In einer Rede am Donnerstag, den 15. Oktober 2015 in der Plymouth Congregational Church in Minneapolis, sprach die Chefredakteurin von MintPress News, Mnar Muhawesh, über die persönlichen Auswirkungen der Kriegs- und Angsttreiberei der herrschenden Medien.
Transkription:— Vorab möchte ich mich bei Citizens for Global Solutions für die heutige Einladung bedanken. Danken möchte ich auch all denen, die zu dieser Forumsveranstaltung gekommen sind. In einer Welt, die offensichtlich von Krieg und Hass geprägt wird, ist es bewundernswert zu sehen, wie eine so etablierte Organisation, Menschen jeder Couleur und jedweden Ursprungs im Interesse der Förderung des Friedens weiter zusammenführt, um die Geschichten zu teilen, die von den herrschenden Medien oft zensiert, ignoriert, aberkannt und sogar verwischt werden.
Es wurde mir zugetragen, dass es vielleicht heute Abend im Publikum Zwischenrufer geben könnte, die die Tatsache, dass eine junge muslimische Frau eine journalistische Organisation leitet, besorgniserregend oder verdächtig finden könnten.
Aber außer dem typischen Sexismus jener Behauptung, nach dem eine Frau 2015 in den USA unfähig wäre, ihr eigenes Unternehmen auf die Beine zu stellen, fand ich es besonders interessant, weil es zum Thema meiner Konferenz am heutigen Abend genau passt, in der ich mich mit dem Thema der „Muslime auseinandersetzen werde, die als verdächtig und als die „Anderen“ behandelt werden.“
Diese Art von orientalistischem Standpunkt der weißen Überlegenheit, nach dem muslimische Frauen unfähig wären, ausgebildet, intelligent, unabhängig und finanziell erfolgreich zu sein, hat ironischerweise die Vorurteile ans Tageslicht gebracht, die tief in unserem Bewusstsein schlummern.
Stellen Sie sich mal vor, wir befänden uns im Nahen Osten, im Iran oder in Saudi Arabien. Hier würde eine Gruppe von Menschen versuchen, mich daran zu hindern, frei im Rahmen einer Veranstaltung zu sprechen, weil sie nicht glauben können, dass eine Frau ihr eigenes Unternehmen starten kann. Lassen Sie uns die Sache mal ganz offen angehen. Die Sache würde Schlagzeilen auf CNN oder FOX News machen, als Beweis dafür, wie die Frauen im Nahen Osten unterdrückt sind.
In diesem Sommer weigerte sich eine Frau von einer US-amerikanischen muslimischen Fahrerin des Mitfahrunternehmens Uber abgeholt zu werden. Sie reichte eine Beschwerde bei Uber ein, und sagte, sie sei davon angewidert, dass die Firma einer muslimischen Frau überhaupt die Gelegenheit bieten würde, Leute zu fahren. Natürlich lief diese Geschichte durch alle sozialen Medien. Und gerade diese Frau schreibt auf Facebook über ihre Empörung darüber, dass man saudische Frauen nicht Autofahren lässt. Das ist wohl extrem ironisch.
Aber in Wirklichkeit ist diese Art von Orientalismus gegen Muslime im Allgemeinen und gegen US-amerikanische Muslime, die in den Medien mehr Berühmtheit erlangen und somit die Standpunkte über den Islam und die Frauen im Islam in Frage stellen, im Besonderen über die erneute Kolonisierung des Nahen Osten und Afrikas das Ergebnis einer mehr als 14jährigen Kriegs- und Angsttreiberei seitens der herrschenden Medien.
Diese herrschende Presse gehört in den USA den folgenden sechs Unternehmen: General Electric, News Corp., Disney, Viacom, Time Warner und CBS.
Sie haben es richtig gehört: dies bedeutet, dass die Verteidigungs-, Rüstungs-, Kabel- und Unterhaltungsindustrie sowie die Mächtigen von Hollywood mehr als 90 Prozent von dem kontrollieren, was 90% der 300 Millionen US-Amerikanern ansehen, hören und lesen. Statistisch gesehen gibt es für jede 50 Millionen US-Amerikaner ein Medienunternehmen, das sie mit ihren Nachrichten versorgt.
Die Art und Weise, auf die wir über die Welt und die Ereignisse unseres eigenen Landes erfahren, erfolgt durch die Sichtweise der Medien. Aber wegen dieser Verfilzung war diese Sichtweise nie enger, extremer und manipulativer als zu unserer Zeit.
Es erhebt sich hier die Frage, warum Geschichten wie die vom IS, von den nicht vorhandenen iranischen Atomwaffen, von den rassistischen Ergüssen von Donald Trump, von den E-Mails von Hillary Clinton und die niedlichen Katzenvideos die Ätherwellen drosseln, während andere, wirklich wichtige Geschichten vollkommen unbeachtet bleiben.
