Ein Interview mit dem Aktivisten des Aktivismus, wie ihn viele nennen, Dario Lo Scalzo, der auch als Dichter tätig ist. Wir haben uns mit ihm über Humanismus, Kosmopolitismus und den Weg hin zur Utopie des Friedens unterhalten. Die Utopie rückt immer weiter von uns weg, je mehr wir uns ihr nähern. Und gerade das versetzt uns in die Lage, uns dauernd auf den Weg zu begeben und aktiv und dynamisch zu bleiben.

Dario ist Journalist, Schriftsteller und Videomaker. Beruflich kommt er aus dem Bankwesen, dem Mikrokredit und der Betriebswirtschaftslehre. Seit Jahren setzt er sich vor allem mit Menschenrechten und Gewaltlosigkeit auseinander. Er hat bereits einige Entwicklungshilfeprojekte in Latein- und Südamerika ins Leben gerufen. Er hat für Terranauta und für Il Cambiamento (als Herausgeber und Gründer der Rubrik „Storie Invisibili“) geschrieben. Er hat auch mit anderen Zeitschriften (Girodivite, Left Avvenimenti, Il Clandestino con permesso di soggiorno) zusammengearbeitet. Im Moment ist er für die italienische Redaktion von Pressenza tätig.

Milena Rampoldi ProMosaik e.V.: Was bedeuten für dich Humanismus und Kosmopolitismus und wie lebst du sie, um sie in der Welt zu bezeugen?

Dario Lo Scalzo: Der Humanismus ist das Zeugnis des Wertes der menschlichen Würde. Er ist das Phantombild der Inklusion, es ist der Beginn der Veränderung der Menschheit. Alles was zählt, ist der Respekt, der vollkommene Respekt. Und deshalb muss der Humanismus nicht nur als die Fokussierung auf den Menschen, sondern auch auf alle Lebewesen und die Materie um uns verstanden werden. Den Kosmopolitismus verbinde ich mit dem Begriff der Mutter Erde, der in meiner Beziehung zur Welt und zur Existenz wesentlich ist. Wenn somit die Erde unsere Mutter ist und wir alle Kinder dieser Erde und daher nur Bewohner bzw. Gäste auf diesem Planeten sind, ist alles andere nur Konvention, Einschränkung und Bürokratie. Ich wage es keinen darüber zu belehren, wie man den Humanismus und den Kosmopolitismus leben kann. Denn einerseits glaube ich felsenfest an die Potentialität jedes Menschen und an die Kapazität, den eigenen existentiellen Weg zu gehen. Andererseits habe ich keine Anforderungen und auch keine besondere Bedingung, die mich dazu führen könnten, die anderen zu belehren, sie zu beraten oder zu führen. Ich kann nur darüber berichten, wie ich sie persönlich lebe. Und dies mache ich durch die dauernde und unermüdliche Entdeckung der Schönheit der Welt, einher mit viel positiver Energie und der Macht des Lächelns.

Man nennt dich einen Aktivisten des Aktivismus… Was bedeutet der Aktivismus für dich und welche sind die Hauptthemen, an die du glaubst und um die du dich bemühst?

Ein Aktivist des Aktivismus zu sein bedeutet für mich, aktiv und konkret zu sein. Man darf sich nicht auf das Wissen beschränken, sondern dieses umsetzen. Wir leben in einem besonderen Zeitalter, in dem es von Nöten ist, nicht bei den Worten zu bleiben, sondern tätig zu werden.

Ich folge dem Licht der Liebe zu den Lebewesen und der Umgebung; die Tätigkeiten, um die ich mich bemühe, sind die, die in dieses Bild passen. Im Besonderen setze ich mich mit Menschenrechten, dem sozialen Leben und der Solidarität, der Umwelt, dem Veganismus und der Gewaltlosigkeit auseinander, indem ich versuche, all dies schriftlich (in Form von Erzählungen, Gedichten Romanen, Musik, Szenografien, Journalismus) und visuell (Video, Reportage) zum Ausdruck zu bringen.

