„Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz“ (Art. 8 EMRK) „
In Österreich soll ein neues Staatsschutzgesetz verabschiedet werden, natürlich vor der Sommerpause. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) hat somit bald die Befugnisse eines Nachrichtendienstes (der BVT ist eigentlich eine Polizeibehörde). Neben dem BVT bekommen auch alle 9 Landesämter für Verfassungsschutz dieselben Befugnisse. Jeder Landeshauptmann hat also bald seinen eigenen Geheimdienst.
Das Staatsschutzgesetz bedeutet, dass das BVT in Zukunft auf Daten von allen Behörden und Firmen zugreifen kann, um „potentielle Gefahren“ abzuwenden. Der BVT kann bloß auf Verdacht auf alle Daten zugreifen und das ohne Richter oder Staatsanwalt. Die Daten werden dabei fünf Jahre lang gespeichert. Mit anderen Worten, die Grundrechte werden ausgehebelt.
Inzwischen mehren sich die Gegner dieses Staatsschutzgesetzes. Es finden sich immer mehr Unterstützer der Petition gegen das neue Staatsschutzgesetz. Unter anderem das Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte, die Wirtschaftskammer Wien, Initiative für Netzfreiheit, ARGE Daten und viele mehr.
Interview mit dem Geschäftsführer Thomas Lohninger von AKVorrat (www.akvorrat.at)
Was würde das neue Staatsschutzgesetz für uns bedeuten?
Es gibt sehr massive Überwachungskompetenzen, die dadurch etabliert werden. Es kann jeder auf Verdacht überwacht werden. Das heißt, jeder steht unter Generalverdacht.
So dürfen die Verfassungsschützer etwa die Verkehrs-, Zugangs- und Standortdaten von Betroffenen einfordern, das heißt, wer hat wann mit wem telefoniert, eine SMS oder E-Mail gesendet. Selbst bei der wahrscheinlichen Störung einer Versammlung dürfen die Ermittler tief in die Privatsphäre von Verdächtigen eindringen. Erstmals gestattet das Gesetz auch den Einsatz sogenannter V-Leute im Verfassungsschutz, die als Spitzel im Milieu ermitteln.
Wer seid ihr und was habt ihr bis jetzt erreicht?
Wir sind gemeinnütziger Verein, der 2009 gegründet wurde von Privatpersonen und Organisationen, die gegen Vorratsdatenspeicherung aktiv sind. Es gibt inzwischen einen fixen Mitarbeiter und auch ein Büro. Wir sind ein Sprachrohr für die Zivilbevölkerung.
2012 haben wir eine Bürgerinitiative gestartet. Insgesamt haben über 100.000 Menschen für die Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung unterzeichnet.
Wir haben uns dann entschieden eine Verfassungsklage gegen die Vorratsdatenspeicherung einzubringen. Und die war erfolgreich. Dieses Überwachungsgesetz wurde nicht nur als verfassungswidrig abgeschafft, wir haben es sogar gemeinsam mit anderen geschafft, dass die Sache vor dem europäischen Gerichtshof kommt und die ganze EU-Richtlinie gekippt wurde.
Was ist von AKVorrat geplant, wenn dieses neue Staatsschutzgesetz beschlossen wird?
Man kann klagen gegen das Gesetz, diese Option ist immer offen zu halten. Wir können nur auf einen parlamentarischen Prozess hoffen und dass Druck aufgebaut wird. Eine Möglichkeit ist auch ein persönliches Gespräch mit Politikern zu suchen.
Verschärfte Überwachung, neue Gesetze, mehr Polizei…. All das sind immer die Antworten, die das System auf Vorgänge gibt, die es nicht kontrollieren kann.
Was denkst du darüber?
Ohne Charlie Hebdo und Kopenhagen hätte es dieses Gesetz sicher nicht gegeben. Das ist ganz klar eine Anlassgesetzgebung.
Die Forderungen der Petition auf www.staatsschutz.at
1. Faktenbasierte Sicherheitspolitik – Das Staatsschutzgesetz muss zurück an den Start und nach einer umfassenden Evaluierung der Überwachungssituation, der Ermittlungsstatistiken und einer faktenbasierten Erhebung des Sicherheitsbedarfs neu ausgerichtet werden. Bevor die Bundesregierung Grundrechte einschränken darf, muss sie nachweisen, dass ihr Vorhaben notwendig und verhältnismäßig ist.
2. Klare Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten – Der Staatsschutz darf nicht gleichzeitig Polizei sein und Überwachungsbefugnisse wie ein Geheimdienst haben. Es braucht eindeutige Zuständigkeiten.
3. Keine Repression gegenüber Zivilgesellschaft, Journalisten und „Whistleblowern“ – Die Aufgabe des Staatsschutzes darf sich nicht auf „Wald- und Wiesen“-Delikte erstrecken. Der „verfassungsgefährdende Angriff“ muss auf wirklich schwere Straftaten reduziert werden und darf nicht allgemeine Grundrechte wie das Demonstrationsrecht oder die Pressefreiheit einschränken.
4. Starker Rechtsschutz, kein „pre-crime“ – Für jede Überwachungsmaßnahme müssen konkrete Verdachtsmomente und die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs schriftlich begründet und richterlich genehmigt werden. Die parlamentarische Kontrolle muss ausgebaut und die Transparenz über die Tätigkeiten der Sicherheitsbehörden muss verstärkt werden.
5. Keine bezahlten Spitzel – Die Praxis im In- und Ausland zeigt, dass der Einsatz von „Vertrauenspersonen“ im rechtsstaatlichen Verfahren oft zu Schwierigkeiten – und bei bezahlten Spitzeln nicht selten zu skandalösen Auswüchsen – führt. Österreich sollte aus den Erfahrungen anderer Länder lernen, anstatt deren Fehler zu wiederholen. Auch der Einsatz unbezahlter „V-Leute“ (Spitzel) sollte im Einklang mit der Strafprozessordnung sauber geregelt werden.