Heute haben wir mit Frau Rohlfs über ein Thema gesprochen, das uns sehr am Herzen liegt. Den Kampf für die Menschenrechte und seine alltäglichen Herausforderungen können wir mit Hilfe von Kunst und Poesie im positiven und produktiven Sinne verschönern und den Menschen zugänglicher machen. Der ästhetische Zugang zur Welt und zum Leben einher mit dem ethischen Zugang kann einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung unserer gewalttätigen Welt beitragen, die dadurch auch im spirituellen und ästhetischen Sinne „schöner“ wird.
Denn Poesie und Kunst sind die Sprachen der Seele, der universellen menschlichen Seele, unabhängig von den kulturellen, religiösen und sozio-ökonomischen Unterschieden. Die Poesie und die Kunst bauen Brücken. Anbei nun das Interview mit Frau Rohlfs zum Thema Poesie und Menschenrechte. Der emotionalen Zugang zum Thema der Menschenrechte ist sehr wichtig. Die Menschenrechtsverletzungen gehen den Menschen, die sich damit befassen, ins Herz und in die Seele. Ein „Schrei“, wie auf dem Bild von Edvard Munch, ist des Öftern einfach nur die einzige und richtige Reaktion auf die Brutalität der Menschenrechtsverletzungen, denen wir tagtäglich begegnen, während die Mehrheit der Menschen wegsieht.
Dr. phil. Milena Rampoldi von ProMosaik e.V.: Die Poesie gilt für mich persönliche als die universelle Sprache des Herzens und der Seele und eignet sich gerade deshalb für den Diskurs über die Menschenrechte und auch für den Kampf um die Menschenrechte. Wie sehen Sie das?
Ellen Rohlfs: Als Botanikerin fand ich meinen Weg zur Poesie über die Natur und die Umwelt um mich. Die ersten Gedichte schrieb ich inspiriert von einer Tonschale. Ich gab somit auch meinem ersten Gedichtbändchen den Titel „Die drei Schalen“. Im eigenen Garten entdeckte und bewunderte ich immer wieder die Wunder der Natur: ob es nun ein Tautropfen im Spinnwebnetz oder ein verblühter, zarter Löwenzahn war. Das Spinnwebnetz ist ein Kunstwerk, wenn die Sonne reinscheint. Weitere Wunder der Natur, die man poetisch aufarbeiten kann, sind die Bäume und Früchte. Ich finde das Recht auf diese Schönheit ein Menschenrecht. Daher sehe ich auch einen stufenlosen Übergang zwischen meiner Liebe zur Natur und mein Engagement für die Menschenrechte durch den poetischen Ausdruck, und wenn man möchte, auch durch den poetischen „Schrei“ gegen die Ungerechtigkeit dieser so korrupten und von Gewalt gekennzeichneten Welt. Die Menschenrechte sind eine Sache, die aus dem Herzen kommt. Menschenrechte lebt man, Menschenrechte fühlt man. Und gegen Menschenrechtsverletzungen kämpft man mit Leib und Seele an. Und die Poesie unterstützt mich dabei.
Welche Hauptthemen enthalten Ihre Gedichte über Gewalt und Frieden in Nahost?
Ellen Rohlfs: In den Gedichten bringe ich einfach zum Ausdruck, wie in Palästina die Menschenrechte nicht eingehalten werden. Dies wurde mir vor allem nach meiner Begegnung mit Frau Felicia Langer, Anwältin und Menschenrechtsaktivistin klar, die sich Jahre lang in Israel für die Verteidigung der palästinensischen Gefangenen eingesetzt hat. Das findet meine große Bewunderung. Ich lerne noch andere Menschenrechtsgruppen in Israel kennen: Ärzte für Menschenrechte, Rabbiner für MR. Das Zusammensein mit ihnen macht mich glücklich, ich beteilige mich an ihren Aktivitäten. Frauen in Schwarz; New Profile; AIC, Hava Keller, Arna Mer Khanis ua. All diese Themen der Gewalt, der Ungerechtigkeit, der Auflehnung gegen die Verstöße kommen in meinen oft traurigen und gleichzeitig aufschreienden Gedichten zum Ausdruck.
Mit Felicia sehe und erlebe ich die Menschenrechtsverletzungen und die immer schlimmer werdende Gewalt gegen Menschen, die nicht Böses taten, nur ihr Land verteidigen. . Gewalt, Trauer, Liebe, Ehrfurcht, Mitgefühl, Friedfertigkeit, Unendliche Geduld, Sehnsucht, nach Frieden, Brüderlichkeit, aber auch Zorn, Wut, Unverständnis … all diese Emotionen verarbeite ich poetisch. Aber auch positive Erfahrungen finden in meiner Poesie ihren Platz: Erlebte Gastfreundschaft, Mitfreude, Freundschaft, Großzügigkeit, die mich sprachlos lässt.
Wie kann Poesie heute zum Frieden und zur Gerechtigkeit beitragen?
Die Poesie kann wie die Musik Menschen zu einander führen und ihnen zeigen, dass sie als Menschen gleich viel wert sind und somit auch dieselbe unantastbare Würde. Es gibt keine Herrenmenschen und keine Untermenschen. Es gibt einfach nur Menschen verschiedener Ethnien, Kulturen, jeder Mensch hat dasselbe Recht zu leben, Rassismus ist Gift – in Gottes und der Menschen Augen sind die Menschen gleich. Es gibt kein auserwähltes Volk mit besonderen Rechten. Wenn wir das in der Poesie ausdrücken, können wir in unserer Umgebung den Frieden und die Gerechtigkeit vorleben und gleichzeitig auch für Palästina kämpfen.
Was drückt „Der Schrei“ von Munch für Sie persönlich aus und wie kann man von diesem ersten Bild des Expressionismus den Weg zur Poesie über Krieg und Frieden finden?
Ich bin entsetzt, zornig, wütend und möchte am liebsten aufschreien, genau wie Munch in seinem Bild „Der Schrei“, um die Welt, meine Umwelt, meine Regierung auf das Unrecht, die Brutalität aufmerksam zu machen — aber ohne oder mit wenig Erfolg, was mich sehr traurig macht. Aber ich gebe nicht auf.
Wie wichtig sind für Sie die Begegnungen mit Menschen?
Die Begegnungen zwischen Menschen sind ein wahres Wunder – auch darüber schrieb ich. Ich habe überall wunderbare Menschen kennen gelernt. Sie regten mich an, auch über mich selbst nachzudenken, mich zu entwickeln und meine Ideen neu zu gestalten und zu vertiefen.