„Die Produktion von Opium ist um 102% angewachsen und von Kokain um 20% zwischen 1998 und 2007, trotz der Anstrengungen, weltweit die Drogenfelder zu zerstören; in den USA sind beinahe 500 000 Menschen wegen Drogendelikten im Gefängnis, verglichen mit 41 000 im Jahr 1980; die USA geben 93% ihrer Mittel zur Kokainbekämpfung zur Strafverfolgung aus und nur 7% für Suchtbehandlungsprogramme; mehr als 30 Länder verhängen die Todesstrafe für Verbrechen im Zusammenhang mit Drogen; über 70% der HIV Infektionen in Russland stammen von Drogeninjektionen … Die Liste geht weiter und die Opferzahlen des Drogenkrieges steigen an.“
Dies sind einige Daten, die vom Globalen Programm für Drogenpolitik der Open Society Foundation (OSF), welches eine Paneldiskussion in New York organisierte, zur Verfügung gestellt wurden.
Der Service für humanitäre Nachrichten und Analysen des UNO Büros zur Koordination humanitärer Angelegenheiten, IRIN, berichtete am 28. März 2014 aus New York, „Trotz der wachsenden Erkenntnis, dass der “Krieg gegen Drogen” gescheitert ist, bleibt der globale Konsensus, wie es nun weitergehen soll, wage. Nichtsdestotrotz erkennen manche einen „Paradigmenwechsel“ bei vielen Mitspielern an der Front des Geschehens.“
Eine grundlegende Spaltung taucht auf zwischen Ländern des „Krieg gegen Drogen“ – Ansatzes
Bei einer Paneldiskussion in New York am 25. März, organisiert vom Globalen Programm für Drogenpolitik der OSF, boten Experten aus der Schweiz und der tschechischen Republik einige Ratschläge an, indem sie die Erfolge ihrer Länder darstellten, welche Ansätze zur Minderung des Leidens eingeführt haben, die den Drogenmißbrauch mehr als gesellschaftliches Gesundheitsproblem behandeln statt als Verbrechen.
2016 soll die UNO Generalversammlung in einer außerordentlichen Sitzung einen Konsens zur Drogenkontrolle finden. Während diese Deadline näher rückt, haben NGO`s und politische Gruppen die Absicht, die Debatte zu erweitern und neue Optionen für die Drogenpolitik zu untersuchen, sagt IRIN.
„Nach Monaten der Verhandlungen in der UNO Kommission für Betäubungsmittel in Wien, dem Steuerungsorgan des UNO Büros für Drogen und Verbrechen, reflektieren die Resolutionen die inzwischen angenommen wurden, nicht die anwachsende Opposition zum Status Quo mehrerer Lateinamerikanischer und Europäischer Länder“, fügt IRIN hinzu.
„Medienberichte lassen auf eine tiefe Spaltung der Länder mit dem „Krieg gegen Drogen“ – Ansatz schliessen, und ob er aufgegeben werden soll oder nicht. Sprecher bei der Paneldiskussion drückten ihre Hoffnung aus, dass die nachweisbaren Erfolge in ihren Ländern (Schweiz und die Tschechische Republik) andere Länder motivieren werden, mit ähnlichen Programmen zu experimentieren.“
IRIN`s Pressemitteilung fügt hinzu, dass Experten eine grundlegende Veränderung in der Richtung der Diskussionen auf oberster Ebene wahrnehmen, mit vielen Ländern, die darin übereinstimmen, dass die bisherige Strategie gescheitert ist, und Lateinamerikanischen Ländern – ausgebrannt durch den auf ihren Territorien ausgetragenen Drogenkrieg – die zunehmenden Druck auf die USA und andere Länder ausüben, neue Ansätze zu entwickeln. Aber die Experten fürchten auch, dass diejenigen Länder, die weiterhin Drogen mit Kriminalisierung und sogar der Todesstrafe verbinden – Russland, China, Malaysia und Iran, um nur einige zu nennen – versuchen werden, jede signifikante Änderung des UN Drogenprogrammes zu blockieren.
