„Diese Bewegung wurde nicht in Paris geboren und wird hier auch nicht sterben…sie hat kein Ende, keine Begrenzung und sie gehört allen, die Teil davon sein wollen.“
von Lauren McCauley, Redakteur von Common Dreams
Ein Polizeieinsatz wird Frankreichs aufkeimende Nuit Debout (oder “Die Nacht, in der wir aufstehen“) Bewegung nicht verhindern, die in den letzten Wochen das Land überschwemmt hat, so wie der vereinte Ruf nach Veränderung die Proteste in über 50 Städten dieses Wochenende anfachte.
Einsatzkräfte der Polizei räumten früh am Montag das Camp auf dem Platz der Republik in Paris nach 11 Nächten des Protestes, aber die Demonstranten schworen, ihre nächtliche Mahnwache beizubehalten.
Letztes Wochenende wurden in 60 Städten und Kleinstädten überall in Frankreich Demonstrationen abgehalten, auch in Belgien, Deutschland und Spanien. Nach Berichten protestierten ungefähr 120 000 Menschen gegen Sparpolitik, Globalisierung, wachsende Ungleichheit, Privatisierungen und die harte anti-Migrationspolitik des Kontinents.
Was als Kritik an der anti-Arbeitnehmerpolitik des Staates begann, ist zu einer landesweiten pro-Demokratie Bewegung angewachsen, welche mit den Indignados in Spanien oder der Occupy Bewegung in den USA vergleichbar ist.
Über die Anfänge dieser Bewegung schreibt Angelique Chrisafis vom Guardian aus Paris:
„Es begann am 31. März mit einem nächtlichen Sit-In in Paris, der auf die Demonstrationen von Studenten und Gewerkschaften folgte, die Präsident François Holland’s vorgeschlagene Veränderungen der Arbeitsgesetze kritisierten. Aber die Bewegung und ihre radikale nächtliche Aktion waren bereits seit Monaten erträumt worden bei einem Treffen von linken Aktivist_innen.“
„Es waren ungefähr 300 oder 400 Leute bei einem öffentlichen Treffen im Februar und wir fragten uns, wie können wir der Regierung wirklich Angst machen? Wir hatten eine Idee: beim nächsten großen Straßenprotest würden wir einfach nicht nach Hause gehen,“ erzählt Michel, 60 Jahre alt und ein ehemaliger Lieferfahrer. „Die Protestler debattieren über Themen wie die nationale Sicherheit, Wohnungssituation und die vorgeschlagenen Veränderungen der französischen Arbeitsgesetze.“
“Am 31. März, zur Zeit der Arbeitsgesetz-Proteste, ist es dann passiert. Es gab sintflutartigen Regen, aber trotzdem kamen alle zum Platz. Dann, um 21 Uhr hörte der Regen auf und wir blieben. Wir kamen am nächsten Tag zurück und da wir jede weitere Nacht zurückkommen, beginnt es der Regierung Angst zu machen, denn es ist für sie unmöglich, dieses Phänomen in den Griff zu bekommen.“
“Es passiert etwas hier, was ich nie zuvor in Frankreich wahrgenommen habe – all diese Leute kommen hier jede Nacht zusammen, auf eigene Veranlassung und diskutieren über Ideen – vom Wohnen bis zu Grundeinkommen, Flüchtlinge, jedes Thema, das ihnen gefällt. Niemand hat ihnen das gesagt, keine Gewerkschaften drängen sie dazu – sie kommen aus eigenem Antrieb.“
„In einem Versuch, die meist jungen Demonstranten zu beruhigen, kündigte die französische Regierung am Montag an, 400 bis 500 Millionen Euro in eine neue Studienhilfe zu stecken, in Form von Fördermitteln für junge Absolventen, die nach einem Job suchen, und andere Hilfen für Auszubildende und Studenten,“ berichtet Reuters.
Aber das schien nicht zu reichen, da ein weiterer Protest am Montag Abend angekündigt wurde.
Seit Monaten waren die ideologischen Spannungen überall in Frankreich und Europa nahe am Explodieren, besonders wegen der unpopulären Sparpolitik der EU und, erst kürzlich, der anti-Migrationspolitik, die sich festgesetzt hat inmitten des größeren Angriffes auf Menschenrechte nach den Bombenattacken in Brüssel und Paris.
Inzwischen setzen Beobachter den Aufschwung von Frankreichs Linken mit ähnlichen pro-Demokratischen Bewegungen in Verbindung, die sich in Europa und den USA etabliert haben.
Tatsächlich liest sich eine Erklärung, die von der Nuit Debout Bewegung herausgegeben wurde teilweise so:
“Unsere Mobilisation zielte anfangs darauf ab, gegen die französischen Arbeitsgesetze zu protestieren. Diese Reform ist nicht ein isolierter Fall, da es als ein neues Stück der Sparmassnahmen kommt, welche bereits unsere Europäischen Nachbarn in Mitleidenschaft gezogen haben und welche denselben Effekt haben werden wie die Italienischen Arbeitsgesetze oder die Arbeitsreform in Spanien. Das bedeutet konkret: mehr Entlassungen, mehr Prekariat, wachsende Ungleichheit und die Profilierung von privaten Interessen. Wir weigern uns, dieser Schock-Strategie unterworfen zu werden, bemerkenswerter Weise aufgezwungen während eines autoritären Ausnahmezustandes.
… Diese Bewegung wurde nicht in Paris geboren und wird hier auch nicht sterben. Vom Arabischen Frühling zur Bewegung 15M, vom Tahrir Platz bis zum Gezi Park, zum Platz der Republik und den vielen anderen Plätze, die heute Nacht besetzt sind, äußern die Menschen dieselbe Wut, dieselben Hoffnungen und dieselben Überzeugungen: die Notwendigkeit einer neuen Gesellschaft, in der Demokratie, Würde und Freiheit keine hohlen Worte sind.“
„Diese Bewegung ist auch Eure,“ endet der Solidaritätsaufruf. „Sie hat kein Ende, keine Begrenzung und sie gehört allen, die Teil davon sein wollen.Wir sind Tausende und wir können Millionen sein.“
Übersetzung aus dem Englischen Johanna Heuveling