Dr. Uwe Kullnick beantwortet Fragen zum Thema Literatur, soziale Aufgabe der Autoren und Förderung von Literatur als sozio-politisches Engagement. Er ist Herausgeber und Chefredakteur von Literatur Radio Bayern – Kanal FDA und Präsident des FDA Bundesverbandes. ProMosaik ist der Meinung, dass Literatur und sozio-politisches Engagement nicht voneinander zu trennen sind. Auch a-politische oder unpolitische Autoren nehmen indirekt Stellung zu politischen Themen. Biedermeierliteratur ist für auch eine politische Haltung, denn Gesellschaft und Politik sind Dimensionen, die uns einschließen und denen wir uns nicht entziehen können.
Milena Rampoldi: Wie kamen Sie in Kontakt mit der Literatur?
Uwe Kullnick: Mein Vater schenkte mir zu Weihnachten einmal 7 Bücher von Karl May. Eine bunte Mischung, denn ich vermute, er hatte sie nach Erinnerung und den Titeln gekauft. So hatte ich plötzlich 7 Schätze vor mir, die ich verschlang. Es war ein Glück, dass es zufällig ausgesuchte Bücher waren, so konnte, nein musste ich versuchen, die jeweils fehlenden Bücher einer Serie zu ergattern. Ich setzte mich schnell mit dem Verzeichnis der Karl May Bände am Ende der Bücher auseinander und so kam ich zu immer mehr Lesestoff. Vieles war mir noch unverständlich, vieles hat mir aber viel gegeben. Ich lernte also zu lesen und mich für Bücher zu interessieren. Leider war unser häusliches Angebot an Büchern gering und einem Buchclub entstammend, aber es reichte, um mir immer mehr Hunger zu machen. Bis heute hat er nicht aufgehört, und das ist gut so.
Ich danke noch heute, 40 Jahre nach seinem frühen Tod, meinem Vater für diese literarische Großtat an seinem damals siebenjährigen jüngsten Sohn.
ProMosaik sieht die Literatur als eine wichtige Komponente des sozio-politischen Engagements in einer Gesellschaft. Was denken Sie darüber?
Nun, der Weg von den Karl May Romanen, vor allem von den “Münchmeier Romanen“, hin zu Ihrer Frage scheint gigantisch. Er ist es und ist es auch wieder nicht. Jede Zeit hat ihre Bedrückungen, Wünsche, Ziele und Visionen. Zur Zeit der obengenannten Romane gärte es in der deutschen Klassengesellschaft. Karl May griff dieses Gären auf indem er Kolportageromane schrieb, in denen er die ihn bedrängenden Dinge wie Junkertum, Adel, Obrigkeit, Armut, Klassenunterschiede, Krieg, Frieden und Religionsunterschiede zum Ziel nahm, seine Helden diese überwinden und ignorieren, teilweise sogar bekämpfen zu lassen. Hier in der Kolportage, findet sicher eher ein Überwünschen der Realität statt, so wie wir uns heute in Soaps vertiefen, um unser vielleicht tristes, bedrückendes oder spannungsarmes Leben für eine Weile zu vergessen. Mehr oder weniger zeitgleich schrieb Fontane seine Romane, die von ähnlichen Gesellschaftserkrankungen handelten, nur in völlig anderer Form. Dort sind die Menschen, nicht die Abenteuer die Hauptpersonen. In meiner Kindheit und Jugend las ich May, in meiner Jugend und frühen Erwachsenenzeit las ich auch Twain, von Keyserling, Fontane. Diese Bücher öffneten meinen Sinn für die Ausdruckskraft, die Gesellschaftsumstände Schriftstellern ermöglichen. Später kamen dann Gorki, Tolstoi, Tschechow, Hamsun, Laxness, Remarque, Fallada, Böll, Grass, Lenz und, und, und … hinzu, die wieder jeder für sich ganz besondere Wege fanden „Gesellschaft“ auszudrücken. Gemeinsam ist ihnen jedoch die Romanform. Lyrik kam eher nicht hinzu. So ist es auch geblieben. Ich denke, je weniger