In der Sommersession wird das Schweizer Parlament über zwei heikle Überwachungsgesetze befinden: Am 11. Juni behandelt der Ständerat das neue Nachrichtendienstgesetz, am 17. Juni debattiert der Nationalrat die Revision des BÜPF. Die Digitale Gesellschaft, Amnesty International, die Stiftung für Konsumentenschutz SKS und weitere Organisationen kritisieren die Vorratsdatenspeicherung und die Kabelaufklärung. Beide Massnahmen stellen eine verdachtsunabhängige Massenüberwachung und einen unverhältnismässigen Eingriff in die Grundrechte dar.
Die oben genannten Organisationen richten sich mit einem Offenen Brief an die Parlamentarierinnen.
Offener Brief zum Überwachungsgesetz BÜPF und zum neuen Nachrichtendienstgesetz
Für Freiheit und Privatsphäre: Gegen jede Überwachung, die nicht verhältnismässig und begründet ist
In der Sommersession wird das Parlament über zwei heikle Überwachungsgesetze befinden: Am 11. Juni behandelt der Ständerat das neue Nachrichtendienstgesetz, am 17. Juni debattiert der Nationalrat die Revision des BÜPF. Die Digitale Gesellschaft, Amnesty International, die Stiftung für Konsumentenschutz SKS und weitere Organisationen kritisieren die Vorratsdatenspeicherung und die Kabelaufklärung. Beide Massnahmen stellen eine verdachtsunabhängige Massenüberwachung und einen unverhältnismässigen Eingriff in die Grundrechte dar.
Vorratsdatenspeicherung(Aufbewahrungsfrist der Randdaten, 13.025 BÜPF)
Bereits heute wird von sämtlichen Einwohnerinnen und Einwohnern der Schweiz das Kommunikationsverhalten – wer, wann, wo und mit wem kommuniziert – für sechs Monate aufgezeichnet. Erfasst werden sämtliche Kommunikationsmittel (Telefon, Internet, Mail) und davon betroffen sind ausnahmslos alle. Selbst für Personen mit Berufsgeheimnis oder Quellenschutz, wie Anwälte, Ärztinnen oder Journalisten gibt es keine Ausnahmen.
Mit der Revision des Bundesgesetzes betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) soll die Speicherfrist der Daten nun auf zwölf Monate verdoppelt werden. Dabei befindet sich die Schweizer Vorratsdatenspeicherung schon jetzt auf Kollisionskurs zur internationalen Rechtsprechung. Seit 2010 haben die Verfassungsgerichte in sechs europäischen Ländern ihre Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung, die mit der Schweiz vergleichbar sind, als unrechtmässigen Eingriff in die Grundrechte eingestuft – und sie auf-gehoben. 2014 wurde auch die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung vom Gerichtshof der Europäischen Union wegen Unverhältnismässigkeit ausser Kraft gesetzt.
Offenbar unbeirrt von den internationalen Entwicklungen bleiben in der Schweiz auch die einzelnen Bestimmungen zur Vorratsdatenspeicherung ungenügend. Beispielsweise gibt es für die Provider keine Pflicht zur Löschung der Daten nach sechs Monaten und keine ausreichende Sorgfaltspflicht zur Datensicherheit. Eine Verwendung der Daten ist zudem nicht auf schwerste Straftaten beschränkt. Und mit der Verabschiedung des neuen Nachrichtendienstgesetzes würden die gespeicherten Daten auch dem Nachrichtendienst des Bundes zur Verfügung stehen.
Kabelaufklärung(14.022 Nachrichtendienstgesetz, NDG)
Mit der Kabelaufklärung soll es dem Nachrichten-dienst des Bundes erlaubt werden, «grenzüberschreitende Signale aus leitungsgebundenen Netzen zu erfassen». Das heisst, der Nachrichten-dienst könnte alle Datenströme anzapfen, die von der Schweiz ins Ausland fliessen und mit Stichworten durchforsten. Da der Grossteil der Internetaktivitäten in der Schweiz über das Ausland stattfindet, wären grundsätzlich alle von dieser Überwachung betroffen. Der Nachrichtendienst hätte Zugriff auf Metadaten und auf sämtliche Inhalte der elektronischen Kommunikation wie Mails, Suchanfragen oder Internet-Telefonie.
Verdachtsunabhängige Massenüberwachung
Die in BÜFP und NDG definierten Massnahmen – Vorratsdatenspeicherung und Kabelaufklärung – stellen Formen der verdachtsunabhängigen und präventiven Massenüberwachung dar. Daran können auch die in den Gesetzen vorgesehenen Einschränkungen und Kontrollen nichts ändern. Diese Überwachungsmassnahmen sind unverhältnismässige Eingriffe in die Grundrechte, wie den Schutz der Privatsphäre und der freien Meinungsäusserung, die in der Bundesverfassung und in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) garantiert sind. Mit einem freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaat sind diese Überwachungsmassnahmen nicht zu vereinbaren.
Zwei Jahre nach den Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden über das unfassbare Ausmass der globalen Überwachung durch westliche Geheimdienste ist eine Diskussion über den Schutz der Privatsphäre im digitalen Zeitalter dringend nötig.
Die unterzeichnenden Organisationen rufen die eidgenössischen Räte deshalb auf, sich gegen die Kabelaufklärung und die Vorratsdatenspeicherung auszusprechen. Bei allen Überwachungsmassnahmen muss darauf geachtet werden, dass die Verhältnismässigkeit gewahrt wird.
Amnesty International Schweiz, Digitale Gesellschaft, Stiftung für Konsumentenschutz SKS sowie weitere 13 Organisationen.