Der Vorsitzende der Marktaufsichtsbehörde Ecuadors, Pedro Páez, berichtet über seine Arbeit als Leiter dieser Institution und über deren Ziele, Prioritäten und Perspektiven im Hinblick auf Veränderungen.
Welchen Sinn macht ein Marktkontrollgesetz in diesem Land und wie kann die Aufsichtsbehörde überprüfen, ob ein solches Gesetz eingehalten wird?
Pedro Páez: In Wirklichkeit gehört dieses Gesetz zu einer Tradition an Wirtschaftsbehörden, von denen es 132 Behörden weltweit gibt. Hier in Ecuador hat man ein solches Gesetz erst nach mehreren Versuchen verabschieden können, weil gewisse Kräfte sich gegen dieses Gesetz gestellt haben. Sogar der ehemalige Vizepräsident Pedro Pinto, hat zu Zeiten der Gustavo Noboa Regierung den damaligen Präsidenten aufgefordert gegen ein solches Gesetz sein Veto einzulegen.
Als das Gesetz im Jahr 2011 verabschiedet wurde, haben drei namhafte Vertreter der Unternehmerverbände unabhängig voneinander Klage wegen Verfassungswidrigkeit eingereicht. Das taten sie bereits, bevor die Aufsichtsbehörde im September 2012 überhaupt gegründet worden war. Dies zeigt deutlich wie rückständig hier bestimmte Unternehmerschichten sind und führt uns dazu objektiv auszuwerten, was zu tun ist. In den Vereinigten Staaten von Amerika, in denen es seit Ende des 19. Jahrhunderts ein sehr viel machtvolleres Antimonopol-Gesetz gibt, als das in Ecuador, wird niemand deswegen als Kommunist bezeichnet. Hier legt man es so aus, als richte sich das Gesetz gegen die freie Marktwirtschaft, als sei es unternehmerfeindlich.
Warum reagieren die ecuadorianischen Unternehmer so?
Hier gibt es seit 500 Jahren eine riesige Konzentration wirtschaftlicher und politischer Macht. Eine vorkapitalistische Form, die vom Monopol über Ländereien herrührt, denn dies war das Hauptproduktionsmittel. Einhergehend mit dem Monopol auf den Welthandel, und den Zwischenhandel für den internen Markt und den Import/Export wurde die Produktion und die Verteilung des Reichtums grundlegend kontrolliert. Diese Konzentration findet sich auch bei den Banken und in der Industrialisierung wieder. Das hat mit der Reproduktion der Abhängigkeitsbedingungen zu tun, dem Ausgrenzen, Monopolisieren und dem internem Kolonialismus. Im Kern dieses Problems befindet sich etwas, das von den Gesellschaftswissenschaften noch kaum bearbeitet wurde, auch nicht von der Linken, der Unterschied zwischen einem unterentwickelten Kapitalismus und einem entwickelten Kapitalismus. Es ist unabdingbar, bei diesen zwei Kapitalismusformen innere Dynamiken zu differenzieren.
Im unterentwickelten Kapitalismus herrschen die Strategien der Rentenökonomie vor. Die Mehrheit der Unternehmen versucht die Preise in die Höhe zu treiben, sogar in Situationen in denen, wie in Ecuador, die Leute jetzt eine höhere Kaufkraft besitzen. Aber hier in Ecuador bedeutet das nicht mehr Produktion, sondern einen Anstieg an Importwaren und der Preise. Die Unternehmen erhöhen die Preise, verkaufen weniger, also wird weniger produziert, es gibt weniger Arbeit, weniger Möglichkeiten für andere Unternehmen.
Das ist der Kern dieser Rückständigkeit an Taktiken, die im Zeitalter der technologischen Neuerung nicht zu halten sind, nicht einmal bei effizienten Geschäftsführungsmodellen. Hier liegt die Trägheit der herrschenden Positionen des Marktes, die zu Geldregen führt. Hier muss man „mit dem Ellenbogen“ vorgehen, jedwede Kompetenzen entziehen oder die öffentliche Politik dazu bringen aus dieser Konzentration an Reichtum Nutzen zu ziehen.
Das heißt die Gewinnspanne ergibt sich nicht aus einer Markterweiterung. Dieses Verhalten, hat im Fall von Ecuador im Besonderen dazu geführt alle destruktiven Pole des Marktes zu verstärken: Ansammeln, Ausschließen, Ausgrenzen.
Wie sieht der Beitrag einer markkontrollierenden Aufsichtsbehörde aus?
