Straßenphilosophie am City Bowl, Kapstadt, Südafrika von Anne Fröhlich auf Flickr. Creative Commons Lizenz CC-NC-2.0
Die afrikanische Philosophie wird meist weitgehend ignoriert, die Gründe dafür sind unklar. Manche meinen, es könnte daran liegen, dass afrikanische Philosophie sehr eng an ihre mündlichen Traditionen gebunden ist, was es schwer macht, ihre Geschichte einem größeren Publikum näherzubringen. Andere meinen, dass sie aufgrund ihrer afrozentrischen Natur für den Rest der Welt wenig verständlich ist.
1. Séverine Kodjo-Grandvaux (Elfenbeinküste)
In ihrer Rolle als Archäologin der Ideen untersucht Séverine Kodjo-Grandvaux die Ebenen einer Disziplin, die im vergangenen Jahrhundert hauptsächlich in Reaktion auf den Westen konstruiert worden ist. Während der Kolonialzeit bewegte sich diese Philosophie unter der Kontrolle der imperialistischen Kolonialmacht, um sich dann zu einer Gegenreaktion auf den Einfluss der Kolonialisten zu entwickeln. […] Mit der Unabhängigkeitsbewegung versuchte man auch in der Philosophie, zur “afrikanischen Identität” zurückzukehren und sich vom Vorbild des Westens zu distanzieren. Kodjo-Grandvaux hält solch eine Ideologie des “Zurückkehrens zu den Ursprüngen” für riskant. Sie schreibt: “Wenn Philosophie versucht, in ein ‘regionales’ – etwa kontinentales, nationales oder ethnisches – Muster hineinzupassen, muss sie mehrere Fallen vermeiden, vor allem den Anschein von Homogenität und die exzessive Partikularisierung.” Der Beitrag, den die westliche Philosophie und andere Denkansätze leisten können, sollte nicht verkannt werden.
Kodjo-Grandvaux verweist auf eine Debatte über Ethnophilosophie, die afrikanische Philosophen seit langem führen: Die Idee, dass eine Kultur oder Region eine bestimmte Philosophie hat, die sich grundlegend von den anderen philosophischen Strömungen unterscheidet, sei in sich widersprüchlich. Doch viele zeitgenössische afrikanische Philosophen wenden ein, dass ihre Arbeit eine kritische Reflektion über afrikanische Herrschaft ist und wie diese den Alltag ihrer Mitbürger beeinflusst. Daraus folgt, dass afrikanische Philosophie sich in erster Linie im Kontext des afrikanischen Kontinents entwickelt und sich an ein afrikanisches Publikum wendet.
2. Souleymane Bachir Diagne (Senegal)
Souleymane Bachir Diagne, senegalesischer Philosoph und Pionier der neuen afrikanischen Philosophieszene. Public Domain
Souleymane Bachir Diagne (hier ein englischsprachiger Wikipediaeintrag), ein senegalesischer Philosoph und Professor an der Columbia Universität, plädiert dafür, dass afrikanische Philosophen ihre Arbeit für ihre Landsleute zugäglicher machen müssen. Er sagt:
Wir müssen unsere eigenen Texte in afrikanischen Sprachen produzieren. Einer meiner ehemaligen Studenten arbeitet an einer Anthologie von Texten afrikanischer Philosophen, die gebeten wurden, Artikel in ihrer eigenen Sprache zu schreiben. Dann sollen Muttersprachler sie ins Englische übersetzen.
Afrikanische Ubuntuphilosophie via “Pencils for Africa”. Public Domain
3. Léonce Ndikumana (Burundi)
Außer dem Bemühen, ihre afrikanischen Landsleute besser zu erreichen, kommen noch weitere richtungsweisende Ideen von afrikanischen Philosophen. Léonce Ndikumana (hier ein englischsprachiges Profil) wurde in Burundi geboren und arbeitet nun als Wirtschaftsprofessor an der Universität Massachusetts in Amherst. In seinem Buch “Africa’s Odious Debt: How Foreign Loans and Capital Flight Bled a Continent“, (Afrikas verhasste Schulden: Wie ausländische Kredite und Kapitalflucht einen Kontinent ausbluteten) macht sich Ndikumana zur Aufgabe, viele der gängigen Gemeinplätze über Afrika anzufechten, die weltweit als Fakten gelten, wie der, dass Entwicklungshilfe den afrikanischen Kontinent subventioniert. In der Tat übertreffe die Kapitalflucht vom afrikanischen Kontinent (1,44 Billionen verschwinden spurlos aus afrikanischen Ländern und landen in Steueroasen oder reichen Ländern) laut eines Beitrags des African Europe Faith and Justice Network bei Weitem die Entwicklungshilfe (50 Milliarden nach Afrika, so dass Wall Street Journal).
Ndikumana ist auch einer der wichtigsten Meingsführer in Afrika. So kämpft er zum Beispiel gegen Vorgaben von internationalen Institutionen, die sich oft gegen den Willen der afrikanischen Bevölkerung richten.
4. Kwasi Wiredu (Ghana)
Falsche Gemeinplätze zu kontern ist ein wachsender Trend unter afrikanischen Intellektuellen. Kwasi Wiredu, ein ghanaischer Philosoph, ist einer von ihnen. Er meint zum Beispiel, dass ein Mehrparteiensystem, das oft als die Basis für demokratie angesehen wird, nicht immer zu Einheit und Stabilität führt. Stattdessen hält er eine Konsenusdemokratie im afrikanischen Kontext für besser geeignet:
Vor dem Hintergrund, dass Demokratie Regieren durch Konsens ist, ist die Frage, ob nicht ein weniger antagonistisches als das Parteiensystem möglich ist. Es ist eine wichtige Tatsache, dass vernünftige Menschen mit Hilfe von Kompromissen sich darüber einigen können, was zu tun ist, ohne sich in Sachen Wahrheit oder Moral einig zu sein.
5. Kwame Anthony Appiah (Ghana)
Ein weiterer ghanaischer Philosoph, Kwame Anthony Appiah, der zur Zeit an der New Yorker Universität lehrt, wehrt sich jedoch gegen den Trend zum Afrozentrismus vieler afrikanischer Philosophen. Er hält Afrozentrismus für ein überholtes Konzept und plädiert für mehr transkulturelle Dialoge und weniger “Regionalismus”:
[Der antike griechische Philosoph Diogenes] lehnte die allgemeine Annahme, dass jede zivilisierte Person einer Gemeinschaft unter Gemeinschaften angehört, ab. […] Eine globale Gemeinschaft von Kosmopoliten wird im Radio, im Fernsehen, durch Anthropologie und Geschichte, durch Romane und Filme, Nachrichten und Zeitungen und im Internet etwas über andere Lebensweisen lernen wollen.