Durch diesen Prozess der Verfilzung und Monopolisierung der Medien, sind die Unternehmen, die die Presse eigentlich zur Rechenschaft ziehen sollten, zu den Besitzern jener Medien geworden. Diese Medienunternehmen geben Milliarden aus, um Geschichten zu gestalten, die ablenken, Panik machen, unterhalten und mehr Propaganda als Information verbreiten.
Die Medien haben sich in der Tat in einen Schoßhund der herrschenden Klasse verwandelt, indem sie die Zähne des Wachhundes abstumpfen, zu dessen Schutz der erste Zusatzartikel zur Verfassung geschrieben wurde.
Ein Feindbild erzeugen, um Krieg zu rechtfertigen
Seitdem die USA nach dem 11. September 2001 ihren offiziellen „Krieg gegen den Terror“ erklärten, begann ein neues Zeitalter der US-Presse: Es wurde eine allgemeine Atmosphäre der Angst und Empörung gegen die US-amerikanischen Muslime geschaffen, wie anhand der Narrative der „Jihad-Zivilisation“ und der voreingenommenen Berichterstattung der Medien hinsichtlich der Erdölkriege im Nahen Osten klar wird.
Diese Atmosphäre der Angst findet sich in den letzten 14 Jahren in der institutionellen Politik wieder. Sie sieht die US-amerikanischen Muslime als eine Bedrohung an und behandelt jede ihrer Handlungen mit Verdacht.
Obwohl die meisten Entführer vom 11. September aus Saudi Arabien stammten, griff Präsident Bush Afghanistan und den Irak an — zwei Länder, die sich strategisch in einer rohstoffreichen Region befinden, die für die multinationalen Konzerne noch Neuland waren und Regionen, die dann später als militärische Pufferzonen mit militärischen Stützpunkten gegen China und Russland dienen könnten.
Trotz der langen Geschichte der Vereinigten Staaten im Bereich der Finanzierung und Bewaffnung beider brutalen Diktaturen, sei es der von Saddam Hussein im Irak als auch der der terroristischen Mudschaheddin–Bewegung in Afghanistan, begannen die Vereinigten Staaten ein neues Zeitalter eines unendlichen Krieges, [indem sie sich Rohstoffe aneigneten], Bürgerkriege anfachten, rechtsextreme Milizen unterstützten und die Demokratie nach US- amerikanischer Art oder besser gesagt den „Monopolkapitalismus“ verbreiteten.
Wenn wir uns zum Beispiel den Irakkrieg ansehen, so werden wir uns dessen bewusst, wie dieser für verschiedene Leute mehrfache Bedeutungen hat. Wenn wir uns die pornografische Kriegspropaganda von Hollywood mit Filmen wie „American Sniper“ anschauen, war der Irakkrieg eine patriotische Mission, um die US-amerikanischen Freiheiten und Werte zu verteidigen. Obwohl der Film 12 Jahre nach dem 11. September herauskam, versuchten die Produzenten immer noch, unsere Intelligenz zu beleidigen, indem sie die US-amerikanische Zerstörung des Iraks neu schrieben und den 11. September Saddam Hussein zuschrieben, um sich eine Rechtfertigung des Krieges zusammenzubasteln.
Der Marinesoldat Chris Kyle, auf welchem der Hollywood-Kassenknüller basiert, schrieb ein Buch mit demselben Titel, in dem er seinen Hass, seinen Fanatismus und seine Leidenschaft bei der Ermordung der irakischen „Barbaren“ zum Ausdruck bringt.
Der Inhalt seines Buches ist ein Mikrokosmos, der die Darstellungsweise der Araber und Muslime in der US-amerikanischen Presse zwecks Panikmache und Rechtfertigung der militärischen Operationen wiederspiegelt. Er schreibt:
„Das Wilde, das Verabscheuungswürdige, das Böse, das ist was wir im Irak bekämpften. Deshalb nennen viele Leute, darunter auch ich, den Feind einen Wilden. Es gab wirklich keine andere Weise, zu beschreiben, was wir dort begegnet sind.“
Diese Medienkarikatur der barbarischen Muslime ist auch verantwortlich für das Aufkommen von Hasskriminalität gegen US-Muslime.
Diesen Sommer befand ich mich mit meiner Familie mitten in einem islamfeindlichen Hassverbrechen: Meine eigenen Eltern wurden mit einer Waffe bedroht, weil eine blonde Vorstadtmama mittleren Alters dachte, sie sähen verdächtig aus.
