Wachsender Ressourcenverbrauch und CO2-Ausstoss sprengen das Jahresbudget der Erde früher als je zuvor
(OAKLAND, USA) — 13. AUGUST 2015 — In weniger als acht Monaten hat die Menschheit das gesamte Naturbudget des Jahres aufgebraucht. Das bedeutet, dass der ökologische Fußabdruck der Menschheit (oder kurz „Footprint“) die Kapazität der Erde um über 60 Prozent übersteigt.
Der Footprint ist jene Fläche, die notwendig ist, um alle verbrauchten Ressourcen zu erneuern und alle Abfallstoffe wie CO2 aufzunehmen. Der „Carbon Footprint“, also der CO2-Ausstoß, der beim Verbrennen von fossiler Energie anfällt, macht dabei mehr als die Hälfte des gesamten Footprints aus. Diese Analyse stammt von Global Footprint Network, einer internationalen Nachhaltigkeitsorganisation mit Büros in Europa, Asien, und Nordamerika.
Global Footprint Network vergleicht den Ressourcenverbrauch der Menschheit (ökologischer Fußabdruck oder Footprint) mit der Fähigkeit der Natur, diese Nachfrage zu decken (Biokapazität). Der Earth Overshoot Day, auch „Welterschöpfungstag“ oder „Erdüberlastungstag“ genannt, ist der Tag im Jahr, ab dem wir aus ökologischer Sicht über unsere Verhältnisse leben.
Das Datum des Earth Overshoot Days fiel im Jahr 2000 noch auf Anfang Oktober, und ist seither jedes Jahr früher: Von Jahr zu Jahr leben wir also immer früher über unsere Verhältnisse. Es ist möglich, mehr zu nutzen, als die Erde erneuern kann: der Mehrverbrauch kommt vom systematischen Abbau des Naturkapitals. Das ist so, als ob jemand mehr Geld ausgibt, als er verdient, und damit sein Erspartes aufbraucht.
Mehr CO2 in der Atmosphäre, Süßwassermangel, Artensterben.
Die dabei anfallenden „Schulden“ dieser ökologischen Budgetüberschreitung zeigen sich immer deutlicher in Form von Entwaldung, Dürrekatastrophen, Süßwassermangel, Bodenerosion, Artensterben, sowie der Akkumulation von Treibhausgasen in der Atmosphäre. Diese Akkumulation wird die vorhergenannten Auswirkungen noch verstärken, sollten aktuelle Klimamodelle richtig liegen. Folglich werden Entscheidungsträger, die diese ökologische Realität in ihrer Politikgestaltung berücksichtigen, bessere Möglichkeiten haben, die langfristige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ihres Landes abzusichern.
„Allein der Ausstoß an Kohlendioxid hat sich zwischen 1961 und 1973, dem Jahr, als die Erde zum ersten Mal ein ökologisches Defizit zu verzeichnen hatte, mehr als verdoppelt. Der CO2-Ausstoß bleibt die am schnellsten wachsende Komponente, die die Kluft zwischen dem Footprint und der Biokapazität des Planeten vergrößert“, so Mathis Wackernagel, Präsident des Global Footprint Network und Mit-Schöpfer des Ökologischen Fußabdrucks. „Der Ausstieg aus der fossilen Energie, wie er momentan weltweit in Vorbereitung für den Klimagipfel in Paris diskutiert wird, kann den Footprint der Menschheit wieder auf eine gesunde Größe reduzieren.“
Der Kohlendioxidausstoß ist untrennbar mit den anderen Komponenten des Footprints verknüpft. Diese Komponenten sind produktive Landflächen wie Felder, Wälder oder Wiesen. Die Nachfrage aller Footprintkomponenten steht im Wettbewerb um produktive Flächen: Da immer mehr Fläche zur Lebensmittel- und Holzproduktion genutzt wird, steht weniger produktive Fläche zur Absorption von CO2 zur Verfügung, das bei der Verbrennung von fossiler Energie freigesetzt wird. Damit sammelt sich immer mehr Kohlendioxid in der Atmosphäre an, anstatt vollständig absorbiert zu werden.
Eine zweite Chance.
Das Klimaabkommen, das auf der 21. UN-Weltklimakonferenz im Dezember dieses Jahres verhandelt wird, soll die globale Erwärmung auf höchstens zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau beschränken. Gemäß den Empfehlungen des Internationalen UN-Weltklimarates IPCC müsste dies bis zum Jahr 2070 den Ausstieg aus der fossilen Energie nach sich ziehen.