Druck für Veränderung
Bei einer ähnlichen Sondersitzung der UNO Generalversammlung im Jahr 2009 bestätigten die politischen Führer die existierende Strategie der Drogenbekämpfung mit dem Ziel, verbotenen Drogenkonsum zu eliminieren, so fügt IRIN hinzu. „Seit damals – und Milliarden von Dollar später – zeigt diese Strategie wenige, wenn überhaupt, Erfolge: unerlaubte Drogen sind mehr verbreitet als jemals zuvor, als neue Designervarianten wieder auftauchend, welche wiederum nach neuen Kategorien des Verbotes verlangen; die Drogenkriege setzen sich fort; Gefängnisse sind überfüllt mit Süchtigen, Dealern und Händlern; und das Gemeinwesen leidet weiterhin an den Zerstörungen durch HIV, Hepatitis C, Bandenkriegen, Verbrechen und zerbrochenen Familien.“
Laut der OSF, “Jahrzehnte von „Law and Order“ – Ansätzen zur Drogenkontrolle verschlangen Milliarden von Dollar öffentlicher und privater Fonds, zerstörte Leben und Kommunen und haben wenig geholfen, das Leiden hervorgerufen durch Drogen, abzuschwächen.“
Ein Schweizer Experiment
Ruth Dreifuss, ehemalige Präsidentin der Schweiz und Mitglied der Globalen Kommission für Drogenpolitik, sprach darüber, wie öffentlicher Druck, das Drogenproblem in den Griff zu bekommen, die Strategie beeinflusst habe. Die Unfähigkeit der Schweizer Behörden, mit der wachsenden Zahl der Drogenkonsumenten an öffentlichen Plätzen umzugehen, endete damit, dass diese sich in einem öffentlichen Park in Zürich zusammendrängten, welcher als „Nadelpark“ in den späten 80ern bekannt wurde. Als damals die ersten HIV Daten erhoben wurden, hatte die Schweiz die höchste Infektionsrate von ganz West-Europa. 1988/89 war die Hälfte der neuen Fälle ein Resultat von Drogeninjektionen, fügt IRIN hinzu.
Aber aus erfolgreichen “experimentellen Studien“ erwuchsen dann neue Regierungsprogramme, die den Schwerpunkt auf die Bekämpfung des Leidens über das gesamte Spektrum setzten – von der präventiven Beratung bis hin zu der Bereitstellung von verschriebenem Heroin oder Heroin Ersatz Therapie in öffentlichen, sicheren Injektions-Zentren. Die neuen Methoden zeigten, dass die Gesundheit der Patienten sich verbesserte, der Drogenkonsum nicht anstieg und Verbrechen der Drogenkonsumenten abnahmen.
Ausserdem, entgegen der Erwartungen, stieg der Gebrauch von Methadon und anderen nicht-Heroin Behandlungen an. Die Öffentlichkeit wurde nicht länger belästigt durch Süchtige oder den Nadeln ausgesetzt, die herumlagen, sagte Dreifuss.
Sie fügte hinzu: “Das Drogenproblem ist immer noch da, aber die Bevölkerung ist generell zufrieden mit der Strategie und hat akzeptiert, dass sie gute Resultate erzielt hat.” Sie gab aber auch zu, dass ihr Land am Ende der Kette sei verglichen mit Lateinamerika und Afrikanischen Staaten, die durch Drogenkriege und Handel geplagt werden, welche andere und bei weitem ernsthaftere Probleme hervorrufen.
Einen mittleren Kurs ansteuern
IRIN berichtet weiter, dass der Nationale Drogenkoordinator der Tschechischen Republik, Jindrich Voboril, einige nachdenkliche Punkte ansprach, wie man möglicherweise vorangehen könne: „Alle Extreme sind normalerweise schädlich. Ein Extrem ist ein total legalisierter Markt, wie das für Alkohol und Zigaretten der Fall ist, und das andere Extrem ist die Prohibition. Wir müssen nach etwas in der Mitte gucken.“ Bei der Entwicklung einer neuen globalen Politik gäbe es einen dringenden Bedarf, mit verschiedenen Optionen zu experimentieren, die eher von der Wissenschaft als von der Angst angetrieben werden, sagte er. Während der sowjetischen Herrschaft standen traditionelle Drogen wie Heroin und Kokain nicht zur Verfügung, daher entwickelten Tschechen ihr eigenes Produkt – Methamphetamin – dessen Gebrauch sich schnell im Land ausbreitete. Dies, so sagt Voboril, lasse den Mythos zum Einsturz bringen, dass die Einschränkung der Versorgung die Nachfrage reduzieren würde.