lehrhaft Gesellschaftsschilderung und –Kritik daherkommen, desto mehr Eindruck machen sie, weil sie den Leser erreichen, berühren, anstoßen im Wortsinn, ihn also wanken lassen, um ihn vielleicht auf einen anderen (besseren, verzweifelteren, kämpferischeren oder mutigeren Standpunkt zu schubsen. Prinzipiell sehe ich, ob im Kaiserreich, unter nationalsozialistischer Herrschaft, im System des maoistischen oder heutigen China, in Diktaturen, Autokratien, Religionsherrschaften, Scheindemokratien oder Demokratien, Schriftsteller immer als Sensomotorische Einheit. Soll heißen, als rezipierenden und perzipierenden Menschen in seinem Lebens-System, dessen Schwächen, Spannungen, Gefahren oder Errungenschaften er/sie als sprechendes, also schreibendes Organ, das diese Zustände thematisiert und in Frage stellt. Nur eines scheint mir leider wirklich typisch und damit leider mehr oder weniger ubiquitär: Wirklich kritische oder gar kämpferische und demaskierende Literatur ist in satten Staaten, Gesellschaften und Regierungsformen selten. Die Schriftsteller, die, teilweise unter wirklicher Lebensgefahr oder Gefahr ihrer wirtschaftlichen Existenz, schreiben, mischen sich mit Verve ein. Sie sind zwangsweise subversiv, intelligent, mutig und immer auf der Hut beim Schreiben dessen, was sie schreiben müssen, weil die Menschen in ihrem Land auf sie bauen. Hierbei ist es heute fast egal, ob man sich im Gutenberguniversum, im Internet oder in dessen tausend Derivaten bewegt. Schriftsteller, die aus ihren bequemen Sesseln heraus schreiben, haben einerseits weniger zu gewinnen, aber sie sollten sich vielleicht stärker darum kümmern, was sie zu verlieren haben.
Mit welchen Themen befassen Sie sich vor allem?
In meinem eigenen Schreiben geht es mir darum, Situationen, Menschen und das, was Menschen ausmacht, zu beschreiben … Ich war in vielen Ländern der Welt und hatte zahlreiche Kontakte dort. Nicht, dass ich deshalb ein Globetrotter wäre, aber ich habe gelernt, dass ich nur ein winziges Ding auf dieser Welt bin. Mir fallen immer wieder Dinge ein und auf, die berichtenswert sind, und selten, ganz selten habe ich dabei eine explizite Botschaft. Selten eine Absicht, die wirklich unter die Haut der Leser gehen soll., weil das Thema mir selbst unter die Haut gegangen ist und von dem ich will, dass andere sie erfahren. Ich erzähle gern und wenn ich dabei mal politisch bin, dann ohne entsprechendes Fachvokabular. Es ist die Politik des Lebens und Sterbens, die ich erfahrbar machen will, vor allem mir, aber danach auch den Lesern.
Ich schreibe auch gegen das Vergessen der Gräueltaten des Holocaust, ebenso wie über die ganz gewöhnliche Brutalität der Menschen untereinander oder gegen sich selbst. Was mich interessiert, ist die Unschuld der sogenannten Natur. Leben ohne Einfluss des Menschen passiert ohne Absicht oder Ziel. Leben zwischen Tieren in ihrer Umgebung als wertfrei, aber wertvoll für den Betrachter wahrzunehmen und zu berichten, ist eines meiner Anliegen. Tiere sind nicht süß, edel, eklig oder böse – sie sind, was und wie sie sind. Wir sollten mit unserer Moral von diesem Schauplatz verschwinden. Das sind die Inhalte meiner Geschichten mit Tieren, ohne dabei das Lächeln zu verlieren.
Wenn ich im Leben lachen konnte, schreibe ich das in eine Geschichte hinein, in der Hoffnung, dass andere Menschen auch lachen. Beim Lachen kann man schlecht auf andere Leute schießen, man kann einfach nicht zielen.
