Wie auch bei der Massentierhaltung von Landtieren wird in der Aquakultur auf die Leidensfähigkeit von Fischen keine Rücksicht genommen. Die Tiere können ihre natürlichen Bedürfnisse nicht ausleben, werden unter artfremden Bedingungen gehalten und leiden bei Transport und Schlachtung, für die es besonders im Ausland kaum tiergerechte Vorgaben gibt.

Bei Tieren aus ökologischer Aquakultur sind die Probleme weniger stark ausgeprägt. Auch mit der Beschränkung auf den Verzehr von pflanzenfressenden Fischen kann man den Schaden vermindern. An umweltschonenden Aquakultursystemen wird derzeit geforscht. Solange jedoch der Preis bei vielen Kunden einziges Kaufargument bleibt, wird sich an der gängigen Praxis wenig ändern. Aus Gründen der Tier- und Menschenethik sowie des Schutzes von Ökosystemen weltweit sollte auf den Konsum von Fisch und Meeresfrüchten grundsätzlich verzichtet werden.

Tierhaltung in Aquakultur – was ist das?

Fischzucht zur Erweiterung und Sicherstellung menschlicher Ernährung an Flüssen und künstlich angelegten Gewässern gibt es schon seit Jahrhunderten. Neu in einer Vielzahl von Ländern sind Art, Umfang und industrielle Erzeugung und Vermarktung der Fischproduktion seit den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts: In Zuchttanks an Land oder in Netzgehegen küstennah oder vereinzelt auch in sogenannten offshore-Anlagen (im offenen Meer) gehalten, werden eine Vielzahl von Fischarten, Garnelen, Muscheln und andere „Meeresfrüchte“ im industriellen Großmaßstab gezüchtet und für den Weltmarkt produziert.

Fast jeder zweite Fisch gezüchtet

Ob Pangasius, Atlantischer Lachs, Regenbogenforelle, Goldbrasse, Seebarsch, Karpfen oder Europäischer Aal, es gibt kaum eine Fischart, die – im Supermarkt angeboten – nicht (auch) in Aquakultur gezüchtet wurde. Laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) stammt bereits heute fast jeder zweite Fisch, der weltweit konsumiert wird, aus Aquakultur.

Die weltweit größten Zuchtfarmen befinden sich in Asien und Südamerika. Berücksichtigt man die Fischzucht an Land wie im Meer, kommen fast zwei Drittel der weltweiten Produktion aus China. Ganz Asien bringt es auf 89 Prozent der Weltproduktion. In Europa werden vor allem Lachse, Karpfen, Regenbogenforellen und Aale gezüchtet. Mit circa 1 Million Tonnen ist Norwegen Europas größter Zuchtfischproduzent (vorwiegend Lachs).
Keine andere Lebensmittelbranche konnte in den vergangenen Jahrzehnten höhere Zuwachsraten verzeichnen als die Aquakultur. Zwischen 1970 und 2008 hat die Produktion weltweit jedes Jahr um durchschnittlich 8,4 Prozent zugenommen, Tendenz steigend.

Ökonomie auf Kosten der Tiere

Um den Gewinn zu maximieren, werden Meerestiere in viel zu hoher Besatzdichte gemästet. Rund 90 Prozent der in Deutschland verzehrten Fische und „Meeresfrüchte“ werden aus dem Ausland importiert. Außerhalb der EU gibt es kaum Regelungen für die Produktion in Aquakultur. So sind in Vietnam, dem Hauptproduzenten von Pangasius, 60-80 Fische pro Kubikmeter die Regel. Ähnlich wird mit dem Lachs in Chile verfahren. Die Gehege sind unstrukturiert, bieten keine Versteckmöglichkeiten und die Bewegungen der Tiere sind stark eingeschränkt. Verletzungen an den Flossen, Verhaltensstörungen, Missbildungen und Dauerstress sind die Folgen. Die Fische leiden oft an Infektionskrankheiten, ausgelöst durch Bakterien, Viren, Pilze oder Parasiten. Um die Tiere bis zur Schlachtreife am Leben zu erhalten, erfolgt ein massiver Einsatz von Antibiotika und Pestiziden (gegen Parasiten und Algen). Durch den Dauereinsatz verlieren die Medikamente jedoch zunehmend an Wirkung und es entstehen gefährliche Resistenzen. In Chile wurden aufgrund eines Lachslausausbruchs große Teile der Aquakulturwirtschaft zerstört. In Norwegen droht der Lachszucht ein ähnliches Szenario.

Für das Wohlbefinden und die Gesundheit von Fischen spielt die Wasserqualität eine entscheidende Rolle. Besonders beim Transport der Tiere kann diese selten gewährleistet werden. Die Tiere werden der Luft ausgesetzt, das Wasser hat nicht genügend Sauerstoff und die Transportbehälter sind gerade in den Entwicklungsländern meist extrem überfüllt. Viele Tiere überleben den Transport zum Schlachthaus nicht. Die übrigen werden meist ohne oder mit unzureichender Betäubung geschlachtet.