“Eine Gesellschaft zu erreichen, die frei von Drogen ist, ist Wunschdenken.”, sagte er. „Es ist eine extremistische Idee, die immer nur Leiden hervorrufen wird.“ Erklärend fügte er hinzu, dass das Streben nach Glücksgefühlen hinter dem Konsum von Drogen stehe. Es wäre effektiver, alle Suchtprobleme zusammen zu betrachten – so wie Alkohol, Tabak, Drogenmißbrauch und Spielsucht, etc. – und gemeinsame Lösungen zu finden.
“Studien zeigen, dass 2–3% der Bevölkerung in Gefahr sind, Suchtpersönlichkeiten zu entwickeln“, sagte er, und Forschungen zeigten auch, dass umso jünger Menschen seien, wenn sie mit Drogen experimentieren, sie umso eher eine Sucht entwickelten. Die Tschechische Republik hat einen mittleren Weg gewählt, bei welchem Drogenbesitz (in kleinen Mengen) mit Geldbussen, nicht aber mit Gefängnis bestraft wird.
“Wir haben festgestellt, dass nichts schreckliches passierte”, sagte Voboril. Ausserdem, von Holland, der Schweiz und England den Ratschlag aufgreifend, führte das Land leidensreduzierende Dienstleistungen ein, welche den Fokus von der Bestrafung weg hin zur Gesundheitsversorgung verlagerte. Jetzt, anders als in Russland und anderen ehemaligen Sowjet-Republiken, ist die HIV Rate unter 1% gefallen und Hepatitis C Infektionen haben ebenfalls stark abgenommen.
“Wir riechen einen Paradigmenwechsel”
Dreifuss sagte, Regierende haben die moralische Verantwortung die Gesundheit und Sicherheit ihrer Bürger zu schützen. Andere sagten, dass, während einige Regierende sich nicht von dem „moralischen Argument“ des Schutzes ihrer Bürger vor Leiden – Drogenkonsumenten sind sehr stigmatisiert in vielen Ländern, einschliesslich Russlands – überzeugen lassen würden, sollten sie doch auf den klaren ökonomischen Nutzen der Programme reagieren, welcher die öffentliche Gesundheit gegen Sicherheitsaspekte abwäge.
Architekt der Drogenpolitik der Tschechischen Republik und Mitglied der Globalen Kommission, Pavel Bém, sagte, dass die neue Drogenpolitik mehr Nutzen als Schaden haben müsse, und die derzeitige täte das Gegenteil, laut des IRIN Berichtes. „Wenn man die Drogenpolitik überall auf der Welt analysiert, sieht man viele unbeabsichtigte negative Konsequenzen“, sagte er, hinzufügend, dass viele davon in Bezug auf Kosten seien.
“Diese Menschen, die Jahre nutzlos im Gefängnis verbringen, sind nicht die Dealer im organisierten Verbrechen, sondern die Konsumenten.“
Experten beobachten den Weg der Entkriminalisierung von Marihuana, den Uruguay und zwei US Staaten – Washington und Colorado – gehen. Der Direktor des Globalen Drogenprogrammes von OSF und Panelmoderator, Kasia Malinowska-Sempruch, sagte, während die USA resistent seien gegenüber Wandel auf der Bundesebene, heisse die Tatsache, dass zwei Staaten Marihuana legalisiert haben und andere wahrscheinlich folgen werden, dass „es nicht ernsthaft die Verbote weiter anschieben kann, wenn es diese Staaten innerhalb seiner Grenzen hat.“, laut IRIN Bericht.
Bém fügt hinzu: “Wir riechen einen Paradigmenwechsel. Wir sind am Beginn eines Wandels. Wir wissen nicht, wie lang es dauern wird und was es am Ende sein wird, aber wir können sehen, dass es sich verändert.“
Originalartikel auf englisch bei Human Wrongs Watch, Übersetzung Johanna Heuveling