Angenommen, der weltweite Kohlendioxidausstoß wird bis 2030 – im Einklang mit dem vom IPCC vorgeschlagenen Szenario – um mindestens 30 Prozent unter das heutige Niveau reduziert: Dann würde laut Global Footprint Network der Earth Overshoot Day im Jahr 2030 immer noch auf den 16. September fallen (vorausgesetzt, der Rest des Footprints wächst nicht schneller als in den letzten Jahrzehnten). Der Planet Erde erhielte so jedoch eine zweite Chance.
Es ist möglich: Dänemark hat seine Emissionen um 33% verringert.
Dass dies nicht unmöglich ist zeigt Dänemark. Dieses Land hat seine Emissionen seit den 1990er-Jahren um 33 Prozent verringert. Hätten alle Länder der Welt genau das Gleiche getan (und wären alle anderen Komponenten des Footprints gleich geblieben), dann würde der Earth Overshoot Day dieses Jahr auf den 3. Oktober fallen.
Trotzdem hat Dänemark nach wie vor keinen nachhaltigen Footprint: Die Menscheit würde die Ressourcen von fast 3 Planeten benötigen, wenn jeder so leben würde wie die Bewohner Dänemarks. In einer solchen Welt würde der Earth Overshoot Day sogar auf den 8. Mai fallen.
Wenn wir so weiterleben, braucht die Menschheit 2030 zwei Planeten.
Was aber würde es bedeuten, so fortzufahren wie bisher? Schätzungen ergeben, dass wir im Jahr 2030 doppelt so viel von der Natur brauchen, wie der Planet erneuern kann. Das wäre so, als ob wir die Kapazität von zwei Erden nutzen würden. Wir würden also das Doppelte der „Naturzinsen“ unserer Erde brauchen und zehrten daher unweigerlich an der Substanz. Der Earth Overshoot Day wäre dann Ende Juni.
Diese Berechnung geht davon aus, dass sich Biokapazität, Bevölkerungswachstum und Konsumtrends ähnlich wie in den letzten Jahrzehnten entwickeln. Eine derartige Übernutzung unserer Erde kann längerfristig nicht aufrechterhalten werden. Sie führt zu Langzeitschäden, die die Biokapazität der Erde dezimieren und damit auch wirtschaftliche Folgen hat.
Kritische Schwelle.
„Wir sind ermutigt von den jüngsten Entwicklungen im Bereich der erneuerbaren Energien, die weltweit immer schneller stattfinden, sowie durch das wachsende Bewusstsein der Finanzindustrie, dass eine kohlendioxidarme Wirtschaft der Weg in die Zukunft ist“, sagt Wackernagel. „Darüber hinaus können wir nicht genug betonen, von welch entscheidender Bedeutung die Verringerung des Kohlendioxidausstoßes ist. Das ist der Fokus der Länder für das Treffen in Paris. Wir alle wissen, dass unser Klima davon abhängt. Aber das ist noch nicht alles: Ich hoffe, die Regierungen erkennen, dass eine Reduktion der CO2-Emissionen und des Ressourcenverbrauchs nicht nur gut für die Welt sind, sondern dass das zunehmend eine wirtschaftliche Notwendigkeit werden wird. Nachhaltigkeit erfordert, dass zwar jeder gut lebt, doch innerhalb dessen, was unser Planet zur Verfügung stellen kann. Dies kann nur geschehen, wenn unser ökologischer Fußabdruck innerhalb des Ressourcenhaushaltes unseres Planeten bleibt.“
Weitere Informationen:
Mehr zum Thema Earth Overshoot Day: www.overshootday.org
Twitter: #overshoot
Hier kann der persönliche Fußabdruck berechnet werden. Der Rechner zeigt auch Möglichkeiten, wie der Footprint reduziert werden kann: http://www.footprintnetwork.org/calculator
Kostenlose Daten zum Footprint und zur Biokapazität von 182 Ländern:
www.footprintnetwork.org/public2015
Hintergrundinformationen zu Global Footprint Network:
Global Footprint Network ist eine internationale Forschungsorganisation, die daran arbeitet, nachhaltige politische Entscheidungen in einer Welt mit begrenzten Ressourcen voranzutreiben. Gemeinsam mit Partnerinstitutionen koordiniert Global Footprint Network die Forschung rund um den ökologischen Fußabdruck, entwickelt methodologische Standards und bietet Entscheidungsträgern ein Portfolio von Instrumenten an. All das soll helfen, Wege zu finden, wie die Wirtschaft innerhalb der ökologischen Grenzen der Erde betrieben werden kann. www.footprintnetwork.org/de