Das fängt schon beim Namen an, der mit einer alten und falschen Dichotomie bricht, in der die einen für den Staat und die anderen für den Markt sind. Aber die Geschichte zeigt immer wieder auf, dass der Staat und der Markt ein und demselben Herren dienen. Ecuador hat sich daran gemacht Staat und Markt zu verändern. Aber man muss nicht nur diese beiden verändern, sondern auch die Leute, ihnen Macht geben, damit sie eine Bürgerschaft aufbauen. Das ist die Priorität, die dieser Aufsichtsbehörde ihren Rahmen gibt. Unsere Anstrengungen gehen dahin den Bürgern Macht zu geben, denn wir sind Menschen und wir wollen mehr Würde, mehr Verantwortung, uns besser organisieren, bewusster sein. Das ist eine große Herausforderung. denn es setzt dem paternalistischen Staat ein Ende, was ja auch eine Vision der Linken war. Die wirkliche Priorität liegt darin die Mikrophysik der Macht im Sinne von Foucault in den täglichen Transaktionen zu verändern. Es geht um eine andere Verteilung der Macht, bei der die Macht der Bürger die Veränderungen angibt.
Gibt es bereits konkrete Ergebnisse?
Ja die gibt es. Wir haben erreicht den Verkauf von abgelaufenen Produkten komplett abzuschaffen, denn das birgt einem versteckten historischen Rassismus unserer Kultur. Denn die Supermärkte der reicheren Stadtviertel haben die kurz vor dem Verfallsdarum stehenden Produkte in die ärmeren Stadtviertel geschickt, je eher sie ablaufen würden, in desto abgelegener Gegenden wurden sie verschickt. Diese heterarchischen und hierarchischen Vorgänge sind Alltag in sehr vielen Bereichen. Das passiert mit Lebensmitteln, im Gesundheitswesen, z.B..
Diese Maßnahme zeigt an wie der Staat in Zukunft eingreifen wird und es zeigt auch, dass die Bürger es in der Hand haben dieses oder ein anderes ähnliches Phänomen zu stoppen. Wir haben klar gemacht, dass es nicht immer nur der Staat ist der Missbrauch kontrollieren kann. Wenn die Leute sich organisieren, dann ändern sich die Praktiken der großen Unternehmen. Ein anderes Beispiel sind die Verbraucher Komites, die es schaffen, die Spekulationsspirale zu stoppen, die im März anlässlich der Zollerhöhung (auf gewisse Produkte, die auch auf dem einheimischen Markt produziert werden) losgetreten worden war. Hier wurden nicht nur verfälscht hohe Gewinne erzielt, das Ganze hatte auch eine destabilisierende Wirkung, die wir dann aufdecken konnten. Aber den Bürgern ist es noch nicht möglich eine wachsame Haltung aufrecht zu erhalten. Hier hängt alles von der Rolle und der Mitverantwortlichkeit der Leute ab..
Welche Schwierigkeiten haben sie in diesem Prozess der Machtübergabe an die Leute angetroffen?
Viele und schwerwiegende. Wir sprechen hier von über 500 Jahren Ausbeutung und die Leute denken das ist normal. Nicht nur die Konsumenten, sondern auch die Unternehmer. Wenn die Leute einmal anfangen sich zu fragen, warum sie Ausbeutung oder Betrug aushalten sollen, dann beschweren sie sich, fordern aber nichts. Warum? Weil es eine allgemeine Stimmung der Angst vor Repressalien der großen Unternehmen gibt. Sogar die großen Unternehmen des Landes haben Angst vor den Vergeltungsschlägen der Internationalen Firmen. Eine allgemeine Stimmung der Angst ist unvereinbar mit der Demokratie, mit einem Rechtsstatt, mit dem Rechtsstaat und der Justiz, die unsere Verfassung in Kraft setzt und auch nicht mit der Entwicklung des Kapitalismus selbst. Wir machen uns bezügliche einer perfekte Marktwirtschaft nichts vor, als Allheilmittel all unserer Probleme, aber trotzdem muss man die Hintergründe besser analysieren und es besser beschreiben. Ein Teil von dem was wir vorhaben ist zu zeigen, dass es möglich ist eine Reihe von existierenden Fesseln zu sprengen. Ein Schlüsselpunkt die Frage, wie sich alle Kreisläufe einer sozialen und solidarischen Wirtschaft in die Mechanismen und Abläufe der Wirtschaft integrieren lässt. Dafür ist es notwendig Kapazitäten auf allen Gebieten zu schaffen.
All diese Aktionen zielen auf eine Dekonzentrieren und eine Umverteilung des Reichtums ab?