Erzähle mir von deiner Poesie, von der Bedeutung der Poesie und gib uns einige Beispiele von Themen, die du in deinen Gedichten verarbeitet hast.

Die Poesie ist der wahre, innere Freiheitsraum jeden Menschen. Die Poesie entspricht der Natur des Menschen und befindet sich im Innenleben des Menschen; manchmal ist sie ein Rettungsring, ein Fluchtweg, ein Rettungsanker oder eine irrationale Sicherheit. Sie schwebt zwischen Sein und Nicht-Sein. Über meine Gedichte kann ich dir Folgendes sagen: Manchmal lese ich sie nochmal und entdecke sie wie ein externer Leser, weil sie, wie ich schon sagte, wahrscheinlich die Stimme eines anderen Ich oder vieler Anderen ist. Während ich sie lese und in sie eindringe, entdecke ich, dass ich über Rechte, gesellschaftliche Themen, die Bedingungen des Seins, die Musik des Lebens und andere Aspekte gesprochen habe, die Sie selbst entdecken werden. In jedem Gedicht steckt ein Teil von uns selbst.

Wie kann man im persönlichen und gesellschaftlichen Leben die eigenen Ängste überwinden und den Weg hin zu inneren Frieden finden?

Eine schwierige Frage. Natürlich kann ich weder zauberhafte noch wissenschaftliche Lösungen anbieten. Die Angst gehört zum Wesen des Menschen. Sie ist fast allgegenwärtig in uns wie der Atem, und andererseits ist der innere Friede vielleicht ein zu subjektiver Begriff, um im irdischen Leben universelle Wege anzugeben. Persönlich finde ich wesentliche Unterstützung in der Dankbarkeit und bedingungslosen Liebe. Ich habe das Bewusstsein der Dankbarkeit in seiner Tiefe erlangt; eine einfache Tiefe, die darauf zurückzuführen ist, dass wir davon ausgehen, dass wir leben, das Recht und das Glück haben zu leben, Tag für Tag die Augen auf die Welt zu öffnen, um sein Wesen und seine Schönheit einzuatmen. Schritt für Schritt habe ich gelernt, die verschiedenen Formen der Angst zu überwinden, die uns an die von der Gesellschaft errichteten Überbauten fesseln. Daraufhin habe ich die Dankbarkeit mit dem Sinn für die Liebe, die heilende Liebe mit ihren Nuancen der Aufmerksamkeit (in Form der Hinwendung zu den Anderen) und der Farben der Gewaltlosigkeit verbunden. Die Ängste sind auch die Folge einer meines Erachtens falschen Anschauung des Todes, der für mich die größte und perfekteste Handlung des Lebens darstellt. Dies heißt natürlich nicht, dass ich alle Ängste überwunden habe und mich immer in einem Zustand des inneren Friedens befinde, aber meine derzeitige Persönlichkeit ist das Ergebnis eines langen und harten Weges und unterstützt mich dabei, eine gewisse Gemütsruhe und existentielle Intuition zu erlangen.

Mach uns drei Beispiele von dem, was sich in Italien dringend ändern muss.

Erstens würde ich sagen, dass die Leute öfters den Fernseher ausmachen sollten, um in der Natur, den Wäldern, Parks, Bergen, auf den Hügeln und Stränden spazieren zu gehen; im Wesentlichen um die Schönheit neu zu erlernen und die Augen zum Himmel, den Sternen und dem Mond zu erheben. Man bräuchte nur das zu verewigen, um das Land und seinen Inhalt zu verändern; es ist ganz einfach und wirkungsvoll. Nehmt euch die Zeit, um mit frischem Kopf darüber nachzudenken und versucht euch vorzustellen, was dieses „Abschalten“ auf lange Sicht bedeuten würde. Denkt mal nach, wie viele erkenntnisreiche Italiener mehr es dann geben würde. Zweitens würde ich für ein Informationssystem plädieren, das wirklich informiert, anstatt die Köpfe zu lobotomisieren. Die wahre Information ist wesentlich für das Wachstum und die Entwicklung eines Landes. Das, was wir heute als Volk und moderne Generation sind, ist das Ergebnis der Information, die wir erhalten haben und erhalten. Darüber solltet ihr nachdenken. Daher würden die Gewährleistung und Ermöglichung einer freien und von den Lobbys und verschiedenen Interessensgruppen unabhängigen Information die Tore für neue Paradigmen und neue Sensibilitäten sei es im Bereich der Zivilgesellschaft als auch im Rahmen der politischen und der Führungsklasse öffnen. Drittens würde ich leistungsorientierter bewerten und gleichzeitig Chancengleichheit und Gleichberechtigung für alle schaffen und in die soziale Inklusion investieren.

