Gut ein Jahr nach dem ersten Wahlgang bekommt Spanien eine neue Regierung. Zwei Urnengänge waren dafür nötig und ein Umfaller der Sozialisten. Am Mittwochvormittag hat Mariano Rajoy von der konservativen Partido Popular (PP) seinen Amtseid als neuer Ministerpräsident Spaniens abgelegt. König Felipe VI. beauftragte ihn anschließend eine Regierung zu bilden. Am kommenden Donnerstag wird das neue Kabinett vorgestellt und vereidigt.
Was den Spaniern in Erinnerung bleiben wird, sind die zähen Debatten und die gegenseitigen Schuldzuweisungen der Parlamentarier, eine Regierungsbildung aus parteipolitischen Gründen, blockiert zu haben. Zurück bleibt auch eine gespaltene Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE), der obendrein der führende Kopf von den Schultern geschlagen wurde.
Der Fehler des Pedro Sanchez
Der bisherige Generalsekretär Pedro Sanchez war auf Druck des ehemaligen Ministerpräsidenten Felipe Gonzalez zurückgetreten. Sanchez wollte nach anfänglichem Zögern eine Koalition mit Unidos Podemos eingehen und eine linke Regierung der Erneuerung bilden. Ein parteipolitischer Fehler.
Noch vor der Abstimmung im Parlament über die Tolerierung einer Minderheitsregierung unter Rajoy trat Sanchez von seinem Amt als Generalsekretär zurück. Außerdem gab er sein Mandat als Abgeordneter auf. Bei der zweiten und entscheidenden Abstimmung legte die PSOE den sozialistischen Abgeordneten Fraktionszwang auf: alle enthielten sich der Stimme und machten so den Weg für Mariano Rajoy und die PP frei.
Die Angst in den Knochen
Der Machtkampf hinter den Kulissen, der Pedro Sanchez seine Ämter und der PSOE neben der Glaubwürdigkeit auch den führenden Kopf kostete, hat gezeigt, dass Spanien seine faschistische Vergangenheit noch lange nicht verarbeitet hat.
Das Auftauchen von Podemos auf der politischen Bühne und der anschließende Schulterschluss mit IU (Vereinigte Linke) hat das Zweiparteiensystem zwar gesprengt, aber auch alte Ängste geweckt. Die faschistische Franco-Ära kultivierte die Furcht vor den Linken und den Kommunisten derartig, dass sie bis heute tief in den Knochen der noch jungen Demokratie steckt.
Armut und Knechtschaft
Es bleibt offen, wie sich Spanien in den kommenden Jahren entwickeln wird. Sollte Mariano Rajoy mit der PP aber weiter stramm den neoliberalen Kurs fahren, der die Unternehmen und Reichen begünstig und das gemeine Volk knechtet, dürfte sich auf der Iberischen Halbinsel der soziale Niedergang fortsetzen, der durch Armut und ausufernde Korruption begleitet wird.
Die Schlangen vor den Suppenküchen werden länger. Junge Menschen finden kaum noch Arbeit. Facharbeiter und Akademiker schlagen sich als Hilfsarbeiter durch oder wandern aus und suchen ihr bescheidenes Glück in der Ferne. Jeder fünfte Spanier lebt unter dem Existenzminimum.
Für die neuen politischen Kräfte im Land bietet sich jetzt die Chance, in den Städten und autonomen Regionen, in denen sie die Regierung stellen, zu beweisen, dass eine soziale Politik und somit eine andere Gesellschaft möglich ist.
Von Jairo Gomez für Neue Debatte
Seit 1967 lebt der im spanischen Granada geborene Bernardo Jairo Gomez Garcia in Deutschland. Schon vor seinen Ausbildungen zum Trockenbaumonteur und Kfz-Lackierer entdeckte Gomez seine Leidenschaft für die Kunst. Er studierte an einer privaten Kunsthochschule Airbrushdesign und wechselte aus der Fabrikhalle ans Lehrerpult. 14 Jahre war Gomez als Spanischlehrer in der Erwachsenenbildung tätig. Seine Interessen gelten der Politik, Geschichte, Literatur und Malerei. Für Neue Debatte schreibt Jairo Gomez über die politischen Entwicklungen in Spanien und Lateinamerika und wirft einen kritischen Blick auf die gesellschaftlichen Veränderungen in Deutschland und Europa.