Seit rund einem Jahr gibt es hochwirksame Medikamente zur Behandlung von an Hepatitis C erkrankten Menschen. Wegen den hohen Kosten hat sich das BAG entschieden, die Behandlung nur Patienten zugänglich zu machen, deren Leber bereits schwer geschädigt ist (sog. F3 und F4 Patienten). Tausenden lebensbedrohlich erkrankten Menschen wird somit eine Behandlung und ein menschenwürdiges Leben verweigert. Der Positivrat, jenes Fachgremium, dass sich für die Interessen der Menschen mit HIV und Ko-Infektionen wie Hepatitis B, C und Tuberkulose einsetzt, nannte diese Praxis: „Heile Hepatitis-C-Patienten zu spät und schau ihnen beim Sterben zu„.
Nun hat sich die Gruppe „Stop Hepatitis C in der Schweiz“ in einem Offenen Brief an den zuständigen Bundesrat Alain Berset gewandt.
Offener Brief an Bundesrat Alain Berset
Vorsteher des Eidgenössichen Departements des Innern!
Basel und Dübendorf, 5. Juni 2015
Betrifft: Petition „Hepatitis C-Medikamente für alle Betroffenen“
Sehr geehrter Herr Bundesrat Berset,
Wir sind durch Hepatitis C-Betroffene, denen eine Therapie mit den neuen antiviralen Medikamenten verweigert wird, obwohl wir massiv unter den Auswirkungen der Krankheit leiden und obwohl die bisherige Standard-Therapie mit Interferon bei uns nicht gewirkt hat. Über 500 Personen, darunter viele Ärzte und Therapeuten, andere Betroffenen, Familienangehörige und Freunde, haben bis jetzt unsere Petition unterstützt. Diese fordert, dass der Zugang für alle Betroffenen zu den neuen Medikamenten per sofort ermöglicht wird. Heute ist es ja so, dass das Ihnen unterstehende Bundesamt für Gesundheit (BAG) den Zugang zu den neuen Medikamenten
derart einschränkt, dass praktisch niemand von den hochwirksamen Arzneimitteln profitieren kann. Die Limitatio des BAG bewirkt eine strenge Rationierung der Medikamente, welche im April 2015 von der WHO auf die Liste der für die Menschheit unentbehrlichen Arzneimittel gesetzt wurde und die von der bedeutendsten europäischen Vereinigung von Spezialisten für Leberkrankheiten, der EASL, zur Behandlung empfohlen werden.
Das Leiden von uns Betroffenen wird auf unethische Weise um Jahre verlängert, obwohl die Kosten für die Therapie bei einer sauberen Analyse gar nicht höher sind, wie wenn wir jahrelang ärztlich betreut werden müssen und zudem wegen unserer eingeschränkten Leistungsfähigkeit wirtschaftliche Kosten verursachen. Zudem sind wir einem massiv erhöhten Risiko ausgesetzt, an Krebs zu erkranken, was zu noch viel höheren Heilungskosen führt, falls wir den Krebs überhaupt überleben. Dazu kommen die sozialen Auswirkungen: Viele von uns vereinsamen, weil soziale Kontakt schwierig werden. Gemeinsam in ein Restaurant essen zu gehen ist als Folge der Krankheit (und der zunehmenden Notwendigkeit, Diäten einzuhalten) fast nicht mehr möglich. Unsere Lebensqualität ist massivst eingeschränkt, viele leiden unter ständigen Schmerzen, Abgeschlagenheit, Müdigkeit und Leistungsverlust.
Die Schweiz rühmt sich, ein Gesundheitswesen zu unterhalten, dass niemanden von der Versorgung ausschliesst. Wer etwa an Bluthochdruck erkrankt, bekommt von der Grundversicherung selbstverständlich die notwendigen Medikamente vergütet, ohne dass er oder sie warten muss, bis ein Herzinfarkt oder Nierenversagen irreversible Schäden an der Gesundheit verursachen. Nur bei uns Hepatitis C-Kranken ist das anders. Wir bekommen die Medikamente erst, wenn unsere Gesundheit zu kollabieren droht und dies obwohl Studien nachweisen, dass die Medikamente zu Beginn der Krankheit effizienter eingesetzt werden, als wenn die Gesundheit schon geschädigt ist. Dass HIV bekämpft werden soll, ist selbstverständlich. Hepatitis C ist 10 Mal ansteckender als HIV. In der Schweiz sterben heute bereits bedeutend mehr Menschen an Hepatitis C als an AIDS, sagen Spezialisten. Diese Gefahr für die Gesundheit wird in der Schweiz viel zu wenig ernst genommen. Andere Länder haben das Gefahrenpotential erkannt und handeln auch entsprechend, in dem sie zB. nationale Pläne zur Eliminierung von Hepatitis C entwickeln und einen, verglichen mit der Schweiz, erleichterten Zugang zu den neuesten Medikamenten für alle ermöglichen, welche sie brauchen.
Sehr geehrter Herr Bundesrat Berset, gerne würden wir Ihnen unsere Petition persönlich überreichen. Wir würden es auch sehr schätzen, wenn wir Ihnen unser Anliegen in einem kurzen Gespräch persönlich vortragen könnten. Den 28. Juli hat die WHO zum Welt-Hepatitis-Tag erklärt. Gerne würden wir Ihnen die Petition an diesem Tag im Verlaufe des frühen Nachmittags persönlich überbringen. Wenn Sie uns empfangen könnten, würden Sie damit zeigen, dass Sie die Tausenden von Bürgern und Bürgerinnen, die heute unter dieser Krankheit leiden aber aus Kostengründen und entgegen der Empfehlung einer grossen Zahl von Hepatologen und Ärzten nicht behandelt werden, ernst nehmen. Selbstverständlich zählen wir darauf, dass unsere Petition ein Umdenken bei Ihnen und beim BAG bewirkt und alle Betroffenen endlich die dringend benötigte Therapie bekommen.
Mit freundlichen Grüssen
Anton Kohler Daniel Horowitz