Meine Eltern sind US-Amerikaner palästinensischer Herkunft: meine Mutter, die Kopftuch trägt und mein Vater mit seiner eher dunklen Hautfarbe warteten gerade im Auto, um meinen sechzehnjährigen Bruder vom Haus eines Freundes am Brooklyn Park abzuholen. Diese Frau näherte sich meinen Eltern mit einer Pistole, die sie gegen sie richtete, und drohte auf sie zu schießen, da sie ihren Worten, nach denen sie nur ihren Sohn abholten, nicht traute. Meine Eltern hatten gar nichts verbrochen. Sie hatten nur ihren Sohn abgeholt. Natürlich haben wir die Frau verklagt. Sie wird nun im Dezember vor Gericht geladen, aber das Ganze hat richtig eingeschlagen, weil ich als Journalistin tätig bin. Diese Episode beweist auch die steigende Islamfeindlichkeit in den USA.
Trotz der fast 2 Millionen zivilen Opfer im Irakkrieg, von denen wir selten hören, war der Irakkrieg doch ein lukratives Geschäft für mehr als 25 multinationale Erdöl-, Bau-, Landwirtschafts-, Investierungs- und Bankkonzerne.
Sehen wir uns doch mal das Beispiel der ehemaligen Firma von Dick Cheney Halliburton an, die zwischen 2003 und 2006 einen Umsatz von $1,2 Milliarden erzielte, der mit dem Irakkrieg in Zusammenhang stand.
Aber der oft zensierte Teil der westlichen Kriege im Nahen Osten betrifft die Menschenopfer. Seit 1990 haben schätzungsweise nur im Irak und in Afghanistan fast 8 Millionen Muslime direkt oder indirekt infolge der militärischen Operationen ihr Leben gelassen.
Nehmen Sie sich nun einen Augenblick Zeit, um darüber nachzudenken: 8 Millionen unschuldige Menschen. Dieser Bericht wurde vor einigen Monaten von den Friedensnobelpreisträgern und Ärzte aus dem D.C., Physicians for Social Responsibility, veröffentlicht.
Überraschenderweise veröffentlichte CNN gerade in diesem Monat statistische Werte, aus denen hervorgeht, dass seit 2001 ungefähr 3,000 US-Amerikaner dem Terrorismus zum Opfer fielen. US-Amerikaner werden aber eher von rechtsextremen Hassgruppen mit Schusswaffen umgebracht.
Wie schaffen es denn die Politiker, die Ermordung von 8 Millionen Muslimen zu rechtfertigen und die Massen zu überzeugen, dass diese Kriege für die Menschenrechte geführt wurden?
Diese ist die wichtigste Frage, die wir uns heute Abend stellen können, da sie uns in die Lage versetzt, wirklich zu verstehen, wie diese Atmosphäre der Angst gestaltet und wie der Krieg der Öffentlichkeit verkauft wird.
Die Antwort ist ganz einfach: Folgen Sie einfach dem Geld. In der Tat ist die Islamfeindlichkeit ein so heißes Thema, dass sie in den USA zu einer Industrie im Wert von 200 Millionen US-Dollar pro Jahr geworden ist. Das ist das Ergebnis eines detaillierten Berichtes des Jewish Anti-Zionist Network. Den vollständigen Bericht finden Sie online.
Der pro-israelische, republikanische Geldgeber Sheldon Adelson, die Brüder Koch, Newton und Rochelle Becker, die Sarah Scaife Stiftung und die Bradley Stiftung sind einige der zahlreichen Namen, die für den Großteil der Finanzierung dieser Industrie verantwortlich sind.
Dieselben Geldgeber, die größtenteils in Gewerbe wie Verteidigung, Erdöl, Bau- und Bankwesen investieren, die vom Krieg und der Unstabilität im Nahen Osten profitieren, haben Folgendes gemeinsam: Sie gehören zum 1%-Welteliteclub, der derzeitig auch 60% des weltweiten Reichtums besitzt. Und raten Sie mal: niemand von uns ist dort eingeladen.
Diese ganze Industrie ist somit nichts anderes als eine Teile-und-Herrsche-Taktik, damit wir mit dem Finger auf einander, auf einen unsichtbaren Feind zeigen und diesen hassen, während diejenigen, die alles beherrschen, weiterhin den Reichtum der Massen weltweit ausbeuten können.
Zufälligerweise, teilen unsere Freunde auf der Promiklatschseite BuzzFeed einige dieser Geldgeber.
Im Jahre 2013 kündigten die israelischen Verteidigungskräfte IDF an, dass BuzzFeed ihr offizielles Sprachrohr in den USA sein würde, laut Atlantic und NPR.
Ihre Argumentation: eine junge US-Zielgruppe zu beeinflussen, um die Unterstützung Israels und seiner Außenpolitik auf lange Sicht zu gewährleisten.