Es gibt ein Italien 2.0, das sich verändert, das dauernd positive, konkrete Situationen erschafft, die unabhängige und parallele, alternative Lebensweisen gestalten. Es gibt ein vielleicht unbequemes Italien, das von den Mainstream-Medien offensichtlich vernachlässig wird, still und geduldig wächst und Genialität und gemeinschaftliche Initiative sät, die gegen den Strom des restlichen Landes schwimmt. Es gibt dieses Italien, das zu einer kritischen Masse heranwächst und eine alternative Weltkultur aufbaut. Und am Ende gibt es immer noch zwei große Pfeiler, auf denen sich Italien seit Jahrzehnten stützt und die die einzigen Garanten des Rechtsstaates sind: Vereinsleben und Freiwilligenarbeit.

Was bedeutet für dich NEIN zur NATO, NEIN zum KRIEG? Warum zahlt es sich aus, dass kleine Leute wie wir gegen die Weltmächte kämpfen?

Es bedeutet für mich zum ersten, jegliche Form von Gewalt, Unterdrückung, Invasion und Aggression von Menschen, Lebewesen und der Umwelt abzulehnen. Der Mensch ist das wildeste Tier des Planeten. Er ist der einzige, der bewusst und unbegründet seine Mitmenschen tötet. Dies bedeutet konkret, sich den wahnsinnigen und unkontrollierten Verteidigungskosten zu widersetzen, mit denen man der Bevölkerung Sparpläne aufdrängt und das Gesellschaftsleben verschandelt. Des Weiteren heißt dies auch, sich zu wehren, ohne die aktuellen Zustände einfach hinzunehmen. Es bedeutet, nicht zu den Teilnahmslosen oder Skeptikern zu gehören, die sich über die anderen beklagen und in den besten Fällen an andere delegieren oder die eigene intellektuelle Kompetenz auf das Abstellgleis stellen.

Seit Jahren bin ich nun der Überzeugung, dass viele kleine Leute auf lange Sicht Einfluss auf die Makro-Ebene nehmen können. In Kürze werden viele kleine Handlungen langsam und Schritt für Schritt das System oder das gesellschaftliche Modell verändern. Vielleicht werden wir das nie erleben, aber es zahlt sich aus, dabei zu sein. Ich bin überzeugt, dass ich daraus die Berufung meines Lebens gemacht habe. Meiner Ansicht nach sind die stillen, verdunkelten und vernachlässigten Kämpfe der Minderheiten wichtig, um ein neues Bewusstsein aufzubauen, um zu informieren, um neue Identitäten und Sensibilitäten zu entwickeln. Man muss daran glauben und weitermachen, indem man positive energetische Vibrationen verbreitet, um neue Olivenbäume zu säen.

Vielleicht wiederhole ich mich, aber die Utopie von Eduardo Galeano ist ein Gedanke, den ich oft lese und dem ich sehr dankbar bin:

„Die Utopie ist am Horizont. Ich nähere mich ihr um zwei Schritte und sie entfernt sich um zwei Schritte. Ich lege zehn Schritte zurück, und der Horizont verlegt sich um zehn Schritte. Aber wie lange ich auch gehe, ich erreiche sie nie. Was nutzt mir dann diese Utopie? Sie unterstützt mich dabei, weiterzugehen.” (Eduardo Galeano)

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