Auf Deiner Webseite worldbeyondwar.org sagst Du: „Wir wollen eine Kultur des Krieges mit einer Kultur des Friedens ersetzen, in welcher gewaltlose Mittel der Konfliktlösung anstelle des Blutvergiessens eingesetzt werden.“ Welche Rolle und welchen Wert kann die Gewaltlosigkeit denn haben beim Aufbau einer solchen Kultur?
Die gewaltlose Aktion kann dabei mindestens drei Rollen einnehmen:
- Sie kann ein überlegenes Mittel sein, um sich einer Tyrannei zu widersetzen, welches weniger Leiden hervorruft, eher zum Erfolg führt und mit großer Wahrscheinlichkeit auch zu einem länger andauernden. Während die meisten Beispiele, wie Tunesien 2011, mit der Überwindung einer Tyrannei im eigenen Land zu tun haben, gibt es auch eine wachsende Liste von erfolgreichem, gewaltlosen Widerstand gegen Invasionen aus dem Ausland oder Okkupationen – und ein wachsendes Verständnis dafür, wie man die Lehren der inländischen Gewaltlosigkeit zum Widerstand gegen Angriffe von aussen anwendet.
- Sie kann Modell sein für eine Welt, die über den Krieg hinauswächst. Nationen können mit gutem Beispiel voran gehen, indem sie internationalen Organismen und Abkommen beitreten, den Regeln des Gesetzes treu bleiben und es anwenden. Der internationale Strafgerichtshof könnte nicht-Afrikaner anklagen. Die USA haben aufgehört, Streubomben zu bauen, jetzt könnten sie mitmachen beim Verbot derselben. Wahrheits- und Versöhnungskommissionen könnten ausgeweitet werden. Abrüstungsverhandlungen, humanitäre Hilfe in neuem Maßstab und das Schliessen ausländischer Stützpunkte könnte der Wandel sein, den wir erreichen wollen.
- Werkzeuge des gewaltlosen Protestes und Widerstandes können von Aktivist_innen angewendet werden, um gegen Stützpunkte, Waffenproduktion, militärische Rekrutierung und neue Kriege zu kämpfen. Wir konnten Dal Molin in Vicenza [US-Stützpunkt in Italien] nicht verhindern, aber wir müssen es nicht akzeptieren. Das US Militär sollte nicht die Erlaubnis bekommen, die Einrichtungen auf Sizilien dazu zu benutzen, mit Drohnen in Asien und Afrika zu morden. Ein Jahr Wehrdienst sollte nicht dazu verpflichten, dem Militär zu dienen. Öffentliche und private Gelder müssen von Waffenfirmen abgezogen werden. Und so weiter.
Was kann Deiner Meinung nach getan werden, um die Kultur der Gewalt und Rache zu überwinden, die so viele Opfer in den USA produziert?
Wir brauchen eine strukturelle Reform der Massenmedien, der Unterhaltungsindustrie, der Nachrichtenmacher und der Schulen. Aber wir können damit anfangen, den Menschen die Information zu geben, die sie nicht bekommen. Oft sind es die Fakten, die die Menschen brauchen, nicht die Ideologien. Als eine Miss Italien sagte, sie hätte gerne während des Zweiten Weltkrieges gelebt, haben sie alle ausgelacht, aber ich könnte Dir Millionen von Amerikanern finden, die dasselbe sagen würden. Niemand von ihnen hat nur irgendeine Idee davon, was es bedeutet, im Bombenbeschuss zu leben, sonst würden sie so etwas nicht sagen. Nur wenige wissen, wie es ist, unter den Bomben der USA und NATO in Afghanistan, Pakistan, Irak, Somalia, Syrien, Libyen oder im Jemen zu leben. Wenn ich also an Universitäten spreche (Video dieses Wochenendes: http://davidswanson.org/node/5319), versuche ich den Menschen die Fakten zu geben, die sie nicht haben. Unabhängige Medien und soziale Medien, ausländische Filme: Das können alles Werkzeuge sein. Auch Reisen. Als ich nach der High School ein Jahr in Italien als Austauschschüler verbrachte, erlaubte mir das wie nie zuvor, die US Kultur aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Und diese Gewohnheit erlaubt es mir dann natürlich auch, kulturelle Eigenarten, die die USA und Italien miteinander teilen, infrage zu stellen. Was wirklich die Dinge verändern könnte, wäre die Möglichkeit, Videos über die Opfer der westlichen Kriegsmacher zu produzieren und im großen Maßstab zu verbreiten, so wie wir momentan Videos über die Opfer der Polizeigewalt in den USA miteinander teilen.