Ein weiterer Schwerpunkt meines schriftstellerischen Tuns ist das Erspüren unserer biologischen Grundlagen, sprich unserer Entstehung aus den Vorgängern des heutigen Menschen. In Beobachtungen und anschließenden Beschreibungen möchte ich die Schleier des Vergessens von den Zeiträumen reißen, die seit den Arten, die zwar schon Homo hießen (aber vom modernen H. sapiens noch weit entfernt waren), auf unser Fühlen und vor allem unser Handeln fielen, aber dennoch in ihnen den Bedingungen, unter denen sie lebten, geschuldet sind. Fremdenhass, Aggressivität, Gewalt, Krieg, Gier, sogar Folter, aber auch Liebe, Fürsorge und Gruppengefühl und Kindchenschema haben uralte Wurzeln, und wir müssen mit ihnen leben. Wie wir mit ihnen umgehen ist allerdings Menschensache, Sache des Homo sapiens sapiens, des weisen Menschen also. Das, was den Menschen in einer Milliardengesellschaft abverlangt wird, konkurriert mit genau diesem Urvermächtnis in stärkerer Weise, als wir es uns eingestehen wollen. In verschlüsselter Weise zeigen viele meiner Erzählungen genau diese konfrontativen Situationen.
Sollte der Schriftsteller eine Aufgabe, Mission oder Botschaft haben? Vielleicht. Wenn er eine hat, sollte er mit ihr nicht hausieren gehen oder gar aufdringlich werden. Ich versuche mich beim Leser mit meinen Texten oft so einzuschleichen, dass er am Ende einer Erzählung an meiner, mir oft genug nur vage bewussten Botschaftsangel hängt, bevor er merkt, dass das Gelesene nicht nur unterhaltend oder spannend daherkommt. Ich interessiere mich für Menschen, schildere ihr Tun und Erleben, ohne sie vorzuführen oder jeden lieben zu müssen. Sie erleben die Welt, und der Leser hat Raum und Muße, das mitzumachen. Seltsamerweise treibe ich unbewußt die Andockstelle für den Leser so offen, dass sich in vielen meiner Texte weder Namen für die protagonisten, noch Beschreibungen ihrer körperlichen Eigenschaften finden. Ich lasse Sie so handeln, dass der Leser mehr als nur die Chance hat in ihre Rolle zu schlüpfen.
Welche sind die Hauptziele des FDA?
Der FDA ist eine Berufsorganisation für deutschsprachige Autoren (Schriftsteller, Texter, Kritiker, Blogger, Drehbuchschreiber und sonstige publizierende Kulturschaffende) gleich welcher Staatsangehörigkeit. Wir sind nicht an Weltanschauungen, Wirtschafts-, Gewerkschafts- und Finanzgruppen, Parteien oder Regierungen gebunden.
Der FDA verleiht einen Literaturpreis für Toleranz, Respekt und Humanität, das sagt sicher viel über unsere Ziele und Inhalte aus. Ein weizteres Ziel ist es, Autoren zu sich selbst finden zu lassen. Unsere Maxime dazu: Autoren für Autoren.
Als „Schutzverband Deutscher Schriftsteller“ setzt der Freie Deutsche Autorenverband (FDA) mit seiner Selbstverpflichtung auf die Freiheit des Wortes und die Interessenvertretung aller Schreibenden das Wirken des 1909 gegründeten gleichnamigen Verbandes fort.
Konkreter: Gegen Intoleranz zu schreiben und zu publizieren und überparteilich im Geiste der Vielfalt Europas zu arbeiten und zu publizieren. Wir wenden uns gegen jede Art des Extremismus von rechts oder links sowie gegen Intoleranz gegenüber Religion, Rasse, Herkunft oder Geschlecht.