Für uns ist der der wichtigste Punkt zu sehen wo man Räume und Kanäle der Teilnahme öffnen kann, damit die Sektoren, die nie teilgenommen haben real etwas beitragen könne. Wir haben im ganzen Land über 720 Workshops gemacht, in denen wir in den einzelnen Provinzen, direkt in den Produktionszentren mit den jeweils Beteiligten geredet haben. Es gab auch 50 internationale Workshops mit der Teilnahme aus allen Bereichen.
Wir müssen die Tore für einen Prozess des Dialogs öffnen, der Auswirkungen auf die öffentliche Politik haben wird. Wir haben ein Handbuch für einen guten Umgang mit Produkten für die Supermärkte ausgearbeitet. Es geht darum eine gesunde Konkurrenz aufrecht zu erhalten, bei der die kleinen und die mittleren Betriebe überleben können. Ein solches Handbuch gibt es auch für die Pharmazieunternehmen, darin sind minimale Spielregeln festgelegt, um dieses schwere Ungleichgewicht zu vermeiden, das verhindert das es mehr Anbieter und Nischen auf dem Markt gibt und dazu führen soll das alle Standards erfüllt werden.
Für die Aufsichtsbehörde ist die Priorität eine soziale und solidarische Marktwirtschaft, die differenziert, vielfältig und vernünftig ist. Das ist ein sehr schwieriger Veränderungsprozess. Es geht auch darum Rechte und Verantwortungen klar zu lassen und die Kultur des Konsumenten und des Unternehmers zu verändern. Es gibt Leute die halten mit allen Mitteln an der Vergangenheit fest und beabsichtigen außerdem die Demokratie zu destabilisieren.
Eine kürzliche Studie hat gezeigt, dass es im Gesundheitswesen eine große Konzentration und ein Monopol der Pharmaunternehmen gibt. Was denken sie diesbezüglich zu tun?
An der Regierung zu sein, heißt nicht gleichzeitig an der Macht zu sein. Die Macht liegt weiterhin bei denen die ein Monopol auf die Produktionsmittel haben. Auch wenn in den letzten Jahren viele Anstrengungen gemacht wurden, liegt die Produktion von medizinischen Hilfsmittel auf nationaler Ebene brach und die Preise werden weiterhin von den gleichen diktiert. Hier wird Handel mit den Schmerzen der Leute getrieben, das ist ein Thema in dem ein sehr empfindliches Gleichgewicht herrscht. Hier braucht man eine strategische Perspektive, die von vielen ausgeführt wird, auf diesem Gebiet, wie auch auf allen Gebieten, auch bei den Nahrungsmitteln z.B.
Ist ein internationaler Kongress zum Thema Gesundheitswesen vorgesehen? Was wäre das Ziel?
Ziel wäre neue Bedingungen für das soziale Netzwerk zu schaffen. Ein offener Dialog zwischen den verschiedenen Beteiligten im Gesundheitswesen. Man muss Kontrollpunkte für die Bürger aus einer technischeren Perspektive heraus schaffen. All das verändert das Kräfteverhältnis. Außerdem versuchen wir die gesetzlichen Bedingungen für den öffentlichen Verkauf zu ändern.
Was ist somit unabdingbar?
Wir müssen an Akteuren auf allen Ebenen wachsen. Wir müssen Alternativen schaffen, damit man nicht mehr weiter erpresst werden kann, strategische Alternativen, die der alten Allianz aus Oligarchie und Imperium, die unser Land in die Rückständigkeit und die Abhängigkeit geführt hat, etwas entgegen setzen können. Der Reichtum an politischen Erfahrungen und Initiativen, der aus diesem Prozess des Aufbau einer engagierten Bürgerschaft entstehen kann, ist sehr wichtig und alles durchdringend. Dies ist sehr wichtig für Lateinamerika, damit diese Debatte erweitert werden kann, welche bisher auf die Diskussion mit dem Staat sowie auf die Forderungen gegenüber dem Staat beschränkt war. Noch haben wir uns keine Gedanken darüber gemacht, was der Bürger in seinen alltäglichen Beziehungen tun kann. Wir haben noch viel zu tun.
Schlussbemerkung: Die marktkontrollierende Aufsichtsbehörde hat intensiv an verschiedenen Medienprozessen gearbeitet, angefangen mit der Fernsehserie Ciudad Quinde und aktuell mit der Produktion eines Radioprograms mit Berichten, Fällen, Situationen, Vorschlägen von Bürgern durch die 1600 Verbraucherkomitees, die es schon im Land gibt. Der Einsatz für einen kollektiven Kommunikationsprozess ist maßgeblich mit der Stärkung der Zivilgesellschaft verbunden, welcher einen Schwerpunkt der Aufsichtsbehörde darstellt.
Übersetzung aus dem Spanischen von Marita Simon