Die USA geben etwa 1000 Milliarden Dollar jedes Jahr für Krieg und Waffen aus und die Demokraten und Republikaner, wie auch die Medien, stellen dies nicht infrage. Was denkst Du, kann getan werden, um die öffentliche Wahrnehmung dieses riesigen Militärsbudgets zu erhöhen und auch der Alternativen dazu?
Hier gibt es einen Film, der darauf abzielt, das zu tun: http://worldbeyondwar.org/moneyvideo/. Und hier ist eine Organisation. Wir laden jeden ein, sich anzuschliessen, um dies zu erreichen: http://worldbeyondwar.org/individual/
Ein anderes nützliches Werkzeug ist Michael Moore’s Film Where to invade next, wenn man ihn mit einer Einführung oder Diskussion im Anschluss ergänzt.
Viele befürchten, dass wenn Hillary Clinton gewählt wird, sie einen Krieg mit Russland wegen Syrien beginnen wird. Ist die Friedensbewegung in den USA vorbereitet, einen solchen Plan aufzuhalten? Und was könnten die Friedensbewegungen in anderen Ländern zur Hilfe beisteuern?
Wir sind entsetzlich schlecht vorbereitet. US Aktivist_innen leiden unter Partisanenschaften und protestieren traditionell gegen Republikanische Kriege sehr viel besser als gegen Demokratische. Wir leiden unter der Wahl-Obsession. Am Tag nach der Wahl werden Tausende von Menschen aus Erschöpfung und dem Glauben, dass sie nun alles getan haben, was sie tun können, zusammenbrechen. Wir leiden auch unter der Ideologie des Krieges und der Fehlkommunikation und Spaltung zum Thema Syrien, in einem Maße, das nicht vergleichbar ist mit allem, woran ich mich erinnere. Einige unterstützen den Krieg gegen ISIS, andere den Krieg in Syrien, andere beides, andere den Krieg der Syrer, andere den Krieg der Russen. Und jeder, der gegen die Kriegstreiberei der USA ist, wird beschuldigt, Syriens Kriegstreiberei zu unterstützen, und andersherum. Wir müssen uns weltweit zusammenschliessen, um uns gegen die gesamte Institution des Krieges zu stellen – egal durch wen – und wir dürfen uns nicht abbringen lassen durch alberne Beschuldigungen, dass wir die weniger schlimmen Kriegsverbrechen der einen Partei mit den massiven Kriegsverbrechen der anderen gleichsetzen. Wir müssen uns auf den Waffenhandel konzentrieren. Die Waffen kommen aus den USA und aus Europa, und desweiteren aus Russland und China. Die Nationen, die unter dem Krieg leiden, stellen keine Waffen her. Es ist an uns, die Produktion, den Verkauf und den Handel mit diesen Todeswerkzeugen aufzuhalten. Die Zahlen der Kleinwaffen und der Todesfälle durch Kleinwaffen haben sich in den letzten 15 Jahren verdreifacht. Wir müssen uns fokussieren auf die momentane humanitäre Hilfe in einem riesigen Ausmaß, von dem wir uns nie hätten träumen lassen, aber welche sehr viel weniger kosten würde als die Kriege. Und wir dürfen uns nicht vom Betrug der Alibipolitik ablenken lassen, dürfen nicht denken, dass eine weibliche Präsidentin, so wie ein Afro-Amerikanischer Präsident, auf magische Weise besser sei, als es ihre Vergangenheit verspricht. Dass sie eine stabile Friedensordnung in der Ukraine im Januar herstellt und möglicherweise in Syrien. Und bitte! Gebt Ihr NICHT den Friedensnobelpreis nächstes Jahr, trotz dessen, dass sie die Kriege eskalieren wird.
David Swanson ist Autor, Aktivist, Journalist und Radiomoderator. Er ist der Direktor von WorldBeyondWar.org und Kampagnenkoordinator für RootsAction.org. Swanson’s Bücher sind unter anderem War Is A Lie. Er bloggt auf DavidSwanson.org und WarIsACrime.org. Er moderiert auf Talk Nation Radio. Er war nominiert für den Friedensnobelpreis im Jahr 2015 und 2016.
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