Im selben Jahr lancierte die Webseite BuzzFeed ihren politischen Bereich, den man vielleicht Zentrum für Pressemitteilungen des US-Außenministeriums und Israels nennen sollte und der jeglicher progressiven Friedensbewegung nachjagte. Und so kam es auch dazu, dass die Gesprächsthemen der islamfeindlichen Industrie auf ihre neue Politikseite kamen, indem sie die Außenpolitik der USA und Israels durch die Entmenschlichung der Muslime förderten.
Im Rahmen dieses Prozesses lancierte die Webseite eine Kampagne organisierter persönlichen Angriffe im Klatschstil gegen verschiedene antizionistische Aktivisten, Journalisten und fortschrittliche Projekte, der ich dann auch zum Opfer fiel.
Ein anderer prominenter Journalist, der von BuzzFeed angegriffen wurde, war Max Blumenthal, ein jüdischer Journalist und Autor, der über den israelischen Kolonialismus, die israelische Besatzung und ethnische Säuberung der Palästinenser schreibt. Wir hatten alle eine Gemeinsamkeit: Unsere Berichterstattung forderte zwei Narrativen heraus: sie stellte den aus den Medien verdrängten israelischen Kolonialismus und die ethnische Säuberung der Palästinenser dar und suchte gleichzeitig nach den wahren Gründen des US-Krieges im Nahen Osten, in Syrien.
Die Zeiten, in denen man noch nur Hamas-Sympathisant (ich glaube, Sie erinnern sich) genannt wurde, sind vorbei. Die Abstempelung ist nun ein wenig durchdachter.
Mit dem Aufstieg des IS und der Spannungen zwischen dem Iran und Israel auf dem Höhepunkt boten die wichtigsten Nachrichten dem islamfeindlichen Netzwerk eine neue Gelegenheit, mit einander nicht zusammenhängende geopolitische Ereignisse zu nutzen, um eine Karikatur der muslimischen US-Amerikaner zu erschaffen, indem sie der Öffentlichkeit Angst einjagten, jedes Mal Muslime die US-Außenpolitik herausforderten.
Wenn Sie sich gegen den Krieg äußern, stehen Sie jetzt als Sympathisant von IS- oder der Terroristen der Muslimbruderschaft da oder sind Agenten des iranischen Regimes, die Amerika und unsere Regierung unterwandern.
Dies schafft einen gefährlichen Präzedenzfall für Journalisten, die den eigentlichen, von unseren kapitalistischen Medien versäumten Auftrag übernehmen, die Öffentlichkeit bezüglich der grausamen Realität der gescheiterten US-Außenpolitik in Kenntnis zu setzen und ihr zu zeigen, dass die USA Bürgerkriege angefacht haben, indem sie den Terrornetzwerken Unmengen von Waffen zugeführt, rechtsextreme Gruppen unterstützt und die Ressourcen im Ausland ausgebeutet haben.
Daher habe ich mich in den letzten 15 Jahren, seit meinem dreizehnten Lebensjahr, mit diesem Thema befasst. Es ist kein Zufall, dass ich mich für diesen Weg des Kampfes gegen die Ungerechtigkeit entschieden habe, unabhängig davon, ob ich dies nun durch die Aufdeckung der Puppenspieler hinter der Medienmanipulation, der neokonservativen Angriffe gegen die Friedensbewegungen oder der Kriegsgewinnler mache oder indem ich das Recht der Muslime verteidige, ihre Meinung zum Ausdruck zu bringen.
Vielleicht ist es wegen allem, was ich heute mit Ihnen über Krieg, Angriffe gegen Muslime, Medienmanipulation und diese allgemeine Atmosphäre der Angst, der wir zum Opfer gefallen sind, bespreche. Diese Aspekte haben wortwörtlich mein ganzes Leben als muslimische US-Amerikanerin beeinflusst und definiert.
Da bin ich sicherlich nicht Einzige, aber es ist wichtig, das Ganze von einer persönlichen Perspektive zu hören. Meine Geschichte besteht aus Versuchen und Widerwärtigkeiten, Identitätskrisen und einem kompromisslosen Schwimmen gegen den Strom.
Und diese persönliche Geschichte möchte ich heute mit Ihnen teilen:
Seit meiner Kindheit zahlte ich das Lehrgeld: Kriege haben nie das Ziel verfolgt, die Menschenrechte zu verteidigen. Luftangriffe gegen Menschen, um Menschen zu retten, machen keinen Sinn.
Da ich in den USA aufgewachsen bin, wusste ich praktisch nichts vom palästinensischen Erbe und von der palästinensischen Kultur, von der Besatzung Palästinas und auch nicht vom Islam. Ich bin nämlich in einer sehr säkularen, palästinensischen Familie aufgewachsen.