Der FDA setzt seine Ziele und Aufgaben mit und für seine Mitglieder aktiv in Bundeskongressen, Tagungen und anderen Veranstaltungen um. Europaweit pflegen wir den Austausch mit anderen Verbänden und Organisationen. So wurden u.a. gemeinsame Projekte mit Ungarn, Rumänien, Kroatien, Polen, Ukraine, Italien und China durchgeführt. Er stellt sich in seinem Wirken für die Belange seiner Mitglieder kritisch und politisch unabhängig den gesellschaftlichen Strömungen unserer Zeit. Er wirft Fragen auf und sucht Klarheit auf der Grundlage seiner Präambel, in der die Freiheit des Wortes, Toleranz und Respekt im Miteinander und insbesondere den Minderheiten entgegengebracht, gleichzeitig aber auch eingefordert wird. Hierfür haben wir den mit 5000 Euro dotierten FDA Literaturpreis für Toleranz, Humanität und Respekt eingerichtet. Er zeigt eindrucksvoll, was wir im literarischen Feld für auszeichnungswert halten.
Die Freiheit des Wortes bedingt im Selbstverständnis des FDA einen offenen und kritischen Dialog, der die Verantwortung des Einzelnen erfordert, eingeschlossen die Verantwortung, die gegebene Freiheit nicht zu missbrauchen. Freiheit und die Freiheit des Wortes braucht kritische Verantwortung. In diesem Sinne folgt der FDA den großen Geistesströmungen der europäischen Moderne im Verständnis von Immanuel Kants „Was ist Aufklärung?“: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ („Sapere aude“). Der FDA fördert deshalb den kritischen und offenen Dialog mit allen gesellschaftlichen Schichten innerhalb und außerhalb.
Dies schließt den kritischen Umgang einer sich selbst rechtfertigenden Literatur-Kommerzialisierung ein, in der Inhalte, Qualität, Vielfalt und Werte der Gesellschaft außer Kraft gesetzt werden. Ebenso schließt dies das Engagement für wirtschaftliche Unabhängigkeit möglichst vieler Autoren ein. Wir arbeiten dafür, dass Autoren von ihren Schriften leben können.
Der Einsatz für kulturelle Vielfalt bedingt auch die Unterstützung eines breiten Literaturspektrums, das der FDA für eine offene und kritische Auseinandersetzung mit den Strömungen unserer Zeit als unerlässlich betrachtet. Der FDA setzt sich unter anderem bei Medien, Verlagen und den Vertretern der Wirtschaft für die Erhaltung einer breiten, unprätentiösen oder dünkelhaften Literaturszene ein, die neben der Massen- und der Erfolgsliteratur das Fundament der kulturellen Identität eines jeden Landes ist und darum von uns als förderwürdig angesehen wird.
Seine Aufgaben setzt der FDA auf Ebene der Landesverbände (Betreuung der Autorinnen und Autoren, Veranstaltung von Lesungen), auf Ebene des Bundesverbands (Bundeskongresse, nationale Geistes-, Kultur-, Zeitströmungen und FDA-Literaturpreis) und auf Ebene der Europatage (gemeinsame Veranstaltungen mit Schriftstellerverbänden Europas mit der Thematik europäischer Geistes-, Kultur-, und Zeitströmungen) um.
Wir geben unseren Mitgliedern steuerliche, rechtliche Orientierungen, Vorteile beim Erwerb von Vorsorgeleistungen, Hinweise und Tipps im Umgang mit dem Literaturmarkt, ebenso wie Hilfen bei der Publikation, natürlich auch im Selfpublisher-Bereich.
Erzählen Sie uns von Ihrem Radio und dem Literaturprogramm?
