Wir publizieren den folgenden Aufruf, weil wir davon überzeugt sind, dass es jetzt die Vereinigung aller Kräfte bedarf, aller emotionalen und intellektuellen Kräfte die zur Verfügung stehen, um am Aufbau eines neuen politischen Projektes zu arbeiten, bei dem auf effektive Art und Weise dazu beigetragen werden kann, eine gemeinsame Antwort auf die dringenden demokratischen Fragen zu geben, die wir zur Zeit durchleben.

Der Aufruf wurde am 11. und 12. April 2015 in Chianciano, Italien, während einer gut besuchten Versammlung erarbeitet, die von der Koordination der Linken gegen den Euro organisiert wurde.

Das ehrgeizige Ziel ist es, nicht einfach nur eine Koordination zu lancieren, noch eine „normale“ neue Partei, der es beizutreten gälte und die bereits fertige Rezepte präsentiert.

Es geht um einen echten und wahrhaftigen konstituierenden Prozess, der darauf ausgerichtet ist, alle „demokratischen“ Kräfte zu bündeln, und von unserer Seite aus fügen wir die „humanistischen“ hinzu, die sich alle in einem präzisen, durch den Aufruf skizzierten Bild wiederfinden und von diesem ausgehend zusammen eine politische Plattform und eine neue organisatorische Form erschaffen.

All diejenigen, die sich an dem Aufruf beteiligen, werden bald eine Einladung zur gemeinsamen Ausarbeitung eine programmatischen Plattform und eines Organisationsplanes erhalten: zu Beginn wird dies durch die Nutzung von Informations-Plattformen für eine gemeinsame Ausarbeitung geschehen, aber es empfiehlt sich, schon bald Treffen zu organisieren, um damit zu beginnen, eine Gemeinschaft ins Leben zu rufen, die auf persönlichen und nicht nur virtuellen Beziehungen aufbaut.

Der nächste gemeinsame Termin als Zwischenetappe wird der 26. und 27. September 2015 sein, mit dem Ziel, bis zum Ende des Jahres ein echtes und wahrhaftiges Lancieren des Projektes zu erreichen, inklusive eines definitiven Namens („Ora“, zu deutsch „Jetzt“, ist der Name des konstituierenden Prozesses), eines Programms sowie der Form der Partizipation.

Dieser Anfangsprozess wird von einem nationalen provisorischen Förderrat koordiniert, der bei der Versammlung in Chianciano definiert wurde.

Verschiedene Mitglieder der Humanistischen Partei haben den Impuls zu diesem Projekt gegeben und arbeiten aktiv zusammen, während die Partei als Gemeinschaft die Ziele teilt.

Wir laden hiermit alle herzlich dazu ein, den Aufruf zu unterzeichnen, sei es als Gruppe oder Vereinigung, sei es als Einzelpersonen, und ab sofort in konkreter Art und Weise am Aufbau dieses Instruments gemeinschaftlicher Aktion teilzunehmen.

Wir werden dies nur erreichen, wenn sich nicht nur ähnliche politische Kräfte beteiligen, sondern auch all diejenigen, die Teil der unzähligen Aktivistengruppen sozialer und kulturellen Natur sind und die bis jetzt noch nicht in der Politik repräsentiert sind. Anstatt zu warten, dass uns jemand repräsentiert, bauen wir eine politische Kraft auf, bei der jeder Einfluss nehmen und sich direkt einbringen kann.

Jetzt ist es an der Zeit!

 

JETZT

Souveränität des Volkes – Demokratie – Arbeit – soziale Rechte

Das Land ist in einer sozialen, ökonomischen und moralischen Krise ohnegleichen. Man will uns glauben machen, dies sei unabwendbar, unumkehrbar und ohne Ausweg. Es scheint das grausame Schicksal zu sein, zu dem wir von einem geschichtlich „natürlichen“ und unaufhaltsamen Prozess verdammt sind. Die einzige Lösung scheint zu sein, sich ergeben oder anpassen zu müssen. Das ist falsch!

