Wir sprechen mit Eva Böller, Sprecherin des Bremer Friedensforums über den Aufbau einer Kultur und Gesellschaft für den Frieden. Der Friede beginnt in unserem Umfeld. Die Frage nacht dem Frieden ist eine Frage nach der sozialen und politischen Gerechtigkeit. Kriege werden von Lobbys organisiert. Die Drahtzieher aller Kriege sind Menschen, die am Krieg verdienen und für die sich der Tod von Zivilisten immer wieder auszahlt. Daher wiederholen sich die falschen Kriegsszenarien immer wieder. Immer neue Feinde werden erschaffen und bewaffnet. Es fliehen immer mehr Menschen vor den Kriegen. Kriege erschaffen Flüchtlinge. Der Pazifismus hingegen baut eine tolerante, bunte und offene Gesellschaft auf, die gerecht und dynamisch gestaltet ist.
Milena Rampoldi: Was bedeutet für Sie das soziopolitische Engagement für die Friedensbewegung?
Eva Böller: Der Frieden ist nicht nur die Frage der Verhinderung von heißen Kriegen, sondern auch von Wirtschaftskriegen. Wenn die Probleme des Klimas, des Hungers, der ungleichen Verteilung der Ressourcen und des Reichtums nicht positiv gelöst werden, kann es keinen Frieden geben. D.h. Friedensbewegung ist ohne sozialpolitisches Engagement nicht denkbar.
Wie können wir uns als Bürger am besten gegen den Krieg und die Rüstungslobby stellen?
Die Verursacher der Kriege, des Hungers und des Elends müssen benannt werden. Das sind die Rüstungskonzerne und die großen US-amerikanischen und europäischen Agrar-, Lebensmittel- und Erdölkonzerne.
Wie wichtig ist die Flüchtlingsarbeit in der Friedensbewegung und warum?
Die Menschen flüchten vor Krieg, Hunger und Armut. Sie flüchten, weil wir ihre Länder und Lebensgrundlage zerstören. Fluchtursachen bekämpfen heißt, die barbarische Weltordnung anzuklagen, die für Macht und Profit Hunderttausende hungern und sterben lässt. Die Menschen fliehen aus ihren Ländern, weil Ausbeutung der Bodenschätze vergiftetes und unfruchtbares Land hinterlässt, die Fischgründe leergefischt sind, die lokale Industrie und zerstört ist, die Lebensmittelmärkte überschwemmt werden mit den Abfällen der reichen Länder. Religiöse und ethnische Konflikte werden vom Westen geschürt.
Was kann man in Deutschland im Moment für die Flüchtlinge tun?
Neben praktischer Solidarität und Unterstützung muß man sich der Politik der deutschen Bundesregierung entgegenstellen. Deutschland ist der viertgrößte Waffenexporteur der Welt, mit deutschen Waffen werden die Kriege am Laufen gehalten. Wir brauchen eine ehrliche Willkommenskultur. Wir müssen die Flüchtlinge schützen und unterstützen und vielleicht sogar dankbar sein, dass sie durch ihren Lebensunterhalt unsere Binnenwirtschaft unterstützen.
Wie kann man sich als Pazifist heute gegen Rechtsradikalismus und für Toleranz einsetzen?
Durch Aufklärung, Demonstrieren, gelebtes Vorbild sein, durch politische Aktivität, Leserbriefe, Stammtischparolen widersprechen, nicht zulassen, dass Flüchtlinge und arme Einheimische gegeneinander ausgespielt werden. Kleiner Einschub vom Bundesrichter Prof. Dr. Thomas Fischer:
„360.000 Quadratkilometer für 82 Millionen angebliche Deutsche macht 4.300 m² pro deutschen Menschen (220 pro km²). Kämen nun, sagen wir mal 60 Millionen dazu (derzeit geschätzte Zahl der Kriegsflüchtlinge auf der Welt), blieben für jeden gerade einmal noch 2.600 m², die Dichte stiege auf 360 pro km² an. Das entspricht ziemlich genau der Bevölkerungsdichte von Israel (370), Indien (370) oder Japan (340) und liegt zwischen den Niederlanden (400) und Belgien (350). In Bangladesch (1070) gilt das als gähnende Leere; auch in Südkorea (520) ist’s ein bisschen enger. Trotzdem – und auch dies muss man einmal sagen dürfen: Die schaffen das.“ (Quelle: Zeit-Online, Schaffen wir das?)
Was haben Sie mit Ihrer Arbeit schon erreicht und was wünschen Sie sich für die nahe Zukunft?
Erreicht haben wir – und das ist nach wie vor eine Daueraufgabe – dass die Mehrheit der Bevölkerung gegen Krieg ist. Belege: Kanzler Schröder hat mit seinem (brüchigen) NEIN zum Irakkrieg eine Kanzlerschaft gewonnen und die Kriegsministerin stellt 60 Millionen für eine Pro-Bundeswehr-Kampagne zur Verfügung, weil die Bevölkerung nicht kriegsbereit ist. Wo ist die Messlatte? Was wäre die Welt ohne Friedensbewegungen?
Was ich mir wünsche? Mehr Solidarität, mehr Aufklärung, mehr politisches, zivilcouragiertes Engagement im Kleinen und im Großen.
Rede von Eva Böller anlässlich der Mahnwache von 2014 für Hiroschima