Aber eines Tages, als ich um die neun Jahre alt war, entschieden meine Eltern, dass es an der Zeit war, zurück zur Großfamilie nach Jerusalem zu ziehen, um näher an die Familie zu rücken und mehr über unser palästinensisches Erbe zu erfahren.
Ich war erst neun, sprach kein Wort Arabisch und hatte keine Ahnung, wie dieser Umzug am Ende mein Leben für immer verändert und meine Entscheidungen als Erwachsene beeinflusst hätte.
Wir zogen 1997 nach Jerusalem und wurden assimiliert. Ich traf die Familie meiner Eltern, lernte neue Freunde kennen und besuchte historische und touristische heilige Stätten, worunter christliche Kirchen, muslimische Moscheen und jüdische Synagogen.
Die Menschen und die Umgebung prägten sich sehr stark in mein Gedächtnis ein. Der Himmel war immer heiter, und es schien immer die Sonne. Und alle Menschen, die man traf oder die einen zum Essen oder zum Tee einluden, spendeten ein Lächeln. Und dies unabhängig davon, ob sie Juden, Muslime oder Christen waren.
Aber unabhängig von all diesen Details, war es selbst für ein neunjähriges Mädchen offensichtlich, dass wir in ein Apartheid- und kriegsähnliches Gebiet unter Kolonialherrschaft gezogen waren.
Im ersten Jahr unseres Aufenthalts in Jerusalem war die politische Lage so ziemlich ruhig. Ich besuchte regelmäßig die Schule und wir hatten keine Probleme. Aber im zweiten und dritten Jahr brach der palästinensische Aufstand, die Intifada, aus.
Zu jener Zeit war ich gerade 12 und hatte schon Menschenrechtsverletzungen durch einen Staat erlebt, der die Welt davon überzeugt hatte, eine zivilisierte Demokratie zu sein, während die Einheimischen hingegen die Barbaren waren.
Ich hatte persönlich erlebt, wie die Palästinenser vom Gesetz diskriminiert, ihre Reisen kontrolliert wurden und sie hinter einer neun Meter hohen Apartheidmauer aus Beton lebten, die sie vom Rest der Welt abtrennte. Jeder einzelne Tag war für das palästinensische Volk ein Kampf ums Überleben unter dem Kriegsrecht und der militärischen Besatzung.
Ich dachte dauernd an von Bomben getötete Kinder, an Familien, die infolge der Luftangriffe obdachlos geworden waren, an Strom- und Wasserausfälle und an ganze Städte, deren Wasser wortwörtlich von den israelischen Siedlern vergiftet worden war.
Männer und Jugendliche wurden von der Polizei in nächtlichen Raids festgenommen und auf unbegrenzte Zeit ohne Anklage in Gewahrsam gehalten.
Ich fuhr durch die Kontrollpunkte, wo der Taxifahrer aufschrie, wir sollten uns ducken, da die israelischen Soldaten Gummigeschosse und scharfe Munitionen gegen Kinder einsetzen würden, die Steine werfen, weil sie aufgehalten und daran gehindert werden, in die Schule zu gehen.
Als ich die sechste und siebte Klasse besuchte, war fast die Hälfte der Stühle in meinem Klassenraum leer, weil der Rest jener Kinder einfach daran gehindert wurde, die bewaffneten Kontrollpunkte zu überqueren.
Es gehörte zum Alltag, dass Soldaten Geschosse gegen Bürger richteten, die durch die Straßen schlenderten, dass israelische Siedler Kinder entführten und Bomben in palästinensische Grundschulen legten. All dies stand an der Tagesordnung. Als wir schließlich in die USA zurückgingen, wurde meine Tante noch während des ersten Monats unserer Rückreise benachrichtigt, dass ihre Schule evakuiert worden war, weil in der Grundschule ihres Sohnes eine Bombe gelegt worden war.
Es wäre untertrieben zu sagen, dass ich traumatisiert war.
Aber ich bin nicht hierhergekommen, um über den israelisch-palästinensischen Konflikt zu sprechen. Ich wollte aber die Berichterstattung über den Konflikt im Nahen Osten als Beispiel der Unverantwortlichkeit der Medien anführen.
Die Medien haben diesen Konflikt in eine Sprache zerlegt, die sie sehr gut beherrschen, und zwar die des religiösen Kampfes des Muslims gegen den Juden.
Der Konflikt wird wie folgt beschrieben: Die Palästinenser sind muslimische Militanten, die alle Juden töten und den israelischen Staat, der die einzige Demokratie im Vorderen Orient ist, zerstören wollen. Und um diesen Standpunkt zu untermauern, bedienen sie sich des Holocausts.
