Kurz vor dem Jahrestag der Eroberung von Mossul durch den Islamischen Staat im Nordirak am morgigen Mittwoch (10. Juni), den die Terrormiliz mit der Umwandlung der syrisch-orthodoxen Ephräm-Kirche in eine Moschee begehen will, haben die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) und die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) dazu aufgerufen, verfolgten religiösen Minderheiten im Nahen Osten viel aktiver als bisher beizustehen. Unter der Überschrift „Dem Völkermord an Yeziden und orientalischen Christen nicht tatenlos zusehen“ wurde der gemeinsame Appell der beiden Menschenrechtsorganisationen am Wochenende in Stuttgart vom 35. Deutschen Evangelischen Kirchentag als Resolution angenommen.
Die Unterstützer „fordern die Anhänger aller friedliebenden Religionen und Überzeugungen auf, sich einzumischen und Politiker im In- und Ausland zum Handeln zu drängen, um die Not der Flüchtlinge und Vertriebenen, aber auch der vor Ort eingekesselten Zivilbevölkerung in den kurdischen und christlichen Regionen Nordsyriens zu lindern“. Als konkrete Maßnahme wird ein international kontrollierter Korridor für Hilfsgüter und Flüchtlinge nach Nordsyrien gefordert, aber auch die Aufklärung des Schicksals von 200 aus acht assyrischen Dörfern verschleppten Christinnen und Christen und der 2013 bei Aleppo entführten Bischöfe Mor Gregorius Yoanna Ibrahim und Boulos Yazigi, sowie Wiederaufbauhilfe für die gehaltenen und befreiten Gebiete.
Ursprünglich hatten Verantwortliche des Kirchentags versucht, das Thema Christenverfolgung und den Völkermord an den Yeziden aus dem Kirchentagsprogramm herauszuhalten, weil andernfalls Spannungen mit Muslimen befürchtet wurden. Zuletzt wurde durch eine Gegenrede aus dem Kirchentagsteam unmittelbar vor der Abstimmung über die Resolution deutlich, dass hier eine große Besorgnis bestand. Die Menschenrechtler und die Mehrheit im Saal hielten solche Befürchtungen gegenüber Muslimen jedoch für unbegründet. Die GfbV setzt sich seit ihrer Entstehung auch für verfolgte muslimische Minderheiten weltweit ein. Zurzeit läuft eine GfbV-Kampagne zum Schutz der muslimischen Rohingya aus Burma. Eine aktuelle Sonderausgabe ihrer Zeitschrift pogrom – bedrohte Völker mit dem Titel: „Europas muslimische Völker: Das unbekannte Gesicht unseres Kontinents“ ist der Lage der muslimischen Minderheiten gewidmet.
Nach der Annahme durch den Kirchentag wird dessen Leitung die Resolution den darin benannten Adressaten zustellen, darunter S.E. Hüseyin Avni Karslioglu, Botschafter der Türkei in Berlin, sowie Vertreter der Bundesregierung und sowohl christlicher als auch islamischer Religionsgemeinschaften.