In Wirklichkeit wurde dieser Prozess von einem globalen Finanzkapitalismus produziert, der die Völker durch die Kontrolle der Kommunikationsmedien getäuscht hat und der inzwischen die politischem Klassen, nachdem er sich diese unterworfen hat, in Geiselhaft hält und somit die nationalen Staaten ihrer eigenen Souveränität beraubt hat. Besonders in der Europäischen Union wurden grundlegende Privilegien der nationalen Regierungen an oligarchische Institutionen der Union ohne jegliche Möglichkeit zur demokratischen Kontrolle abgegeben, wobei der Euro als Basis zum Aufbau einer neoliberalen Konstruktion verwendet wurde. In Italien hat dies zu einem Verrat der Gründungsprinzipien der Verfassung geführt, die im Staat den Garant für das Allgemeinwohl und die Menschenwürde sah. Um diese Prinzipien zu verwirklichen, stattete sich der Saat mit grundlegenden ökonomischen Instrumenten aus, so wie auch mit der Kontrolle der Staatsbank und des Bankwesens, um so direkt in die Entwicklung und Lenkung der Wirtschaft eingreifen zu können. Dies hat es, trotz der Konflikte und Ungleichheiten, Italien erlaubt, eine hochentwickelte staatliche Industrie in strategisch wichtigen Bereichen aufzubauen und dadurch die soziale und ökonomische Entwicklung zu beschleunigen.

Deshalb müssen wir in der jetzigen Situation nicht von vorne beginnen. Wir knüpfen an die Befreiung von vor 70 Jahren an, die eine Verfassung hervorbrachte, in der der erste Artikel festlegte, dass Arbeit nie wieder zu einer Ware werden dürfe, sondern das Schlüsselinstrument zur sozialen, kulturellen, ökonomischen und moralischen Erhöhung der Bürger ist. Wir sind davon überzeugt, dass wir gestern wie heute die Pflicht haben, uns von einer Besetzung zu befreien, dieses Mal von ökonomisch-finanzieller Natur, die die Grundlagen unserer Demokratie begraben hat, indem sie die Rechte der Arbeiter zerstört und uns so um Jahrhunderte zurückgeworfen hat. Für diesen Prozess der Befreiung müssen wir uns wieder der nationalen Souveränität bemächtigen. Eine Souveränität, die durch die Verfassung dem Volk zugewiesen wird und für die der Staat ein Instrument sein muss und die nicht abgetreten werden kann.

Im politischen Panorama von heute hat auch die Opposition kein organisches Projekt als Alternative für die neoliberale Herrschaft. Derweil erleben wir einen gefährlichen Hinterhalt auf die demokratische Ausstattung unserer Institutionen, der über sogenannte Reformen zu Wahlen und Verfassung im Gange ist. Deshalb ist der Aufbau einer neuen politischen Bewegung als Katalysator für ein Wiedererwachen des Volkes dringend nötig, um Italien die politische und monetäre Souveränität wiederzugeben, um uns vom Käfig des Neoliberalismus und seiner Stellvertreter zu befreien, und um eine breite Allianz zu schaffen, die alle als Opposition bereits existierenden sowie auch zukünftigen demokratischen Kräfte beinhaltet.

Wir wollen ein Land aufbauen, in dem Arbeitslosigkeit, Prekariat und Armut, und nicht der Spread als zu bekämpfende Übel angesehen werden; ein Land in dem der Staat, namentlich und im Namen des Volkes, Umwelt und Gemeingüter schützt und wieder die Kontrolle über strategische Bereiche wie Industrie und Bankwesen erlangt, indem er sie der inhumanen Logik der Märkte und des Profits um jeden Preis entreißt. Technologie und Wissenschaften müssen nachhaltig sein und dem Allgemeinwohl dienen. Wir wollen eine Gesellschaft, in der das Richtige konsumiert und das Notwendige produziert wird und in der Menschen und Nachhaltigkeit anstatt Profit im Mittelpunkt stehen.

Diese neue politische Bewegung muss hier und jetzt aufgebaut werden. Bevor es zu spät ist und bevor reaktionäre Kräfte, die bereits auf der Lauer liegen und sich als „anti-systemisch“ tarnen, uns vom neoliberalen Chaos in die Arme neofaschistischer Diktaturen treiben wollen.

Wir haben uns entschlossen, uns auf den Weg zu machen, überzeugt davon, dass die Zukunft noch offensteht. Um es zu schaffen, ist es nötig, aus der neoliberalen Hypnose zu erwachen und zu Protagonisten der Veränderung zu werden.

Der Aufbruch wird kein perfektes politisches Instrument sein, das Euch angeboten wird: dieses Projekts kann nur unter direkter Beteiligung all derer reifen, die diese Ziele teilen.

Beitritt unter: ora@email.com

Übersetzung aus dem Italienischen von Evelyn Rottengatter