Wir zeigen Gesicht, das wahre Gesicht Deutschlands: das freundliche, multikulturelle und aufgeschlossene Deutschland. Integration bedeutet nicht nur aufnehmen, tolerieren und akzeptieren, sondern vor allem auch eins: eine Begegnung auf Augenhöhe – Face to Face, für Flüchtlinge, mit Flüchtlingen.
So steht es im Event-Aufruf zum Willkommensfest für Flüchtlinge für die Bewohner des neuen Flüchtlingszentrums im Berliner Hohentwielsteig. Grund genug, um mit dem Initiator DJ, Compiler und Mitorganisator der größten Electro Swing- Partyreihe Europas ein Interview zu führen.
Ihr organisiert ein Willkommensfest am 25. Oktober zur Eröffnung eines neuen Flüchtlingsheims in Zehlendorf-Berlin. Was versprichst du dir davon und warum in Zehlendorf?
Wir wollen mit diesem Willkommensfest ein Zeichen setzen, dass Flüchtlinge bei uns willkommen sind und dass sie längerfristig bei uns bleiben werden. Es sind Menschen, die in Not zu uns kommen. Tatsächlich sind sie in erster Linie eine Bereicherung für uns. Wir finden es sehr wichtig, dass die Flüchtlinge mit den Anwohnern in Kontakt kommen, die Menschen im Kiez kennen lernen. Eine Gelegenheit, zwischenmenschliche Beziehungen herzustellen. Und die Musik schafft natürlich einen Rahmen und Möglichkeit des spontanen Austausches dazu. In Zehlendorf, weil wir hier wohnen. Ich habe das Heim eigentlich durch Zufall entdeckt, als ich mein Auto in die Werkstatt bringen musste. Im Gespräch mit der Security habe ich dann erfahren, dass dieses Heim Ende August eröffnet wird. Träger des Containerdorfs im Hohentwielsteig ist der Arbeiter-Samariter-Bund und geleitet wird die Unterkunft vor Ort von zwei Betreuern mit Migrationshintergrund, was ich sehr positiv finde. Auf unseren Vorschlag, ein Willkommensfest zu organisieren, hat man dort sehr offen reagiert. Es wurde aber auch sehr schnell klar, dass von Seiten der Heimleitung und des Trägers in der aktuellen Situation kaum freie Ressourcen zur Verfügung stehen, da alle aufgrund der Situation bis zum Anschlag beschäftigt sind. Der Träger übernahm die Anmeldung bei den Behörden und informierte auch rechtzeitig die Heimbewohner. Für den ganzen Rest haben meine Tochter Clara und ich sowie der Mittelhof e.V., den wir als Partner gewinnen konnten, die Verantwortung übernommen.
Was erwartet den Besucher an diesem Fest, was habt ihr vor?
Wir haben uns bewusst dazu entschieden, unsere Kultur zu zeigen. Clara hat aus ihrem Freundeskreis die junge Reggae-Balkan Ska Band Rabajah gewinnen können. Und ich mache ja regelmäßig Veranstaltungen im Bereich Swing und Electro-Swing; da haben wir ganz schnell Zusagen von anderen Bands erhalten (Django Lassi – Gypsy Swing, Cherif Hammiche, einem Meister der nordafrikanischen Maghreb- Percussion, Tin Pan Alley Steelband – Calypso + Caribbian Beats). Natürlich treten alle ohne Gage auf und der Ertrag des Festes wird dem Heim gespendet. Es gibt auch Workshops für Kinder (komplettes Programm hier), was uns ganz wichtig war. Wir wollen natürlich die Flüchtlinge miteinbeziehen: In dem Heim gibt es über 50 Kinder und Jugendliche.
Es geht ja nicht in erster Linie darum, eine tolle Party für die Anwohner zu organisieren, sondern diese vielbeschworene „Willkommenskultur“ zu leben. Was wünscht Ihr Euch von den Anwohnern?
Wir hoffen natürlich, dass die Leute die sich angesprochen fühlen, nicht deswegen kommen, weil in Berlin-Zehlendorf, einem der wohlständigsten Bezirke Berlins, endlich mal ein öffentliches Fest stattfindet. In den sieben Jahren, in denen wir hier leben, hat es mich schon immer gewurmt, dass es hier fast keine derartigen kulturellen Veranstaltungen gibt. Deshalb wollten wir die Gelegenheit auch nutzen, um zu zeigen, dass in kurzer Zeit ein schönes, buntes Fest auf die Beine gestellt werden kann, wenn alle mit anpacken. Und das soll nicht das letzte sein. Wir wollen Begegnung auch mit den Menschen hier. Sicher gibt es in Zehlendorf auch viel Kreativität und Spontanität. Gerade entsteht zum Beispiel ein gemeinsames Café mit Flüchtlingen und Anwohnern in der Villa Mittelhof, zudem auch die eine oder andere Patenschaft zwischen Flüchtlingen und Berlinern. Vielleicht findet sich jemand, der mit den Jungs Fußball spielt oder was auch immer. Das sind Dinge, denen wir einfach die Möglichkeit zum Entstehen geben wollen- durch die individuelle Begegnung während des Festes am 25. Oktober.