Gravierende Folgen für die Umwelt

Bei der Erschließung neuer Flächen für die Fischzucht nimmt die Industrie keine Rücksicht auf vorhandene Ökosysteme. In einer weltweiten Studie der UN zeigte sich, dass die Aquakultur zu 52 Prozent für den Verlust der Mangrovenwälder verantwortlich ist (Ecosystems and Human Well-Being, Millennium Ecosystem Assessment, 2005, Island Press). Oft werden Abwässer ungefiltert in die Flüsse geleitet. Das Ökosystem des Mekong-Delta ist hierdurch bereits stark geschädigt worden.

In der intensiven Aquakultur entsteht ein Nährstoffüberschuss (durch Futterreste, Ausscheidungen und tote Fische), der die umliegenden Biotope stark beeinträchtigt oder zerstört. Durch diese Überdüngung mit Stickstoff (zusätzlich zu den Einträgen aus Landwirtschaft und Atmosphäre) sinkt die Wasserqualität und der Sauerstoffgehalt geht zurück. Als Folge nimmt die Biodiversität ab und die explosionsartige Vermehrung von zum Teil toxischen Algen wird begünstigt. In weiten Gebieten um die küstennahen Meereskäfige lagert sich Faulschlamm ab, der die Küstenhabitate für einheimische Pflanzen und Tiere unbewohnbar macht. Aber auch die Zuchtfische ersticken in Massen aufgrund des niedrigen Sauerstoffgehaltes.

Gefahr durch invasive Arten

Weltweit entkommen Millionen Fische aus den Zuchtanlagen. Oft handelt es sich um exotische Arten, die nicht in der natürlichen Umgebung vorkommen (wie beispielsweise der Lachs in Chile). Sie konkurrieren mit einheimischen Arten um Nahrung und Lebensraum. Wenn es sich bei den entkommenen Arten um Raubfische handelt, sind besonders die Jungtiere der heimischen Tiere bedroht. Durch die Fluchttiere kommt es zur Kreuzung mit Wildfischen, was diese an den Rand des Aussterbens bringen kann. Zuchtfische verfügen nicht mehr über die erforderlichen Anpassungen an die Umwelt wie die Wildform. Eine Übertragung von Krankheiten, Parasiten und resistenten Erregern stellt eine zusätzliche Gefahr für die heimischen Arten da.

Die natürlichen Fressfeinde der Zuchtfische (z.B. Seelöwen, Haie und Vögel) verfangen sich regelmäßig in den Netzen oder werden gejagt und getötet. Auch geschützte Arten bilden hier keine Ausnahme. Derzeit wird bereits mit verschiedenen gentechnisch veränderten Fischarten zum Zwecke der Aquakultur experimentiert. In Zukunft wird der Anteil an genmanipulierten Tieren weiter steigen, mit unkalkulierbaren Auswirkungen auf die Umwelt.

Aquakultur verschärft das Problem der Überfischung

Von der weltweiten Gesamtfangmenge an Fischen wird rund ein Drittel zu Fischmehl bzw. Fischöl verarbeitet. Kleine Fische und Jungtiere werden bevorzugt weggefangen, da sie nicht markttauglich sind. Das Fischmehl bzw. Fischöl wird zum Großteil in der Aquakultur verfüttert. Dadurch nimmt der Druck auf überfischte Bestände weiter zu.

Karnivore Fischarten wie z.B. der Atlantische Lachs sind in der Haltung besonders problematisch. Für das Schlachtgewicht eines Raubfisches wird ein Vielfaches an wildlebendem Fisch aus den Meeren in Form von Fischmehl oder -ölen verfüttert (beispielsweise 2,5-5 Kilogramm wild lebender Fisch für 1 Kilogramm Lachs). Die Nachfrage nach Fischmehlprodukten steigt weiter an.

Das fetthaltige Futter der in Zuchtfarmen gehaltenen Lachse wird mit einer Chemikalie haltbar gemacht, die als Pflanzenschutzmittel in der EU bereits seit 2011 nicht mehr zugelassen ist. Der Stoff (Ethoxyquin), der gesundheitliche Risiken für den Menschen birgt, reichert sich im Fischgewebe an und ist in allen konventionellen Zuchtfischen nachweisbar. Einen Grenzwert für diesen Stoff ist für Fisch nicht definiert. Da bei vielen in Aquakultur gehaltenen Arten die Nachzucht nicht gelingt, werden Jungfische aus den Wildpopulationen gefangen und in den Anlagen gemästet.

Menschenrechtsverletzungen

In einigen Ländern kommt es im Zuge der Aquakultur-Produktion immer wieder zu Verstößen gegen die Menschenrechte. Menschen werden von ihrem Land vertrieben und leiden unter den eingesetzten Antibiotika und Pestiziden. Auch kommen bei Tauchgängen an den Lachsfarmen jedes Jahr Menschen ums Leben, weil die Firmen an den Sicherheitsvorkehrungen sparen. Durch das Sterben der einheimischen Meerestiere wird der Bevölkerung vor Ort zudem die Lebensgrundlage entzogen.

Von Alexandra Weyrather für Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.

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