Am 19. Oktober marschierten Tausende Frauen in weiß durch die Straßen von Jerusalem. Ihr Weg führte vom Obersten Gerichtshof zum Regierungssitz von Netanyahu. Über ihren Köpfen schwangen sie Plakate: Genug ist Genug – Frauen wagen Frieden.

Aufgerufen zu dem  Marsch der Hoffnung hatte ein breites Bündnis aus israelischen und palästinensischen Frauenorganisationen. Sie beriefen sich auf die Resolution 1325 der Vereinten Nationen, nach der die Mitgliedsstaaten seit Oktober 2000 verpflichtet sind, Frauen in friedensfördernde und –erhaltende Maßnahmen einzubeziehen. Dem überparteilichen Aufruf folgten jüdische wie arabische Israelinnen aller Altersgruppen.  Siedlerinnen wie Beduininnen, Feministinnen und orthodoxe Religiöse sangen, skandierten und trommelten, Arm in Arm marschierend. Wortlos wurde das Selbstverständnis für das Recht zweier gleichberechtigter, lebensfähiger neben – und miteinander lebenden Staaten durch die hundertfach getragenen Poster mit Aufnahmen aus dem Weißen Haus vom 13. September 1993 gezeigt. Damals bekräftigten Yitzhak Rabin und Yassir Arafat die Unterzeichnung des Oslo Abkommens durch einen historischen Handschlag. Die Hoffnung auf Frieden zwischen Israel und Palästina endete abrupt am 4. November 1995 mit der Ermordung Rabins und dem Erstarken der rechts-nationalen Kräfte unter dem heutigen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu.

Als im Sommer 2014 der letzte Gaza –Krieg  über 2200 Menschenleben kostete, begann der Aufbau eines landesweiten Netzwerkes von Frauen, die sich über Parteigrenzen hinweg als Mütter, Schwestern, Ehefrauen, Töchter zusammenschlossen, um untereinander einen Dialog zu starten, wie sie ihre Gemeinsamkeiten definieren und ihre Visionen artikulieren wollen. Nach 22 Monaten arbeiteten 17 Regionalkoordinatorinnen und 21 ehrenamtliche Teams mit über 20.000 Mitgliederinnen auf bilateraler Ebene.

Am heutigen 1. November begleitet ein internationaler Planungsstab die Ausarbeitung eines „Roadmap for Peace“, eines Friedensplanes. Dieser soll im Oktober 2017 im deutschen Parlament in Berlin vorgestellt werden.

Friedensdorf Newe Shalom – Wahat as Salam

In einer Auftaktveranstaltung zum Marsch der Hoffnung am 17. Oktober erinnerte auch die berühmte Sängerin Noa an das Attentat an Rabin vor 21 Jahren. Sie rief im Friedensdorf Newe Shalom – Wahat as Salam dazu auf, in der Entschlossenheit und Kreativität, die Regierungen an den Verhandlungstisch zu bringen, nicht nachzulassen. In der von jüdischen und arabischen Staatsbürgern Israels gebauten Oase des Friedens wird Gleichberechtigung und Verständigung zwischen den Völkern seit 1972 praktiziert. Neben Noa hielt die neue französische Botschafterin Helène Le Gal eine Auftaktrede, in der sie die besondere Rolle der Frauen als Friedensstifterinnen betonte. Besonderen Applaus erhielt Eliaz Cohen, ein religiöser jüdischer Poet, der seit seiner Kindheit in einer Siedlung lebt und das Leid des Verlustes hautnah erlebte. Seine Vision eines gemeinsamen Landes für alle Bürger_innen begeisterte Palästinenserinnen wie Israelinnen gleichermaßen.

Welche Kraft der Zusammenhalt von Frauen entwickeln kann, verdeutlichte die Friedensnobelpreisträgerin Leymah Gbowee. Sie war 2003 die Initiatorin einer Blockade des liberianischen Parlaments, nachdem Warlords über ein Jahrzehnt das Land, Stämme und Familien brutal zerrissen hatte. Sie rief zu Demonstrationen und geschlossenem Handeln von Frauen auf, bis es zu einem Friedensabkommen und der Wahl der ersten weiblichen Präsidentin Afrikas kam.  Den Esprit von Leymah Gbowee und  ihre Appelle trugen die Frauen aus dem Veranstaltungsraum mit hinaus auf die Straße.

Daniel Bar Tal
Leymah Gbowee
Noa
Leymah Gbowee

 

Hoffnung am Jordan

Der Marsch der Hoffnung fand auch auf palästinensischer Seite statt. Entgegen aller Befürchtungen, dass sich aus Angst vor Repressionen nur wenige Frauen einfinden würden,  versammelten sich Tausende auf dem Militärgelände Qasr el Yahud am Jordan. Vielleicht war es ein gutes Omen, dass hier nach christlicher Überlieferung Jesus, ein Vordenker für Gewaltfreiheit, Toleranz und Gerechtigkeit, getauft wurde, denn zwischen Stacheldraht und Minenfeldern herrschte spürbare Einigkeit über die Sinnlosigkeit von Kriegsherrschaft und Gewaltausübung.

Die berühmte arabisch-israelische Sportlerin Ulfat Haider aus Haifa und die jüdische Israelin Hagit Lavi aus dem Kibbuz Yehiam trafen nach einem 250 km langen Marsch von der Nordgrenze Israels bis zum Toten Meer ebenfalls hier ein. Nochmal rief Leymah Gbowee  am Ufer des Jordans dazu auf, jetzt erst mit der wirklichen Arbeit zu beginnen. Erst wenn ein Friedensabkommen unterzeichnet sei, könne die Region zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit finden.