Amnesty International ist sehr erleichtert, dass dieser Frontalangriff auf den Rechtsstaat und die Menschenrechte dank einer überaus breiten Mobilisierung abgewehrt werden konnte. Jetzt gilt es, weitere derartige Attacken und völkerrechtswidrige Initiativen zu verhindern. Der Abstimmungskampf hat zudem gezeigt: Das Verständnis für die Bedeutung der Menschenrechte als Schutz für uns alle muss weiter gefördert werden.
Mit dem deutlichen Nein zur Durchsetzungsinitiative (DSI) konnte noch grösserer Schaden abgewendet werden, als die Ausschaffungsinitiative ihn schon angerichtet hat. Eine grosse Mehrheit der Stimmberechtigten ist der menschenverachtenden Rhetorik der Initianten nicht auf den Leim gegangen. Die Schweizer und Schweizerinnen haben realisiert, wie gefährlich es für alle wäre, grundlegende Rechte für einen Teil der Bevölkerung ausser Kraft zu setzen. Ein Ja zu dieser Initiative hätte unser Zusammenleben in der Schweiz zu gefährdet und ein verheerendes Signal an andere Staaten gesendet, für die die Schweiz noch immer als eine Hüterin der Menschenrechte gilt.
Weitere völkerrechtswidrige Initiativen verhindern
Mit dem Nein zur Durchsetzungsinitiative ist die Schweiz allerdings lediglich zurück am Ausgangspunkt: Nämlich bei der Umsetzung der Ausschaffungsinitiative. Zwar ist auch der vom Parlament erarbeitete Gesetzesentwurf diskriminierend, immerhin erlaubt er aber dank der Härtefallklausel die Einhaltung des Verhältnismässigkeitsprinzips und berücksichtigt die Menschenrechte der auszuschaffenden Personen.
Die Durchsetzungsinitiative war erneut ein bewusster Angriff auf den Rechtsstaat. Sie wollte die Gewaltenteilung und international geltende Menschenrechtsgrundsätze wie die Gleichheit vor dem Gesetz und das Recht auf Nichtdiskriminierung ausser Kraft setzen. Jetzt gilt es, weitere derartige Angriffe, von vornherein zu verhindern. Bereits steht aber mit «Schweizer Recht statt fremde Richter» (Selbstbestimmungsinitiative) die nächste Initiative bereit, die zum Ziel hat, die Schweiz aus dem internationalen System des Menschenrechtsschutzes herauszulösen und das Misstrauen gegenüber Institutionen zum Schutz der Menschenrechte zu schüren.
Amnesty International fordert die politischen Parteien und das Parlament dringend auf, der bewussten Diffamierung internationaler Institutionen und Mechanismen zum Schutz der Menschenrechte entgegenzuwirken. Das Parlament muss mit oder ohne Verfassungsänderung klar definieren, aufgrund welcher Kriterien eine Volksinitiative für ungültig erklärt werden kann oder muss, um zu verhindern, dass Schweizer Recht mit internationalen Menschenrechtsstandards in Konflikt gerät. Für das Ansehen der Schweiz wie auch für die Rechtssicherheit ist es entscheidend, dass unsere Verfassung und unsere Gesetzgebung mit internationalen Standards kompatibel sind.
Verständnis für die Bedeutung der Menschenrechte stärken
Der Abstimmungskampf hat aber auch gezeigt, wie wichtig es ist, das Verständnis für die Menschenrechte, ihre Unteilbarkeit und ihre Bedeutung für jede und jeden von uns weiter zu stärken. Dank breiter Aufklärungsarbeit von Menschenrechtsorganisationen und weiteren gesellschaftlichen Akteuren ist dies im Abstimmungskampf zur Durchsetzungsinitiative ein Stück weit gelungen. Diese Arbeit muss aber in den Schulen und an der Basis der Gesellschaft beginnen und weiter geführt werden. Amnesty International ruft Parteien, Verbände, Religionsgemeinschaften, Bildungsinstitutionen und andere gesellschaftliche Akteure dringend auf, Menschenrechtsbildung in ihre Tätigkeiten aufzunehmen und ihre Mitglieder mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln für die Bedeutung der Menschenrechte und Grundfreiheiten und deren Unteilbarkeit zu sensibilisieren.