Ich weiß nicht, ob Sie dies bemerkt haben: als ich von meiner persönlichen Erfahrung berichtet habe, habe ich mich nicht auf die Religion bezogen.
Ich stellte meine persönliche Erfahrung dar, als ich als Kind eine Menschenrechtskrise durchlebte. Ich beschrieb die Realität als Faschismus, Polizeistaat, Ungleichheit, Kolonialismus und, was noch offensichtlicher ist, als Apartheid und Krieg.
Aber dieser Konflikt wird uns wie auch viele andere niemals auf diese Weise präsentiert, vor allem wenn es sich um einen Verbündeten der USA oder einen wichtigen Waffenabnehmer der USA handelt.
Ich konnte mir kaum vorstellen, wie diese Erfahrung meines Umzugs in Übersee meine Einstellung sei es zum Leben als auch zu den Medien beeinflussen und auch meine Persönlichkeit als Erwachsene gestalten würde.
Schließlich kehrten wir 2001, einige Monate vor dem 11. September, in die USA zurück.
Ich war total traumatisiert. Ich litt unter demselben Schuldgefühl des Überlebenden wie die Soldaten, die aus dem Irak zurückgekehrt waren. Ich litt unter PTSD und Angstzuständen und nahm auch professionelle Hilfe in Anspruch.
Ich hatte nun ein bequemes Leben in Maple Grove, Minnesota, konnte aber das, was ich hinter mir gelassen hatte, und das Leid, das die Menschen immer noch durchmachten, nicht vergessen.
Ich war nun 13 Jahre alt und spürte, dass keiner in Maple Grove begreifen konnte, was ich erlebt hatte. Und während die meisten Jugendlichen in diesem Alter mit Fußballspielen, Shopping und Partys beschäftigt sind, wendete ich mich den Medien zu, um über den Krieg auf dem Laufenden zu bleiben, was für mich unverzichtbar war.
Ich stieß aber immer wieder auf Bilder palästinensischer Männer mit bedeckten Gesichtern, mit Waffen in der Hand, wie wir sie bis heute sehen. Für die Reporter waren die Palästinenser Hamas oder Militanten. Nirgendwo sprach man von den Palästinensern als von normalen Leuten wie zum Beispiel meiner Familie. Nirgendwo kamen die normalen Leute vor, die ich gesehen und getroffen hatte.
Die Medien weckten in den Herzen und Köpfen der Amerikaner Angst, um die israelische Apartheid und die faschistische Politik gegen eine schutzlos ausgelieferte Bevölkerung zu rechtfertigen. Warum sollten sie dies nicht tun? Israel kauft doch jedes Jahr mehr als $3 Milliarden Dollar Militärhilfe von den USA. Es ist auch das koloniale Projekt von Großbritannien und den USA.
Die Medien haben bei der Berichterstattung über den Nahen Osten das getan, was sie am besten können, und zwar behaupten, es handelte sich um einen Religionskrieg.
Einige Monate später ereignete sich die Tragödie vom 11. September. Und gleich danach befand sich das Land in Kriegsstimmung. Ich war zwar jung, aber auch reif genug, um zu verstehen, dass die Medien wie oben angesprochen erneut Panik machten und Angst vor den amerikanischen Muslimen schürten. Gemäß der Narrative der „Jihad-Zivilisation“ war die Region voller Barbaren.
Die Medien überzeugten uns, dass das Volk des Nahen Osten uns wegen unserer Freiheiten hasste und rückständig, barbarisch und böse war.
Die Medien förderten und rechtfertigten sogar die Verwandlung unseres Landes in einen Überwachungsstaat und diffamierten mehr als ein Viertel der Weltbevölkerung, die Muslime, wegen der Gräueltaten weniger.
Obwohl ich erste 13 Jahre alt war, war mir klar, dass die Lösungen dieser Menschenrechtskrisen nicht durch noch mehr Bomben, noch mehr Waffen, die in diese Regionen fließen, gefunden werden konnten, indem man noch mehr Menschen tötet und mit Sicherheit auch nicht durch die Medien, die als das Sprachrohr des Militärs agierten.
Wenige Wochen nach dem 11. September, begannen sich Menschen, von denen ich dachte, sie wären meine Freunde, von mir abzuwenden. Sie warfen mir vor, dass „mein Volk“ den 11. September auf dem Gewissen hatte. Eines Tages wurde ich ins Schulsekretariat bestellt. Mein Schließfach wurde durchsucht und eine Körperdurchsuchung wurde an mir durchgeführt. Sie nannten mir keinen Grund für die Maßnahmen und meinten nur, sie würden sich Sorgen um mich machen.