Was ist denn deine persönliche Motivation, warum machst du das?
Die Idee wurde am Familien-Frühstückstisch geboren und ich wurde vor allem vom Engagement meiner Tochter Clara Rößler angesteckt, die übrigens auch das Plakat mit viel Liebe gestaltet hat. Da ich sehr gut organisieren kann, haben Clara und ich uns gesagt: Das ist eine gute Sache, das machen wir jetzt. Die Stimmung wird täglicher ambivalenter in diesem Land und wir wollten eben nicht warten, bis der Frühling kommt, sondern jetzt ein Zeichen setzen – egal, was es für ein Wetter gibt an diesem 25. Oktober! Wir erleben eine große Hilfsbereitschaft. Menschen kommen auf uns zu und sagen, ich mach Fotos, ich koche was oder ich kann etwas Künstlerisches beitragen. Sogar eine Musikgruppe entstand durch Claras Ermutigungen während ihrer zahlreichen Besuche im Heim in den letzten Wochen. An der Stelle ein Danke an all diese Menschen.
Im Moment geht ja eine Welle der Solidarität durch die Bevölkerung in Deutschland. Die Bevölkerung hat eigentlich der Regierung gezeigt, wie man mit den Flüchtlingen umgehen sollte. So etwas hat es während dem Jugoslawienkrieg in den 90er nicht gegeben, wo fast so viele Flüchtlinge nach Europa und Deutschland gekommen sind. Wie wirkt dieses Phänomen auf dich?
Ich bin da auf die gleiche Sache gestoßen, dass es das ja schon mal gab und mir sind auch die Schlagzeilen von damals noch sehr gegenwärtig, über das Massaker von Srebrenica und so weiter. Ich glaube die Reaktion heute ist eher die, dass wir alle die Größenordnung und der globale Bezug von dem was hier passiert verstanden haben. Das ist eine gesellschaftliche Umwälzung und Europa kann sich dem einfach nicht mehr entziehen. Hier geht es nicht um ein Land, Ex-Jugoslawien sondern die Menschen kommen aus Afrika, Syrien, Irak, Pakistan, Bangladesch, … und das sich grundsätzlich jeder von uns positionieren muss und natürliche unsere Regierung sich dort vor Ort hinsetzten muss und nicht Waffen verkauft oder Uran-Minen eröffnet und schnell ein paar Soldaten hinschickt, wenn da ein paar „böse“ Männer mit Maschinengewehren rumlaufen, sondern, dass man mehr Gerechtigkeit walten lässt und wirklich Chancengleichheit schafft. Das ist jetzt bei vielen Leuten angekommen und das Problem ist jetzt einfach da. Es sickert durch wie durch ein Tuch und da kann ich noch ein Tuch drüber legen und noch eins, das kann man nicht mehr aufhalten. Da müssen ganz andere Entscheidungen getroffen werden und viele Menschen spüren das und das es nie mehr anders wird. Die Welt hat jetzt einen Schritt gemacht und das ist nicht nur negativ. Das ist eine Riesen Chance sowohl für Europa als auch für andere Völker, um hier als Menschheit eine andere Qualität zu bekommen.
Es gibt ja auch diese Befürchtung, dass Deutschland das nicht schafft, dass das Land an der Flüchtlingskrise zerbrechen könnte. Wir haben AfD, Pegida und Co., brennende Flüchtlingsheime. Auf der anderen Seite, was du sagst und was auch viele Menschen in diesem Land teilen, dass wir vor einer großen Chance stehen. Wie glaubst du denn, dass die Sache ausgehen wird?
Ich weiß es nicht, finde es aber sehr spannend und ich glaube einfach, dass wir alle sehr viel lernen müssen und werden. Dass mit Verdrängung, Hass und bösen Aktionen einfach nichts mehr zu erreichen ist. Mit Vernunft, Partnerschaft und endlich auf Augenhöhe muss etwas passiert zwischen uns und diesen sogenannten Länder „da unten“. Diese ganzen Probleme, die auch mit unserer Vergangenheit zu tun haben, die auf die Kolonialzeit zurückgehen und auf die brutale Ausbeutung, die bis heute andauert. Wir können etwas verändern und haben sehr viele Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen. Aber vor allen auch die Geschäftsleute, die mit den Regierungsdelegationen mitreisen und dort ihre Verträge unterschreiben. Die haben viele Möglichkeiten, ohne Gewalt anzusetzen mit ihrer Macht als Geschäftspartner Einfluss zu nehmen. Und dann muss man vielleicht auch seinen Gewinn für eine bessere Welt etwas minimieren.
Ich danke dir sehr für dieses Gespräch!
Face to Face Willkommensfest für Flüchtlinge
Sonntag 25. Oktober 2015 von 14 – 20 Uhr
Hohentwielsteig 30, 14136 Berlin Zehlendorf