Das Literatur Radio Bayern – Kanal FDA ist eine ganz besondere Erfolgs-Geschichte. Gegründet Anfang 2015 startete das Podcast Radio bei null. Aus irgendeinem Grunde hatten wir, das sind Susanna Bummel-Vohland und ich, von Anfang an ein gutes Händchen für das, was die Menschen interessiert. Es war schön, die Technik des Aufnehmens zu erlernen, Interviews zu machen, Lesungen aufzunehmen und einfach anzufangen. Wir sahen, dass eine Menge Menschen sich dafür interessierten, und so suchten wir 3 Blogger, die Buchrezensionen machten, nahmen die Beiträge unserer Mitglieder regelmäßig auf und etablierten die Lyrikserie. Sie wird jeden Sonntag unter der Regie von Susanna Bummel-Vohland gesendet und hat eine riesige Fangemeinde. Die Hörer-Gemeinde ist sehr wichtig für unser Radio, ist sie doch auch durch die zahlreichen Verlinkungen der aktiven Teilnehmer an der Lyrikserie, den Reportagen und Interviews immer größer geworden und wächst von Woche zu Woche an.
Neben den von Anfang an dazugehörenden Beiträgen der FDA-Bayern Mitglieder, unseren ständigen Rezensenten Gerd Luhofer und Arndt Stroscher, sind wöchentliche Sendungen der renommierten Zeitschrift „literaturkritik.de“ (universität Marburg), der „Mörderischen Schwestern“, des „Schreibhain“, seit neuestem auch Sendungen des „Lyrik Kabinetts“ (Europas führende Lyrik-Bibliothek) und natürlich aktuelle Ereignisse wie Lesungen, Preisverleihungen, Reportagen sind vor allem auch Interviews aus dem Bereich Literatur feste Bestandteile des Kanals FDA. Wir senden jede Woche bis zu 5 Stunden Literatur und nähern uns derzeit der Hörerzahl von 80.000. Sowohl die Hörer als auch die Aktiven unserer Sendungen kommen aus allen Teilen Deutschlands, ja sogar aus dem Ausland. So haben wir eine (noch) kleine Abteilung Europa eröffnet, in der von Zeit zu Zeit auch zweisprachige Sendungen zu hören sind. Nie hätten wir gedacht, einen solchen Erfolg zu erzielen, sind aber glücklich, mit dem Radio ein interessantes Tool geschaffen zu haben, das dem FDA, aber natürlich auch zahlreichen – neben, aber auch im Mainstream der Literatur – aktiven Literaten ein Forum bietet.
Auf der Buchmesse Leipzig 2016 haben wir einen Teilstand des FDA gehalten und auch dort waren wir, sowohl was Publikum als auch was Teilnehmer, Autoren, Verlage usw. angeht, äußerst beliebt. Wir hoffen, dass wir diese Erfolgsgeschichte im Jahr 2017 fortsetzen können.
Das Literatur Radio Bayern hat auch noch einige andere Kanäle, die unter unserer Gründung entstanden sind. Diese sind:
- Verband Deutscher Schriftsteller und Schriftstellerinnen (Mitgründer)
- Katholische Akademie Bayern
- Literaturportal Bayern
- Freies Literatur Projekt
- Die Taschenbuchschürfer
Auch hier sind Sendungen zu hören, die zum Gesamteindruck des Radios beitragen.
Wir haben, basierend auf der Radioseite „www.machdeinradio.de“ eine eigene Seite gemacht. Hier versuchen wir, all das Genannte internetwirksam für das Selfmarketing der Autoren und FDA Mitglieder zu verwerten, was die zuerst genannte Seite nicht leisten kann. Die Adresse ist: www.literatur-radio-bayern.de
Wie wichtig sind Literaturvereine zwecks Vernetzung von Gleichgesinnten und zwecks Ausbaus eines Dialogs in der Gesellschaft?