Nur ein Tag, nur eine Erfahrung, nur eine Tragödie, und ich wurde wie viele andere muslimische Amerikaner im ganzen Land offiziell der „Andere“. Und als Palästinenserin wurde mir noch gesagt, ich hätte wegen der israelischen, ethnischen Säuberung kein Zuhause in Palästina. Und eine amerikanische Muslimin zu sein, bedeutete, dass ich mich wirklich hart darum bemühen musste, mein Land zu lieben und seine Kriege zu unterstützen.
Trotz dieser Erfahrungen und der Erlebnisse der Apartheid, des Krieges und unserer Medien, die zum Schoßhund bestimmter Interessensgruppen geworden waren, zeigte ich auf die Medien als die Ursache für die fehlenden, verfügbaren Lösungen, um Frieden, Einheit und wahre Gerechtigkeit in der Welt hervorzubringen.
Ich machte die Medien für das fehlende Verständnis dieser Angelegenheiten von Seiten der Amerikaner und deren fehlender Empathie für die Opfer verantwortlich.
Die Geschichte, die ich durchlebte, ist nur eine von Tausenden von Leben unter der Besatzung. Ich habe Ereignisse in Palästina, Syrien, im Sudan, in Somalia, Libyen, im Irak und anderswo erfahren und beobachtet und frage mich, wie die Medien immer noch die israelischen Kriegsverbrechen in Gaza, die NATO-Vergehen in Libyen und Syrien, den US-Waffenexport an die Diktatoren in Ägypten, Saudi-Arabien und überall in Afrika an neue rechtsradikale Milizen, die auf diese Weise bewaffnet und aufgebaut werden, so decken können.
Ich fand die Lösung in den Medien, denn von den Medien holen sich die Menschen die Nachrichten, über die sich von der Welt um sich herum erfahren.
Aber ich fand den Mut und die Entspannung, dem Journalismus nachzugehen, um nicht nur für die Palästinenser, sondern für alle unterdrückten Völker dieser Welt einzutreten, die im Namen der Macht, des Geldes und der Habgier, ob nun im Sudan, in Kongo, Burma, Syrien, im Irak, in der Zentralafrikanischen Republik, in China, Mexiko oder vielen anderen Regionen dieser Welt, über die unzureichend berichtet wird, niedergemetzelt werden. Die Menschen fangen nicht einfach an, sich gegenseitig zu ermorden. Dahinter steckt ein politisches Programm und dieses dreht sich normalerweise um Rohstoffe, Geld und Benzin.
Und 2009 wurde ich trotz aller Widrigkeiten die erste US-amerikanische Fernsehsprecherin mit Kopftuch. Ironie des Schicksals: ich begann meine journalistische Karriere bei St. Cloud Minnesota in einem Michele Bachmann[i] -Bezirk, in dem die meisten Menschen noch nie auf einen Muslim gestoßen waren. Da können Sie sich ja vorstellen, wie interessant das Ganze war. Sie waren mir immer dankbar dafür, dass ich „amerikanisch“ sprach und mich auch „amerikanisch“ kleidete, weil ich in St. Cloud lebte. Aber im Besonderen nach dem 11. September veränderte sich mein Leben und das vieler anderer Muslime in diesem Land. Wir wurden nicht nur angespornt, über uns selbst zu sprechen, sondern auch, uns im Detail mit unserer Religion zu beschäftigen. Wie ich zu Beginn meiner Ansprache angeführt habe, bin ich in einer sehr säkularen Familie aufgewachsen. Die Religion war nicht unser Lebensmittelpunkt. Wir fasteten zwar während des Monats Ramadan und gingen hie und da mal in die Moschee. Aber nach dem 11. September distanzierte ich mich von der Religion. Wie kann eine Religion so etwas zulassen? Wie kann eine Religion zulassen, dass sich ein junger Mann in eine Bombe verwandelt und Gebäude angreift. Aber dann wurde mir klar, dass auch die islamische Religion manipuliert wurde. Die muslimische Gemeinde durchläuft nämlich eine schwere Krise. Und all diese Gewalt wird durch amerikanische, westliche Waffen ausgeübt. So traf ich die Entscheidung, mir vorzunehmen, das Gesicht des Journalismus zu verändern. Als ich aber Journalist werden wollte, meinte die Leute, niemand würde mich je anstellen, als Muslimin mit Kopftuch. Jeder würde mich nur verdächtig ansehen und ich würde direkt angegriffen werden. Aber gerade dies gab mir mehr Mut und mehr Inspiration. Es war an der Zeit, die Menschen zu verändern. Und so gelang es mir, als erste US-Amerikanerin mit Kopftuch als Journalistin und Nachrichtensprecherin zu arbeiten.
