Im Laufe des Samstags, 15. Oktober, wurde im Monastero del Bene Comune (Kloster des Allgemeinwohls) in Sezano bei Verona die „Begegnung mit weltweiten Mut – Utopie neu denken“ ins Leben gerufen, bei der drei Workshops gleichzeitig stattfanden. Die Begegnung war Teil des zweitägigen Events „Internationaler Gipfel für weltweiten Mut“ mit dem Titel „Utopie neu denken“, 500 Jahre nach der Publikation des gleichnamigen Werkes von Thomas Morus.
Der erste Workshop hatte zum Ziel, eine Liste aller „Disutopien“ (negativer Utopien) des aktuellen Systems zu erstellen, also solcher Utopien, die dieses als nicht realisierbar ansieht: jeglicher Versuch, Menschenrechte zu verteidigen, wird vom System in Disutopie umgewandelt, indem es die Bedeutung von Wörtern wie Solidarität, Demokratie, Entwicklung verzerrt und mystifiziert, sie als nicht realisierbar darstellt.
Beim zweiten Workshop tauschten die Teilnehmer praktische Erfahrungen aus, die sich bereits in Aktionen, Bewegungen und Vereinigungen materialisiert haben und die man als Utopien bezeichnen kann, die bereits im Gange sind und die es zu fördern, zu unterstützen und zu stärken gilt. Die Liste ist lang, und reicht von auf dem Prinzip der Nachhaltigkeit basierenden Gemeinden, den „comuni virtuosi“ und „transition towns“ über Bewegungen zur Verteidigung von öffentlichen Dienstleitungen und Gütern, von Gesetzen zum Allgemeinwohl und der Verfassung, über alternative Medien und Ökonomien bis zu Bewegungen und Organisationen, die Minderheiten, Einwanderer, Behinderte und sozial Benachteiligte aufnehmen, schützen und verteidigen.
Der dritte Workshop definierte Initiativen, die es im Bereich der Erziehung, Schulen und Universitäten, der Medien und sozialen Bewegungen umzusetzen gilt, mit dem Ziel, eine „Strategie für die Utopie“ zu fördern: Schulen sind ein Bereich, in dem es sehr wichtig ist, sich zu engagieren, um das Heranwachsen von neuen Bürgern zu ermöglichen, Bürger die selber frei entscheiden können, zu welcher Art Mensch sie werden wollen.
Ziel der gemeinsamen Arbeit im Rahmen dieser Workshops ist es, eine Charta des Lebens zu verfassen, ein weiterer Schritt nach der Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen (1948) und der Erd-Charta (1990).
Der Nachmittag war der Verleihung der Doktortitel Honoris Causa der Utopie 2016 gewidmet: dieses Jahr ging die Auszeichnung an New Hope, einer sozialen Kooperative italienischer Frauen und Frauen, die als Migrantinnen ehemalige Opfer von Menschenhandel waren, und die zusammen in Caserta eine ethnische Arbeitsgemeinschaft gegründet haben, „ für den Mut und die Fähigkeit, Erfahrungen aus sozialer Arbeit und Wirtschaft in ein konkretes Zeichen der Hoffnung zu wandeln“, an den deutschen Friedensaktivisten Jürgen Grässlin „für das jahrelange und mutige Engagement, den Skandal des Waffenhandels offenzulegen“, sowie an den belgischen Meisterglaser, Schriftsteller, Dichter und Regisseur Bernard Tirtiaux „für die außergewöhnliche Vielfalt seiner künstlerischen Kreativität… für die schöpferische Kraft, die seinen Werken innewohnt… und für den großen Respekt und die Liebe für das Leben.“
Die Anwesenden zollten den Ausgezeichneten leidenschaftlichen und herzlichen Applaus und das gesamte Treffen verlief in einem liebevollen, fröhlichen und offenen Klima, bei dem die positive Energie von allen geteilt wurde.
Das folgende kurze Video möchte eine Art Zusammenfassung der im Kloster verbrachten zwei Tage zur Kraft der Utopie in Bildern und Eindrücken wiedergeben. Darin kommt auch Riccardo Petrella zu Wort, Politologe, Soziologe und Menschenrechtsaktivist, Autor zahlreicher Bücher und Mitinitiator des Gipfels „Utopie neu denken“ sowie der Campagne „Banning Poverty 2018“. Sein aktuelles Buch „La forza dell’Utopia“ („Die Kraft der Utopie“) wird im italienischen Original beim Verlag Multimage, Florenz, erscheinen.
Transkript:
„Ich nehme die Idee mit nach Hause, nach Brüssel, dass die Bürger sich gegen das aktuelle System wehren müssen, nicht nur, weil es ungerecht ist, sondern auch weil es ein System der Gewalt ist, es schafft Ungleichheit, es predigt den Krieg, die Teilung, die Selektion. Aber ich nehme nicht nur Wut oder die Revolte gegen das System mit, ich nehme auch den großen Willen und die Bereitschaft mit, konstituierend zu sein, und heute haben wir festgestellt dass die „Utopisten“ tatsächlich auch „Konstituenten“ sind, weil sie dort Türen öffnen, wo das System sie verschließt, weil sie neue Horizonte eröffnen, wo das System sagt, es gäbe keine andere Alternativen. Und im Bezug auf die Revolte gegen das System nehme ich mir auch das Konzept der Utopie mit, der Humanität, der Einheit und der Gleichheit, die in Wahrheit die große Kraft der Utopie sind. Eine Welt zu wollen, die gerechter und gleicher für alle ist, also ein Richtungswechsel, eine Wende, die oft verboten wird, wir hingegen haben sie legitimiert, das Prinzip der Wende im Gegensatz zum dominierenden System. Das ist sehr interessant, denn von hier nehmen wir uns auch das Bewusstsein mit, eine andere Zukunft gestalten zu können.“
Video von Dario Lo Scalzo
Übersetzung aus dem Italienischen von Evelyn Rottengatter