Autoren sind offenbar eher Einzelgänger und daher sind die Vereinigungen, die sie vertreten sollten gemessen an der Anzahl existierender Autoren, viel zu schwach. Sie geben sich oft in fast selbstentmündigender Weise in die Hände von Verlage. Sie haben keine wirksame Berufs-Lobby, weil sie sich in ihrer Gutgläubigkeit den falschen Partnern anvertrauen. Niemand käme auf die Idee, ausgerechnet diejenigen zu seiner Lobby zu machen, die Verträge vorgeben, die ihre Einkünfte bestimmen oder die darüber bestimmen, ob sie überhaupt als verlegte Autoren existieren können. Verlage und Autoren sind in Hinsicht ihrer geschäftlichen Betrachtung naturgemäß auf unterschiedlichen Seiten, auch wenn sie beide das Produkt Buch so gut wie möglich machen möchten. Doch was ist gut? Was ist der Maßstab? Umsätze, Preise, Ranglisten, Wortschatz oder Sprachlevel? Verlage sagen derzeit, was verlegenswerte Kultur ist und wie die dazugehörigen Konditionen aussehen. In einer sich literatur-liberalisierenden Zeit ein fataler Zustand Der FDA bemüht sich eine unabhängige Position zu vertreten, die aber eines zum zentralen Inhalt hat – nämlich die Rechte und Interessen von Autoren, auch gegen etablierte Oligopolisten und verborgene Netzwerke des Literaturgeschäftes. Lobby dort zu sein, wo mächtige Interessen unsere Mitglieder nicht ernst genug nehmen, sie unter dem Mantel des „Kulturanspruches“ in immer stärkere Abhängig- und Unselbständigkeiten bringen. Wir bauen unsere Stimme und damit die Stimme der Autoren immer mehr auf, bis wir nachhaltig gehört werden.
Für mich persönlich ist der Autor / die Autorin Teil, Spiegel und gleichzeitig auch Spiegelvorhalter einer Gesellschaft. Wie sehen Sie das?
Manches, was ich hier sagen würde, habe ich schon mit der Frage 2 beantwortet. Darüber hinaus könnte ich anmerken:
Schöne Idee, das Schreiben liegt sicher in den Händen der Autoren. Die Wahrnehmbarkeit des Geschriebenen liegt allerdings sondern überwiegend in den Händen des Marktes und damit der Verlagsindustrie, den Kritikern und Bestenlisten. Dabei liegt sie eigentlich in den Händen der Leser – und das war schon immer so. Seit einigen Jahren wird diese Einschränkung durch das sogenannte Selfpublishing aufgebrochen. Sicher hat es nach (in Deutschland) gerade mal 5 Jahren weder quantitativ noch qualitativ das Niveau erreicht, das es erreichen kann und wird, aber diese Möglichkeit des unabhängigen Publizierens ist neben dem Verlagspublizieren ein wichtiger und wachsender Teil der Gesellschaft.
Viele Schriftsteller sind sicher der Auffassung, was nutzt ein großer, sauberer und mit Arbeit und Liebe gemachter Spiegel, wenn niemand hineinschaut. Saturierte Gesellschaften haben viele saturierte Schriftsteller – Nabelschau und reine Unterhalten ist vielfach die Folge. Bedrängnisse verursachen mindestens zweierlei: Schöne Bücher zum Ausstieg aus der Wirklichkeit und wichtige Bücher, die gelesen werden sollten, um sich zu informieren und vielleicht sogar zum Handeln zu bewegen. Stattdessen finden wir Entrüstungsbücher, die unsere Vermutungen bestätigen oder gar übertreffen, aber dennoch zünden sie nicht wirklich. Liegt es am feuchten Holz, an fehlendem Mut oder einfach daran, dass das Bett zu weich und das Bier/der Wein gerade die richtige Temperatur haben. Die ewige Meisterschaft von Bayern München ist mehr Grund sich aufzuregen, als die klaffende Schere in unserer Gesellschaft, Altersarmut oder die mangelnde Achtung Fremder in unserem Land.
Ja, wir Schriftsteller sollten die Gesellschaft spiegeln, es gäbe Brechungen genug, aber wir hauchen wohl nur zu gern auf das gesellschaftliche Brennglas und zeichnen alle Probleme weich, es könnte ja schwierig und unbequem werden. Vielleicht wachsen die kritischen Bücher mit der Unsicherheit dessen, was wir erreicht zu haben meinen.