beyza Ünver