Kurz darauf blieb ich ungefähr ein Jahr bei NBC – KARE 11 in der Berichterstattung und den Onlinenachrichtenprogrammen. Ich lancierte für KARE 11 eine 16-Uhr-Show, die jetzt Dianna Pierce moderiert und baute deren Onlinepräsenz auf.
Obwohl ich in meiner Arbeit hier und in einem Corporate Newsroom viel lernte, muss ich ehrlich sagen: auch die örtlichen Nachrichten gehen nicht in die Tiefe einer Geschichte. Und das ist vor allem wegen des Medienunternehmens, dem sie angehören und das die Öffentlichkeit mit sensationsverdächtigen Schnellnachrichten versorgt.
Verstehen Sie mich nicht falsch. KARE 11 hat eine Menge großartiger Geschichten, aber eine der besten Geschichten, über die zu meiner Zeit berichtet wurde, war die einer Frau, die ihren Ehering in einem See verloren hatte. Der Bericht fokussiert darauf, wie die Stadt zusammenrückte, um den Ring im Fluss wiederzufinden. Während es sich in diesem Falle um eine interessante und emotionale Geschichte handelte, fehlte dem Großteil der Berichterstattung einfach die Tiefe.
Ich hatte immer noch den Eindruck, dass meine journalistische Karriere nicht erfüllt war. Der einzige Grund, wofür ich Journalistin geworden war, war, dass ich die traditionelle Narrative herausfordern wollte, indem ich den Stimmlosen eine Stimme verleihe und die wahren Kosten des Krieges darlege.
Ich verließ dann die Unternehmensmedien und startete meinen eigenen, persönlichen Blog MintPress, wo ich seit ungefähr zwei Jahren als freie Journalistin über die Geschichten berichtete, die meiner Meinung nach in den traditionellen Medien ignoriert wurden. Mir wurde die Gelegenheit geboten, wichtige Persönlichkeiten wie den ehemaligen Pentagon-Beamten Col. Wayne Quist zu interviewen, der mir in verschiedenen Interviews die Antriebskräfte des „Krieges gegen den Terror“ erörterte. Und er öffnete mir Augen über die Ereignisse im Nahen Osten. Er hatte beim Pentagon gearbeitet, ich glaube zwischen Ende der Siebziger und Anfang der Achtziger Jahre. Er erklärte mir, wie die meisten Konflikte im Nahen Osten mit dem Allianz zwischen den USA und Saudi Arabien und mit der Finanzierung des Terrorismus zu tun haben. So begann ich, Verbindungen herzustellen und detailliert die US-Außenpolitik zu analysieren. Wir sprechen zwar alle von Frieden und Gerechtigkeit, aber die meisten kennen die wahren Ursachen dieser Angelegenheiten nicht. Islam war in der Hand von Saudi-Arabien. Die Saudis geben Milliarden Dollar für Koranschulen aus und um Geschichtebücher neu zu schreiben und islamische Hadith zu fabrizieren. Und diese islamischen Bewegungen splittern den Islam nur noch.
Der Journalismus ist zu meinem Ausweg aus der Hilflosigkeit geworden, in der ich aufwuchs, als ich über Jahre unter PTSD litt. Dieses Angstgefühl begleitet mich Tag für Tag wegen meiner Erfahrung und des Traumas, das ich in mir trage, weil ich in einem Kriegsgebiet gelebt habe. Außerdem weiß ich, dass ich so viele Leute zurückgelassen habe, die immer noch leiden, ob nun in Palästina und Israel oder anderswo auf der Welt.
Dass ich den Stimmlosen eine Stimme verleihen und nationale und internationale Geschichten vom Gesichtspunkt der sozialen Gerechtigkeit und der Menschenrechte erzählen möchte, sind auch die Gründe, wofür ich mit MintPress News begonnen habe. Ich hoffe, dass sich immer mehr Menschen um die Menschenrechte scharen werden, weil sie sich dessen bewusst werden, dass jedes einzige Leben wertvoll ist.
Denn schlussendlich geht es gar nicht wirklich um den Islam, sondern um einen Klassenkrieg, der von der globalen 1%-Elite finanziert wird. Wir sind nichts anderes als Menschen, die in einer in Nationen zerstückelten Welt um ein freies Leben kämpfen. Danke.
Übersetzt von Milena Rampoldi herausgegeben von Fausto Giudice
[i] Michele Marie Bachmann ist eine Politikerin der Republikanischen Partei und ehemalige Abgeordnete für den 6. Bezirk von Minnesota im Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten. Sie wird zum äußersten rechten Flügel ihrer Partei gezählt und steht der Tea-Party-Bewegung nahe. Sie tritt häufig bei Fox News als Interviewpartnerin und Kommentatorin auf. [Tlaxcalas Anm.]