Eine 57-jährige wohnungslose Frau, die bereits am 06. Dezember 2015 in einem Waldstück in der Nähe von Offenburg tot aufgefunden wurde, ist erfroren. Die Polizei in Offenburg bestätigte, dass die Frau an Unterkühlung verstorben ist. Sie ist die erste wohnungslose Kältetote dieses Winters.
Angesichts des derzeitigen Wintereinbruchs in Deutschland und deutlich steigender Wohnungslosenzahlen fordert die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. (BAG W), der Dachverband der Wohnungslosenhilfe in Deutschland, zusätzliche Anstrengungen in der Kältehilfe und bei der Notunterbringung in Deutschland, um den Kältetod weiterer wohnungsloser Menschen zu verhindern.
Sie appellieren auch an die Bürger_innen eindringlich:
„Seien Sie aufmerksam! Wenn Sie wohnungslose Menschen sehen, die hilflos oder in einer Notsituation sind, setzen Sie die Polizei in Kenntnis, wählen Sie den Notruf 110! Alarmieren Sie bei akuter gesundheitlicher Gefährdung den Rettungsdienst 112!“
In den letzten 24 Jahren (seit 1991) waren mindestens 289 Kältetote unter Wohnungslosen zu beklagen.Sie erfroren im Freien, unter Brücken, auf Parkbänken, in Hauseingängen, in Abrisshäusern, in scheinbar sicheren Gartenlauben und sonstigen Unterständen. Durch die Kälte besonders bedroht sind die ca. 39.000 Wohnungslosen, die ganz ohne Unterkunft auf der Straße leben.
Die Programme zur Kältehilfe und die Notunterbringung sind in den letzten Jahren vielerorts an ihre Kapazitätsgrenzen gestoßen. Durch schnell geschaffene Notunterkünfte haben sich die Bedingungen der Unterbringung teilweise deutlich verschlechtert. Dies gilt für große Städte genauso wie für ländliche Regionen.
Aufgrund der gestiegenen Flüchtlingszahlen und der anhaltenden Migration aus süd- und osteuropäischen EU-Mitgliedsländern sind zusätzliche Anstrengungen in der Unterbringung und in der Kältehilfe nötig. Anerkannte Asylbewerber drohen wohnungslos zu werden, wenn sie die Flüchtlingsunterkünfte nach Abschluss ihres Asylverfahrens verlassen müssen, aber auf den knappen Wohnungsmärkten keine Wohnungen finden. Ein Teil der Migrantinnen und Migranten aus den EU-Mitgliedsländern findet in Deutschland keine oder nur schlecht bezahlte Arbeit und keine Wohnung und benötigt existenzielle Unterstützung.
Nach den Bestimmungen des Ordnungsrechts muss jede Kommune in Deutschland Wohnungslose menschenwürdig unterbringen, unabhängig von Nationalität und Aufenthaltsstatus. Städte und Gemeinden verstoßen gegen ihre Amtspflichten, wenn sie nicht rechtzeitig Notunterkünfte bereitstellen oder verschaffen. Dies bekräftigt auch ein im letzten Herbst veröffentlichtes Rechtsgutachten der BAG W zur Unterbringungspflicht der Kommunen.
Thomas Specht, Geschäftsführer der BAG W: „Jede Stadt und jede Gemeinde muss prüfen, ob die getroffenen Vorkehrungen in Quantität und Qualität ausreichend sind. Nach Erfahrungen der Wohnungslosenhilfe wird ein Teil der Betroffenen von den Angeboten nicht erreicht. Viele sind physisch und psychisch nicht in der Verfassung, sich in Massenunterkünften zu behaupten und sich ggf. gegen Übergriffe und Auseinandersetzungen durchzusetzen. Viele Angebote sind zu weit abgelegen und werden deswegen nicht erreicht, sind zu früh überfüllt, bieten keine Aufenthaltserlaubnis tagsüber und keine sichere Aufbewahrung der Habseligkeiten.“
Die BAG Wohnungslosenhilfe bekräftigt deswegen ihre Appelle und Forderungen an die Kommunen:
- Straßensozialarbeit und andere Formen aufsuchender Arbeit auf- oder ausbauen, umvon Kälte bedrohte Wohnungslose auf der Straße aufsuchen zu können
- Notrufnummern einrichten oder den Notruf 110 propagieren, damit Bürgerinnen und Bürger gefährdete Menschen melden können
- Mindestmaß an Privatsphäre und Selbstbestimmung in der Unterbringung ermöglichen
- Schutz und Sicherheit vor Diebstahl und Gewalt in den Unterkünften gewährleisten
- Für wohnungslose Frauen muss eine separate und sichere Unterbringung ermöglicht werden
- Dezentrale Unterbringungsmöglichkeiten für kleinere Gruppen von Wohnungslosen (auch mit Hunden)
- Auch tagsüber Öffnung der Unterkünfte
- Keine Befristung des Aufenthaltes auf wenige Tage
- Öffnung von U-Bahnstationen, Bahnhöfen und anderen geeigneten öffentlichen Gebäuden
- Ausreichend viele niedrigschwellige Tagesaufenthalte
- Zusätzliche Anmietung von geeigneten Räumlichkeiten(bspw. leerstehende Gewerbe-Immobilien, die beheizbar sind und über sanitäre Einrichtungen verfügen)