Übersetzung aus dem Italienischen von Evelyn Rottengatter
Seit einigen Jahren hat sich Griechenland als Land der Krise beispiellos in die kollektive Erinnerung eingebrannt. Es ist das europäische Land, das stärker als alle anderen eine Rezession und eine Austeritätspolitik erlebt hat und noch erlebt und die in der heutigen Zeit ohne Vergleich bleibt. Zu Beginn berichteten die internationalen Medien über politische und soziale Wechselfälle, die durch die sogenannte Wirtschaftskrise ausgelöst wurden.
Im Laufe der Zeit wurden diese sozialen und menschlichen Aspekte der Krise in Griechenland jedoch vernachlässigt und gerieten in Vergessenheit, da man sich notgedrungen auf ökonomisch-finanzielle Kriterien konzentrierte, die uns schrittweise, wie das Lamm zur Schlachtbank, einer Enthumanisierung der Kommunen entgegenführen, im Namen einer strengen Befolgung der Regeln, die darauf abzielen, eine bürokratische Welt zu erhalten, die sich komplett der Realität entzieht und an einem virtuellen Reißbrett entworfen wurde.
Ferner sei es bekannt, dass der griechische Staat öffentliche Gelder verschwendet habe, dass die Griechen alle Taugenichtse seien, dass wir geplündert und ausgenutzt hätten, indem wir über unsere Verhältnisse gelebt haben und dass die Troika im Einklang mit diesen Annahmen den schweren, aber richtigen Weg gefunden habe, gepflastert mit Druck, Drohungen, Abgaben, Maßnahmen und Gegenmaßnahmen, den wahren Geschichten der Menschen zum Trotz und mit ausschließlichem Blick auf Zahlen, Statistiken und virtuellen Finanzindikatoren (im schönen Land Italien ist im Übrigen nichts anderes passiert).
Es stellt sich die Frage warum nur ganz wenige die Tatsache hinterfragen, wie es möglich gewesen sei, das eine Krise, die aus der Finanzwelt (einer virtuellen Welt) und durch Spekulationen von privaten Firmen entstanden ist, sich in eine kollektive Krise der realen Wirtschaft verwandeln konnte. Haben wir hier irgendwas verpasst?
Überlassen wir das schwierige Urteil den Nachkommen, und vor allem den Lesern die Möglichkeit, darüber nachzudenken, um besser zu verstehen, vielleicht auch die Erinnerung aufzufrischen oder nach anderen Informationsquellen zu suchen, die weniger gelenkt sind und die unvoreingenommen den Blick darauf eröffnen, wie die Welt in der heutigen Zeit funktioniert.
Vor kurzem hatte ich die Gelegenheit, einige Stunden in Athen zu verbringen und unvermeidlicherweise auch auf die lokale Bevölkerung zu treffen, die Stadt und ihre Straßen zu erleben und mit eigenen Augen den Fluss des Lebens zu sehen, der hier jenseits der medialen Berichterstattung fließt, die international und national in letzter Zeit nur noch von Griechenland mit Schlagzeilen spricht wie „Regierung in Athen unter Druck der Troika, die neue Sparmaßnahmen fordert“.
Athen in 24 Stunden war das Motto, nach dem ich mich entschieden hatte, die hellenische Hauptstadt zu erkunden, das ich atmen wollte, um zu versuchen, von den üblichen Mainstream-Schlagzeilen abzusehen und danach zu streben, die heutige griechische Gesellschaft als menschliches Wesen und fernab des medialen Bombardements zu erleben und zu genießen.
So entstand eine Skizze in vielen Farben, die die mysteriöse und faszinierende Mischung aus Moderne und Geschichte von Ἀθῆναι („Athen“ auf altgriechisch) widerspiegeln; eine magische und fast surreale Atmosphäre, die in jedem Winkel der Stadt zu spüren ist.
Die freundliche Sonne, die die Vitalität der Straßen erhellt, das glitzernde Meer vor Augen, die Ehrfurcht gebietenden marmornen Tempel, die Farben und Geräusche der Plätze, wo Jung und Alt sich nur augenscheinlich aus verschiedenen Gründen treffen. Neue und alte Agoren (zentrale Fest- Versammlungs- und Marktplätze im antiken Griechenland; Anm. der Übersetzung), erfüllt von Lachen und Wohlklang, von Rufen und Sirenen, von entmutigten aber auch hoffnungsvollen Demonstranten, von Künstlern und normalen Menschen, die ihrerseits wiederum unbewusst Künstler des Lebens sind.
Die Eindrücke von Sorgen, Beschwerden, Sparpolitik, Aufruhr, Generalstreiks, Kritik an der Welt und Protesten der Graffiti-Maler an den Mauern überschlagen und kreuzen sich mit denen der Kapitelle und imposanten Säulen, der Jahrhunderte alten Bäume, Zeugen der griechischen Zivilisation, der Kreativität und der Leidenschaft der Menschen, die sich heute einem einfachen und essentiellen Lebensstil angepasst haben und die hier, in der Ruhe der einst heiligen und heute aufständischen Orte in Frieden verweilen wollen, um ihre Existenz mit einem Drink, einem Tanz und einer Melodie zu genießen.
Und so verliert man sich am Ende des Tages, wenn die Dunkelheit den Duft der Antike verbirgt, um einer modernen globalisierten Wirklichkeit zu weichen, im Schwelgen in der Kunst, der Musik und dem gemeinsamen Erleben der Liebe.
Nachfolgend ein Video mit Eindrücken ohne Kommentar der 24 Stunden in Athen: