von Kamal Sido, dem Nahost-Experten der Gesellschaft für bedrohte Völker
Kurz vor Beginn der internationalen UN-Konferenz zum Schutz der vom „Islamischen Staat“ (IS) verfolgten Minderheiten im Nahen Osten hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) an den französischen Außenminister Laurent Fabius und seine europäischen Amtskollegen appelliert, alles dafür zu tun, die Finanzierung der Terrororganisation durch Behörden, Organisationen oder Privatpersonen aus Ländern wie Katar, Saudi-Arabien oder der Türkei endlich zu beenden. „Europa darf es nicht länger stillschweigend hinnehmen, dass ungehindert Gelder an die Terrormiliz fließen, die Millionen von Menschen auf grausamste Weise verfolgt, vertreibt, vergewaltigt und ermordet“, erklärte der GfbV-Nahostreferent, Kamal Sido, am Montag in Göttingen. Die UN-Konferenz, an der Vertreter von 60 Staaten teilnehmen werden, hat der französische Außenminister angeregt. Sie soll am morgigen Dienstag in Paris stattfinden.
„Allerspätestens seit dem Völkermord an den Yeziden und Christen im Nordwesten des Irak im Sommer 2014 hätte der Geldhahn für die Radikalislamisten konsequent und wirksam zugedreht werden müssen“, hieß es in dem Appell der GfbV. „Doch statt die Türkei, Saudi-Arabien und Katar dazu zu drängen, den Geldfluss zu kappen, kam es mit den Regierungen dieser Länder zu einem jahrelangen Tauziehen über die mögliche Bildung einer militärischen Allianz gegen den IS.“
Der IS finanziert sich über Spenden sehr vermögender Privatleute, religiöser Stiftungen und Moscheevereine vor allem aus verschiedenen Golfstaaten, der Türkei, aber auch aus Europa, Amerika und Australien. Auch der Verkauf des Rohöls aus den Erdölfeldern in eroberten Gebieten Syriens und des Irak bringt den Terrormilizen nicht gering zu schätzende Einnahmen. Das Erdöl soll über die Türkei auch auf internationalen Märkten angeboten werden. Der Handel mit antiken Fundstücken aus
Raubgrabungen wie im syrischen Palmyra und im irakischen Mossul oder aus Museen ist ebenfalls sehr lukrativ. Ferner werden staatliche Banken geplündert. Hinzu kommen Zölle und Steuern, die im Herrschaftsgebiet des IS eingetrieben werden.
Seit mindestens zwei Jahren werden Angehörige der ethnischen und religiösen Minderheiten wie der Kurden, Yeziden, Assyrer/Chaldäer/Aramäer, Shabak, Armenier, Mandäer, Ismailiten, Kopten,
Alawiten, aber auch schiitische und sunnitische Muslime vom IS aus ihren Gebieten regelrecht verjagt. Im Sommer 2014 wurden Yeziden und Christen von der islamistischen Terrormiliz massenweise kaltblütig ermordet, ihre Frauen und Mädchen verschleppt, vergewaltigt und zwangsverheiratet. Zu Hunderttausenden leben die vertriebenen Yeziden, Christen, Shabak und Kurden immer noch in provisorisch errichteten Flüchtlingslagern.