Über 58.000 gültige Unterschriften: die Initiative »Volksentscheid Retten« hat die Zulassung für den ersten verfassungsändernden Volksentscheid zur Stärkung der direkten Demokratie in Berlin erfolgreich bestanden. Die Senatsverwaltung für Inneres gab nach Auszählung und Prüfung bekannt, dass von 72 230 abgegebenen Stimmen 58 320 gültig seien. Als nächstes wird der Senat den Gesetzesentwurf der Initiative dem Abgeordnetenhaus übergeben und dazu Stellung nehmen.
Die Initiatoren und ihre Bündnispartner legen nun einen Zeitplan vor, nach dem ab Februar 2017 innerhalb von vier Monaten die nötigen 500 000 Untrerschriften gesammelt werden sollen, damit der Volksentscheid parallel zur Bundestagswahl im September 2017 stattfinden kann. Die Unterschriftenhürde ist deshalb so hoch, weil erstmalig ein verfassungsändernder Volksentscheid in Berlin herbeigeführt werden soll.
Volksentscheide stärker schützen
Im Februar 2016 hatte das Berliner Abgeordnetenhaus das im Jahr 2014 per Volksentscheid eingesetzte Gesetz gegen die Bebauung des Tempelhofer Feldes geändert. Die BerlinerInnen hatten keine Möglichkeit, erneut darüber abzustimmen. Eine vom Berliner Abgeordnetenhaus am 3. März beschlossene Änderung des Abstimmungsgesetzes schreibt außerdem strengere Regeln für Unterschriften bei Volksbegehren vor. Die Berliner Landesregierung darf darüber hinaus nun vor Volksbegehren und Volksentscheiden Steuergelder zur Werbung für die eigene Position und die Position des Abgeordnetenhauses einsetzen, obwohl sie ohnehin über einen Verwaltungsapparat und über Pressestellen verfügt, während Initiativen ihre Öffentlichkeitsarbeit ausschliesslich aus eigener Kraft finanzieren müssen. Der Einsatz der Senatsmittel ist dabei in keiner Weise begrenzt, es bleibt im Dunkeln, was unter dem ‚Gebot der Verhältnismäßigkeit‘ zu verstehen ist. Volksentscheide und direktdemokratische Beteiligung sind damit deutlich erschwert worden.
Das Demokratie-Bündnis, das sich angesichts der geplanten Gesetzesänderung gegründet hatte, umfasst inzwischen über 100 Tische und Initiativen.
Pressesprecherin Ulrike von Wiesenau kommentiert: „Der Umgang der Politik mit Volksentscheiden und direktdemokratisch angenommenen Gesetzen muss künftig verbindlichen demokratisch legitimierten Regeln und Verfahren folgen. In Zukunft soll das Abgeordnetenhaus eine Änderung oder Aufhebung nur mit einer viermonatigen Wartefrist, innerhalb derer die Bürger diese per „Einspruchsreferendum“ stoppen können, beschliessen dürfen. Weiterhin sieht der Gesetzentwurf vor, dass Wahlen und Abstimmungen zusammengelegt werden müssen und das Zustimmungsquorum von 25 Prozent der Wahlberechtigten auf 20 Prozent bei einfachen Gesetzen und von 50 Prozent auf 35 Prozent bei verfassungsändernden Gesetzen gesenkt wird.“
„Mit direktdemokratisch abgestimmten Gesetzen, konstruktiven Eingaben und neuen Konzepten haben stadtpolitischen Initiativen in den letzten Jahren brennende Fragestellungen einer politischen Lösung zugeführt.
Doch der Senat hat unliebsame Volksentscheide behindert oder ausgehebelt, obwohl die Berliner Verfassung eine Gleichrangigkeit von Volksgesetzgebung und parlamentarischer Gesetzgebung vorsieht. Der Demokratie-Volksentscheid möchte dieses eklatante Ungleichgewicht beheben.“