Weltweit würden die meisten Menschen (80%) Flüchtlinge mit offenen Armen empfangen. Viele wären sogar bereit, Flüchtlinge in der eigenen Wohnung unterzubringen. Das geht aus einer von Amnesty International in Auftrag gegebenen globalen Umfrage hervor.
Der neue „Refugees Welcome Index“ (Willkommens-Index für Flüchtlinge) basiert auf einer weltweiten Umfrage der international renommierten Strategieberatungsfirma GlobScan. In 27 ausgewählten Ländern auf allen Kontinenten wurden insgesamt 27.000 Menschen zu ihrer Bereitschaft, Flüchtlinge aufzunehmen, befragt – in ihrem Land, ihrer Nachbarschaft oder bei sich zuhause.
Die Umfrage zeigt, dass die Mehrheit der Menschen weltweit eine deutlich größere Bereitschaft zeigt, Flüchtlinge aufzunehmen, als bisher angenommen. Die Ergebnisse legen auch nahe, dass die politische Rhetorik gegen Flüchtlinge an der öffentlichen Meinung vorbei geht.
„Diese weltweit signifikante Umfrage zeigt einmal mehr, dass die meisten Regierungen die Haltung ihrer Bevölkerungen völlig falsch einschätzen und in vorauseilender Angst vor relativ kleinen Gruppen, die am lautesten schreien, ihre menschenrechtsverletzenden politischen Strategien entwickeln. Gute, menschenrechtskonforme Politik lässt sich von Grundsätzen und Haltung, nicht von Angst und falschen Vermutungen leiten.“
Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International Österreich
Flüchtlinge in China, Deutschland und Großbritannien sehr willkommen
China führt die Liste der untersuchten Länder im „Refugees Welcome Index“ an, gefolgt von Deutschland und Großbritannien. Schlusslicht ist Russland, nach Indonesien und Thailand. Knapp die Hälfte der befragten Chinesinnen und Chinesen (46%) würden Flüchtlinge in ihrer Wohnung aufnehmen. Mehr als die Hälfte der befragten Deutschen (56%) würden Flüchtlinge in ihrer Nachbarschaft begrüßen, fast alle Deutschen (96%) sind für die Aufnahme von Flüchtlingen im eigenen Land. Auch Jordanien und Griechenland, beides Länder, die bereits sehr viele Flüchtlinge aufgenommen haben, befinden sich unter den Top 10.
„Willkommens-Index“ misst erstmals Akzeptanz von Flüchtlingen
Erstmals wurden 27.000 Menschen weltweit in 27 Ländern gefragt, wie nah sie Flüchtlinge auf einer mehrstufigen Skala an sich heran lassen würden: in der eigenen Wohnung, in der Nachbarschaft, ihrer Stadt oder in ihrem Dorf, in ihrem Land, oder ob sie Flüchtlinge an der Grenze abweisen würden.
Dabei stellte sich heraus, dass die meisten Menschen sehr weit gehen würden, um Flüchtlingen zu helfen:
- Jeder zehnte weltweit würde Flüchtlinge bei sich zuhause aufnehmen. In China sind es sogar 46% der Befragten, in Großbritannien 29% und in Griechenland 20%. In Russland und Indonesien hingegen sinkt die Bereitschaft auf 1% der Befragten.
- Weltweit gesehen würden 32% der befragten Menschen Flüchtlinge in ihrer Nachbarschaft willkommen heißen, 47% in der eigenen Stadt oder im Dorf und 80% im Land.
- Die Menschen in 20 von 27 untersuchten Ländern (75% der Befragten), sagen dass sie Flüchtlinge im eigenen Land willkommen heißen würden.
- Nur 17% der Befragten weltweit wollen keine Flüchtlinge im eigenen Land. Nur in Russland sagte mehr als ein Drittel der Befragten, dass sie keine Flüchtlinge im Land wollen.
Die Mehrheit der Menschen befürwortet das Recht auf Asyl
Die weltweite Umfrage enthielt auch zwei Fragen zur aktuellen Flüchtlings- und Asylpolitik. Jeder Mensch hat ein Recht auf Asyl:
- 73% der Befragten sind der Überzeugung, dass Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, in ihrem Land Schutz erhalten sollten.
- Das Recht auf Asyl wird besonders in Spanien sehr hoch bewertet (78% sagen „stimme uneingeschränkt zu“). In Deutschland sagten 69% „stimme zu“, in Griechenland 64% „stimme uneingeschränkt zu“.
Die Regierungen sollten mehr tun, um Flüchtlingen zu helfen:
- 66% der Befragten stimmen weltweit dieser Aussage zu.
- In zahlreichen Ländern, die direkt von der aktuellen Flüchtlingskrise betroffen sind, fordern Dreiviertel der Befragten, dass ihre Regierung noch mehr unternimmt, um Flüchtlingen zu helfen (Deutschland 76%, Griechenland 74%, Jordanien 84%).
- In Russland (26%), Thailand (29%) und Indien (41%) wollen die befragten Menschen nicht, dass ihre Regierungen mehr unternimmt, um Flüchtlingen zu helfen.
Wir haben im Vorfeld der Befragung nicht erwartet, dass die Solidarität mit Flüchtlingen so groß ist. Aber die Ergebnisse der Umfrage zeigen, wie groß das Mitgefühl der Menschen weltweit mit jenen ist, die vor Krieg und Verfolgung fliehen müssen. Sie wollen so viel wie möglich dazu beitragen, um Flüchtlingen zu helfen.
Salil Shetty, Generalsekretär von Amnesty International
World Humanitarian Summit: Verantwortung für Flüchtlinge teilen
Amnesty International ruft die Regierungen dazu auf, bis Ende 2017 1,2 Millionen Flüchtlinge neu anzusiedeln (Resettlement). Das ist deutlich mehr als die rund 100.000 Menschen pro Jahr, die einige Länder im Moment aufnehmen, stellt aber nicht einmal ein Zehntel der weltweit 19,5 Millionen Flüchtlinge.
Amnesty International fordert jene Regierungen, welche sich am 23. und 24. Mai 2016 in Istanbul zum World Humanitarian Summit treffen, dazu auf, endlich ein neues, dauerhaftes Verfahren zu implementieren, wonach die Aufnahme von Flüchtlingen gerecht aufgeteilt wird. Dieser „Global Compact on responsibility sharing“ könnte dann bei einem UN-Gipfeltreffen der Regierungschefs am 19.September diesen Jahres verabschiedet werden. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon wird an beiden Treffen teilnehmen und die größten Flüchtlingskrise seit 70 thematisieren.