Als Militärs, die in der DDR in verantwortungsvollen Funktionen tätig waren, wenden wir uns in großer Sorge um die Erhaltung des Friedens und den Fortbestand der Zivilisation in Europa an die deutsche Öffentlichkeit.
In den Jahren des Kalten Krieges, in denen wir eine lange Periode der Militarisierung und Konfrontation unter der Schwelle eines offenen Konflikts erlebten, haben wir unser militärisches Wissen und Können für die Erhaltung des Friedens und den Schutz unseres sozialistischen Staates DDR eingesetzt. Die Nationale Volksarmee war keinen einzigen Tag an kriegerischen Auseinandersetzungen beteiligt, und sie hat bei den Ereignissen 1989/90 maßgeblich dafür gesorgt, dass keine Waffen zum Einsatz kamen. Frieden war immer die wichtigste Maxime unseres Handelns. Deshalb sind wir entschieden dagegen, dass der militärische Faktor erneut zum bestimmenden Instrument der Politik wird. Es ist eine gesicherte Erfahrung, dass die brennenden Fragen unserer Zeit mit militärischen Mitteln nicht zu lösen sind.
Es sei hier daran erinnert, dass die Sowjetarmee im Zweiten Weltkrieg die Hauptlast bei der Niederschlagung des Faschismus getragen hat. Allein 27 Millionen Bürger der Sowjetunion gaben ihr Leben für diesen historischen Sieg. Ihnen, wie auch den Alliierten, gilt am 70. Jahrestag der Befreiung unser Dank.
Jetzt konstatieren wir, dass der Krieg wieder zum ständigen Begleiter der Menschheit geworden ist. Die von den USA und ihren Verbündeten betriebene Neuordnung der Welt hat in den letzten Jahren zu Kriegen in Jugoslawien und Afghanistan, im Irak, Jemen und Sudan, in Libyen und Somalia geführt. Fast zwei Millionen Menschen wurden Opfer dieser Kriege, und Millionen sind auf der Flucht.
Nun hat das Kriegsgeschehen wiederum Europa erreicht. Offensichtlich zielt die Strategie der USA darauf ab, Russland als Konkurrenten auszuschalten und die Europäische Union zu schwächen. In den letzten Jahren ist die NATO immer näher an die Grenzen Russlands herangerückt. Mit dem Versuch, die Ukraine in die EU und in die NATO aufzunehmen, sollte der Cordon sanitaire von den baltischen Staaten bis zum Schwarzen Meer geschlossen werden, um Russland vom restlichen Europa zu isolieren. Nach amerikanischem Kalkül wäre dann auch eine deutsch-russische Verbindung erschwert oder verhindert.
Um die Öffentlichkeit in diesem Sinne zu beeinflussen, findet eine beispiellose Medienkampagne statt, in der unverbesserliche Politiker und korrumpierte Journalisten die Kriegstrommeln rühren. In dieser aufgeheizten Atmosphäre sollte die Bundesrepublik Deutschland eine den Frieden fördernde Rolle spielen. Das gebieten sowohl ihre geopolitische Lage als auch die geschichtlichen Erfahrungen Deutschlands und die objektiven Interessen seiner Menschen. Dem widersprechen die Forderungen des Bundespräsidenten nach mehr militärischer Verantwortung und die in den Medien geschürte Kriegshysterie und Russenphobie.
Die forcierte Militarisierung Osteuropas ist kein Spiel mit dem Feuer – es ist ein Spiel mit dem Krieg!
Im Wissen um die zerstörerischen Kräfte moderner Kriege und in Wahrnehmung unserer Verantwortung als Staatsbürger sagen wir in aller Deutlichkeit: Hier beginnt bereits ein Verbrechen an der Menschheit.
Sind die vielen Toten des Zweiten Weltkrieges, die riesigen Zerstörungen in ganz Europa, die Flüchtlingsströme und das unendliche Leid der Menschen schon wieder vergessen? Haben die jüngsten Kriege der USA und der NATO nicht bereits genug Elend gebracht und viele Menschenleben gefordert?
Begreift man nicht, was eine militärische Auseinandersetzung auf dem dichtbesiedelten europäischen Kontinent bedeuten würde?
Hunderte Kampfflugzeuge und bewaffnete Drohnen, bestückt mit Bomben und Raketen, Tausende Panzer und gepanzerte Fahrzeuge, Artilleriesysteme kämen zum Einsatz. In der Nord- und Ostsee, im Schwarzen Meer träfen modernste Kampfschiffe aufeinander und im Hintergrund ständen die Atomwaffen in Bereitschaft. Die Grenzen zwischen Front und Hinterland würden sich verwischen. Millionen Mütter und Kinder würden um ihre Männer, um ihre Väter und Brüder weinen. Millionen Opfer wären die Folge. Aus Europa würde eine zerstörte Wüstenlandschaft werden.
Darf es soweit kommen? Nein und nochmals Nein!
Deshalb wenden wir uns an die deutsche Öffentlichkeit:
Ein solches Szenario muss verhindert werden.
Wir brauchen keine Kriegsrhetorik, sondern Friedenspolemik.
Wir brauchen keine Auslandseinsätze der Bundeswehr und auch keine Armee der Europäischen Union.
Wir brauchen nicht mehr Mittel für militärische Zwecke, sondern mehr Mittel für humanitäre und soziale Erfordernisse.
Wir brauchen keine Kriegshetze gegen Russland, sondern mehr gegenseitiges Verständnis und ein friedliches Neben- und Miteinander.
Wir brauchen keine militärische Abhängigkeit von den USA, sondern die Eigenverantwortung für den Frieden. Statt einer »Schnellen Eingreiftruppe der NATO« an den Ostgrenzen brauchen wir mehr Tourismus, Jugendaustausch und Friedenstreffen mit unseren östlichen Nachbarn.
Wir brauchen ein friedliches Deutschland in einem friedlichen Europa.
Mögen sich unsere Kinder, Enkel und Urenkel in diesem Sinne an unsere Generation erinnern.
Weil wir sehr gut wissen, was Krieg bedeutet, erheben wir unsere Stimme gegen den Krieg, für den Frieden.
Armeegeneral a.D. Heinz Keßler
Admiral a.D. Theodor Hoffmann
Die Generaloberste a.D. Horst Stechbarth; Fritz Streletz; Fritz Peter
Die Generalleutnante a.D. Klaus Baarß; Ulrich Bethmann; Max Butzlaff; Manfred Gehmert; Manfred Grätz; Wolfgang Kaiser; Gerhard Kunze; Gerhard Link; Wolfgang Neidhardt; Walter Paduch; Werner Rothe; Artur Seefeldt; Horst Skerra; Wolfgang Steger; Horst Sylla; Ehrenfried Ullmann; Alfred Vogel; Manfred Volland; Horst Zander
Vizeadmiral a.D. Hans Hofmann