London / Bern, 10. Dezember 2015 – Jordanien verweigert mehr als 10‘000 syrischen Flüchtlingen die Einreise. Die Menschen müssen jetzt bei eisiger Kälte im Niemandsland zwischen Syrien und Jordanien um ihr Überleben kämpfen, darunter Schwangere, kleine Kinder, Alte und Kranke.
«Wir mussten im Dreck leben, es war schrecklich. Wir haben versucht, aus Decken Zelte zu bauen, um uns vor dem Wind und der Sonne zu schützen…. Einige Kinder und Frauen sind gestorben und wurden dort begraben, andere sind wieder zurückgegangen nach Syrien. Ich habe einem jordanischen Soldaten gesagt, dass ich alt bin und sterben werde, wenn nichts passiert. Er antwortete, dort ist eine Schaufel, damit kannst Du Dein Grab ausheben», berichtete Warde, eine circa 60-jährige Syrerin Amnesty International.
Syrische Flüchtlinge und Mitarbeiterinnen von Hilfsorganisationen haben Amnesty International vor Ort berichtet, dass seit mehreren Wochen täglich hunderte Flüchtlinge zur jordanischen Grenze kommen, ihnen von den jordanischen Behörden aber die Einreise verweigert wird. Satellitenaufnahmen der Grenzregion belegen zudem, dass die Zahl der Flüchtlinge in der Grenzregion in den vergangenen Monaten stetig zugenommen hat.
«Es ist angesichts des anhaltenden Konflikts in Syrien wichtig, dass Jordanien und die anderen Nachbarländer ihre Grenzen für Menschen offen halten, die vor Verfolgung und Blutvergiessen fliehen. Die jordanischen Behörden sind für die humanitäre Katastrophe auf der Türschwelle ihres Landes mitverantwortlich, wenn sie Zivilpersonen die Einreise verweigern, die auf jordanischem Boden Schutz suchen», sagt Audrey Gaughran, Acting Senior Director of Research bei Amnesty International.
«Tausende Flüchtlinge haben auf der gefährlichen Reise durch das Kriegsgebiet in Syrien bis zur jordanischen Grenze ihr Leben riskiert, um dann dort abgewiesen und ihrem Schicksal überlassen zu werden, obwohl der sichere Hafen in Sichtweite liegt.»
Die jordanischen Behörden haben keinerlei Begründung geliefert, warum sie die Flüchtlinge nicht ins Land lassen. Seit 2011 hat das Land bereits 632‘000 syrische Flüchtlinge aufgenommen, aber die Aufnahmepolitik wird immer restriktiver.
Jordanien ist eines von fünf Ländern in der Region, die zusammengezählt 95 Prozent aller syrischen Flüchtlinge aufgenommen haben und mit den Folgen kämpfen. Nur 52 Prozent der Aufwendungen, die Jordanien für die humanitäre Hilfe der Flüchtlinge benötigt, stammen von internationalen Gebern. Die jordanischen Behörden haben die internationale Gemeinschaft mehrfach gebeten, die Hilfe aufzustocken.
Aufnahme von Flüchtlingen seit Jahren eingeschränkt
Jordanien hat die Einreise für Flüchtlinge bereits 2012 beschränkt. Seit Mitte 2013 sind die meisten Grenzübergänge zu Syrien geschlossen, vereinzelte Ausnahmen wurden nur für besonders verletzliche Menschen (wie Schwangere, Familien mit kleinen Kindern und Kranke) gemacht. Im Juli 2014 gab es weitere Beschränkungen für Flüchtlinge, die über die Grenzübergänge im Osten einreisen wollten. Seitdem stranden immer mehr Flüchtlinge im Niemandsland nördlich des «Berm», einer Sandbarriere an der Grenze zu Jordanien bei den inoffiziellen Übergängen Rukban und Hadalat. Manche Flüchtlinge müssen bis zu drei Monate dort ausharren, bevor ihnen die Einreise gestattet wird, andere werden abgewiesen. Viele sind auch zurück nach Syrien gezogen, nachdem sie mehrere Wochen unter unmenschlichen Bedingungen dort ausgeharrt hatten.
Amnesty fordert sofortige Hilfe für Flüchtlinge
Amnesty International fordert die jordanischen Behörden auf, die Grenzübergänge für Flüchtlinge aus Syrien offen zu halten. Das Azraq-Flüchtlingscamp im Osten Jordaniens hat beispielsweise noch Kapazitäten, ebenso drei weitere Transitlager. Städtische Regionen müssen unterstützt werden, damit auch dort Flüchtlinge Schutz finden.
Internationale Hilfsorganisationen müssen Zugang zu den Flüchtlingen erhalten, um Hilfe zu leisten. Dem Uno-Flüchtlingshilfswerk UNHCR muss gestattet werden, die Flüchtlinge zu registrieren.
Amnesty fordert die internationale Gemeinschaft dazu auf, mehr zu leisten, um Jordanien zu unterstützen: die humanitäre und finanzielle Hilfe muss aufgestockt werden.